"Funny Games" von Michael Haneke. Österreich, 1997. Susanne Lothar, Ulrich Mühe, Arno Frisch, Frank Giering
Wir armen Büßer trabten also alle brav an, um uns am Ex-Feiertag den verdienten Tritt in den Magen abzuholen. Ein derber Tritt war es, fürwahr, und belämmert schlichen wir alle wieder nach Hause, eher verunsichert allerdings denn geläutert, denn wie so oft, wenn es um das Thema Gewalt geht, verwischen die klaren Grenzen. Vielleicht soll es so sein, aber der Konsument hat es nicht leicht damit.
Zwei Männer verbringen ihre Zeit damit, Familien schön langsam und sadistisch auszurotten und wenn sie mit der einen durch sind, gehen sie weiter zu nächsten. Schritt für Schritt baut sich zu Beginn eine Atmosphäre unguter Spannung auf, bis plötzlich der Terror jäh durchbricht, und eigentlich bis zum kalten Ende nicht mehr abreißt. Genau wie die dreiköpfige Familie am Urlaubssee werden wir hilflos, ohnmächtig und entsetzt mit einer Gewalttätigkeit konfrontiert, die keine Grenzen, keine Ursachen, keine Möglichkeit des Verstehens kennt. Jeder Versuch der Opfer, die Peiniger nach ihren Gründen zu fragen, werden höhnisch quittiert mit Klischeephrasen, die man gewöhnlich an dieser Stelle zu hören bekäme: Eine harte Kindheit, Scheidung der Eltern, Drogen, Alkohol, und was es da sonst an Erklärungsmustern gibt. In der Tat aber gibt es für die Taten dieser beiden keine nachvollziehbare Begründung. Sie scheinen aus reinem Vergnügen am Quälen zu handeln, Gefühle oder Gewissenskonflikte sind ihnen vollkommen fern. Haneke hat ihren finsteren Zynismus in eine Dramaturgie umgesetzt, die vorhersehbaren Horror mit maximaler Konzentration präsentiert und uns einer fast unerträglichen Spannung aussetzt, die uns ebenfalls alsbald wünschen läßt, dieser Alptraum möge rasch vorüber gehen. Noch perfider fast als diese dramaturgischen Methoden sind die Versuche des Mörders Paul. den Zuschauer zu seinem Komplizen zu machen. Mehrmals wendet er sich feixend, verschwörerisch, süffisant direkt in die Kamera, so als stachele erst unsere Neugier und unsere Erwartungshaltung sein weiteres Vorgehen an. Wir erwarten eine Show, eine richtige Geschichte, einen plausiblen Schluß, also drehen er und sein Kumpel die Schreckensschraube um noch eine Drehung weiter. Haneke erinnert uns mit grimmigem Sarkasmus an unsere Schaulust, unsere morbide Freude am brutalen Kitzel, unsere ständige Mittäterschaft in unserer Funktion als Konsumenten. Eine geschickte pädagogische Maßnahme, denn er erzielt damit natürlich genau die Empörung und Distanzierung, die nötig ist, um jeglicher Form von Gewalt eine Absage zu erteilen. Ob es dabei solch drastischer Mittel bedurft hätte, ist wieder mal die Frage, die wieder mal unbeantwortet bleiben muß. Zweifellos ist der Film diesen erwähnten Stellen sehr effektiv und aussagestark, während er gelegentlich auch etwas zu plakativ wird, wenn er etwa die gepflegte Klassik des harmonischen Ehepaares mit dem schreienden Chaos der John-Zorn-Musik kontrastiert, die dann für die Mordtaten der beiden steht. Die Leiden der Opfer werden intensiv anschaulich gemacht (und auch sehr intensiv gespielt), und dennoch wahrt Haneke eine gewisse Distanz, verweigert eine grundsätzliche Identifikation, weswegen sein Film letztlich doch vor allem für den Kopf gemacht ist, wenn sich der Magen denn etwas beruhigt hat. Die Zwiespältigkeit dabei ist wie gesagt vermutlich unvermeidlich und macht vielleicht die Spannung aus. Wenigstens gibt Haneke hier und da sein eigentliches Anliegen zu erkennen, womit er sich von anderen Filmen hauptsächlich amerikanischer Herkunft dann doch abgrenzt. Jedenfalls ist das hier ganz harter Tobak, der sicherlich mehr Leute abschrecken wird, als beabsichtigt sein sollte, denn Diskussionsstoff steckt allemal reichlich drin. (19.11.)