„Mortal Transfer“ (#) von Jean-Jacques Beineix. Frankreich/BRD, 2001. Jean-Hugues Anglade, Hélène de Fougerolles, Miki Manojlovic, Valentina Sauca, Robert Hirsch, Yves Renier, Denis Podalydes

So einen Film hätte ich ehrlich gesagt vom Herrn Beineix nicht erwartet. Nach Filmen wie „Diva“, „Betty Blue“ oder „IP 5“ hatte man länger nichts gehört und wenn überhaupt eher wieder mit einem schwergewichtigen, erotisch-mythisch-stilisierten Werk gerechnet. Na ja, seinen Stilwillen immerhin hat der Mann über die Zeit gerettet, aber sonst ist doch eher die Leichtigkeit eingebrochen in seine spezielle Welt, und ich für meinen Teil kann nicht behaupten, daß ihm das geschadet hat – im Gegenteil.

 

Jean-Hugues Anglade- auch den habe ich schon länger nicht mehr im Kino gesehen und ihn ziemlich vermißt – ist diesmal ein Psychiater in Nöten: Eine aufreizend an sich herumspielende Sado-Nymphomanin verstirbt just als der gelangweilte Therapeut ein Nickerchen hält, und anschließend ist der sich nicht mal sicher, ob er es nicht selbst vielleicht gewesen ist. Sei‘s drum, die Leiche liegt sehr störend auf dem sprichwörtlichen Sofa und muß irgendwie weg. Von nun an gerät der eigentlich recht solide Knabe in ziemlich unsichere Fahrwasser, macht die Bekanntschaft einiger dubioser Zeitgenossen, wird bedroht, beobachtet, verfolgt, verdächtigt, verflucht, schlägt sich auf dem Friedhof mit nekrophilen Spinnern herum, schlägt sich vor der eigenen Haustür mit psychotischen Weihnachtsmännern herum, schlägt sich mit einer eifersüchtigen Freundin herum, schlägt sich mit dem rabiaten Gatten der Verblichenen herum, schlägt sich mit einem mißtrauischen Polizeibeamten herum, schlägt sich mit einem, geldgierigen Kollegen herum, kurz, hat einen Haufen Ärger am Hals. Wie er aus alldem herauskommt, ist haarsträubend, rabenschwarz, sehr lustig, turbulent und gibt Beineix‘ Film den Touch einer wüsten, tief makabren Komödie, die fröhlich aufräumt mit bürgerlichen Geschmacksidealen und mit bürgerlichen Vorgaben der guten Sitten. Von einer Verwicklung geht’s flott weiter in die nächste, der arme gebeutelte Held kommt nie zum Verschnaufen geschweige denn zum klaren Denken, sein Auto ist gegen ihn, die winterliche Witterung erst recht, und irgendwie ist da so gar niemand, dem er ernstlich sein vertrauen schenken könnte. Nebenbei macht sich Beineix genußvoll über die typischen Rituale und Rollenspiele der Psychotherapie lustig und zeigt sich überhaupt sehr locker und bestens gelaunt. Vielleicht nicht mehr so ambitioniert und temperamentvoll wie früher – da blutet die Leinwand nicht mehr, schweres Schicksal wird auch nicht mehr verhandelt und die einst berstend intensiven, fatal kompromißlosen, bedingungslosen Gefühle sind nun eher Gegenstand ironischer Späßchen – aber irgendwie unterhaltsamer, sympathischer. Mir also gefällt dieser andere Beineix ganz gut, ich hatte viel Spaß, und den Anglade sehe ich ja auch immer wieder gern. (18.3.)