Baran (#) von Majid Majidi. Iran, 2001. Zahra Barahmi, Hossein Abedini, Mohammed Amir Naji, Abbas Rahimi, Gholam Ali Bakhshi
Nach zehn Jahren Krieg haben die Russen in Afghanistan nur Hunger, Not, ein neues Terrorregime und ein riesengroßes Flüchtlingsproblem hinterlassen. Die meisten der Flüchtlinge gingen rüber in den Iran, wo sie als Illegale lebten, oft in ärmlichsten Behausungen am Rand der Städte, mühsam ernährt (wenn überhaupt) von Gelegenheitsjobs, ausgebeutet auf großen Baustellen, hastig versteckt vor den Behörden, diskriminiert und verachtet von den einheimischen Arbeitern, die sie als billige und damit gefährliche Konkurrenz betrachteten.
Vor genau diesem Hintergrund spielt sich diese Geschichte ab, in der sich gehässige Abneigung urplötzlich umwandelt in ebenso tiefe Zuneigung und buchstäblich aufopfernde Liebe. Ein Märchen - leider - wenn man so will, das von Verständigung über die kulturellen, nationalen und sprachlichen Grenzen hinweg spricht und mit hintergründigem Humor seinen Kommentar zum Stand der Dinge im Iran abgibt: Als auf der Baustelle ein neuer, junger Afghane auftaucht, nachdem sein Vater schwer abgestürzt ist, behandelt Latif ihn zunächst mit aller ihm zu Gebote stehender Gemeinheit, und als der Junge dann, weil er körperlich nicht kräftig genug ist, mit ihm auch noch die Jobs tauscht und er nun die Schwerarbeit leisten muß, steigert sich seine Wut und blanken Haß. Alles wird jedoch anders, als er zufällig entdeckt, daß Rahmat, der niemals spricht, ein Mädchen ist: Er gibt wortwörtlich sein letztes Hemd her, um ihr und der Familie zu helfen, dennoch bleibt ihm am Schluß nur ein Schuhabdruck im Regen.
Eine schlammig-braune, verregnete und verschneite Stadt bietet eine triste Kulisse, die erbärmlichen Wohnviertel der Afghanen sagen mehr als lange Predigten, und der tägliche Kampf um ein bißchen Geld und gegen die stets überraschenden Razzien der Behörden sagen ein übriges. Die Afghanen fristen ihr Leben im Halbschatten, die Frauen verrichten lediglich schlecht bezahlte Drecksarbeit, und viele warten nur auf eine Chance, zurück nach Hause fahren zu können. Was sie dort erwartet, ganz klar, ist aber keineswegs vielversprechender als hier im Exil. Der Film braucht kein Happy End und auch nicht viel Worte, die präzisen, lakonischen, vorzüglich gespielten und oft recht bissigen Szenen zeigen genau, was sie zeigen müssen, es gibt keine mythischen Abschweifungen, kein poetisches Drumherum, und doch hat „Baran“ für meinen Geschmack viel mehr Gefühl und Poesie, als all die anderen iranischen Werke, die ich kenne und die mich bislang fast durch die Bank ziemlich gelangweilt haben. Die Geschichte ist zeitlos, universal und schön, genau wie der Film auch. (4.5.)