The Interpreter (Die Dolmetscherin) von Sydney Pollack. USA, 2004. Nicole Kidman, Sean Penn, Catherine Keener, Jesper Christensen, Earl Cameron, Yvan Attal

   Vor fast genau dreißig Jahren tingelte ein zu damaliger Zeit zweifellos als Traumpaar anzustufendes Duo durch ominöse New Yorker Straßen: Der smarte blonde Robert Redford und die schöne blonde Faye Dunaway. Man erinnert sich – Post-Watergate: Ernüchterung, Verschwörungsphantasien, Verfolgungsängste, allgemeine Beunruhigungen und Verunsicherungen. Intrigen und Bedrohung waren nicht real greifbar, sondern lagen eher in der Luft, in der Atmosphäre. Sydney Pollack hat dies kongenial umgesetzt in einen bedächtigen, ruhig und langsam dahinfließenden Thriller, der zu den archetypischen seiner Zeit und zu den besten zählt.

   Und nun im neuen Jahrtausend schickt er wieder ein sogenanntes Traumpaar auf den Laufsteg, einen effektvoll alternden Sean Penn und eine ebenso effektvoll schöne Nicole Kidman, in einer Stadt, die zwei Türme weniger hat, aber noch immer jederzeit herhalten kann als Schauplatz bedrohlicher Ereignisse. Zwei Menschen mit Vergangenheit: Er ist ein FBI-Mann, dessen eigentlich getrennte Ehefrau vor kurzem tödlich verunglückte und der darob noch von Trauer ganz gelähmt ist. Sie ist UN-Dolmetscherin, geboren und aufgewachsen in Matabo in Afrika und dort mitsamt ihrer Familie verstrickt in politische Kämpfe und Kriege. Nach dem gewaltsamen Tod ihrer Eltern nahm sie gemeinsam mit ihrem Bruder selbst eine Waffe in die Hand, tötete sogar einen Menschen, um sich danach lieber der Diplomatie zu widmen, aus der Einsicht heraus, daß die meisten Kriege nur durch Mißverständnisse entstehen. Dann hört sie aber eines Abends eine konspirative Unterhaltung in afrikanischem Dialekt, die sie nicht hätte hören sollen, gerät darob natürlich in akute Lebensgefahr und muß vom FBI-Mann beschützt werden, obwohl der nie ganz sicher ist, was sie eigentlich im Schild führt. Auch muß noch ein Attentat auf den verbrecherischen Präsidenten von Matabo verhindert werden, damit der Mann einem ordentlichen Tribunal vorgeführt werden kann, denn die undankbaren Neger neigen nach wie vor dazu, ihre hausgemachten Kriege und Konflikte auf geheiligtem US-amerikanischen Boden auszutragen, und das kann man sich unmöglich gefallen lassen. FBI-Mann Keller kann abschließend die Dolmetscherin Sylvia gerade noch davon abhalten, den fiesen Politiker eigenhändig zu exekutieren, aber dennoch trennen sich die Wege der beiden, und er kann ihr nur betrübt hinterherschauen.

   Es gibt sie also noch, jene fiktiven afrikanischen Staaten namens Matabo oder Mogambo oder Maputo, die einst jene fiktiven Balkanstaaten namens Transmoldavien oder Korruptistan ablösten als ewige Quellen dunkler Ränkespiele und noch dunklerer Despoten in amerikanischen Abenteuer- und Politdramen. Ich war erst etwas sprachlos, dann durchaus amüsiert darüber, daß dieses Klischee tatsächlich bis heute überleben konnte, damals wie jetzt ein absolut albernes Feigenblatt, denn weshalb sollte man nicht einen konkreten Staat beim Namen nennen, wenn man schon darauf angewiesen ist, die Verursacher irgendwelcher Verschwörungen weit weg im Ausland zu orten. Pollack und seine Drehbuchautoren haben sich sowieso (leider) nicht auf eine klare Position festlegen wollen oder können, sie lavieren recht unentschlossen zwischen behaupteter Betroffenheit über Gewalt, Leid und Elend in dem afrikanischen Land und ziemlich altertümlichen Stereotypen über schwarze Finstermänner und Killer in New York, wodurch eigentlich jede vielleicht angestrebte Ernsthaftigkeit wieder zunichte gemacht wird. Der Film gehorcht auf dieser Ebene in jeder Hinsicht den alten kommerziellen Regeln des Politthrillers, die nach einem MacGuffin verlangen, irgendeinem möglichst vagen Komplott, das nicht vertieft oder konkretisiert werden will, sondern jeweils nur als Vorwand dafür gilt, auf westlichem Boden für Freiheit und Gerechtigkeit zu sorgen und jeglichen Angriff von außen auf die bestehenden Verhältnisse gründlich abzuwehren. Natürlich sieht die Hälfte der Leute immer irgendwie gebrochen aus und alle äußern zwischendurch auch tiefe Zweifel am Fortbestand von Ehre und Moral, aber unter dem Strich siegt doch immer das Gute, und manchmal können die USA, sozusagen als Bonus, den afrikanischen Demokratien auch ein bißchen in den Sattel helfen. Auch das reizvolle Motiv der Dolmetscherin erfährt keine wirklich befriedigende Ausarbeitung, ihr Entschluß, als Vermittlerin zwischen den Sprachen und Kulturen zu wandeln und damit gleichzeitig ganz bewußt ein Stück ihrer eigenen Identität aufzulösen, und auch die besondere Macht, die sie damit erhält, denn an ihr liegt es oft, wie die Botschaften herüberkommen, was überhaupt übersetzt wird und was vielleicht auch nicht.

   Andererseits hält Pollack die Erzählung ruhig, souverän und sicher im Fluß, läßt sich an den richtigen Stellen Zeit, setzt geschickt ein paar Actionszenen ein, verfällt aber nie in unangemessene Hektik oder lautstarke Angeberei, weshalb dieser Film durchaus an den Condor von früher erinnert. Atmosphärisches und Zwischenmenschliches kommen bei über zwei Stunden Spielzeit hirneichend zum Zuge (auch wenn die oben bemerkte Oberflächlichkeit vorherrscht), und gottseidank hat es Pollack noch immer nicht nötig, Hightechgetöse statt solides Handwerk aufzufahren. Die eigentliche Spannung hier bezieht sich auch eher auf die Frage, ob unsere beiden Protagonisten sich am Ende kriegen, ob sie ihre Vergangenheit, ihr gegenseitiges Mißtrauen, ihre eigene Trauer überwinden können, und zumindest auf dem Gebiet ist der Film doch recht attraktiv, weil er natürlich sehr attraktiv besetzt ist und Nicole Kidman und Sean Penn der ganzen Sache das richtige Flair und Format geben. Zwei charismatische Typen, zwei Hingucker, zwei Gesichter, in die man sich vertiefen kann, wozu man hier auch reichlich Gelegenheit hat, denn es gibt neben ihnen keine gleichwertigen oder interessanten Nebenfiguren (anders als im Condor, wo sich hochkarätige Leute wie Max von Sydow oder Cliff Robertson im Hintergrund tummelten), man ist allein auf die beiden angewiesen, und natürlich besitzen sie das Format, den Film zu tragen und unser Interesse ganz auf sich zu ziehen.

 

   Daß man aus dieser Story mehr oder Originelleres hätte machen können, ist klar. Pollack als alter(nder) Routinier hat einen sehr konventionellen Ansatz gewählt, der zu vielen alten Klischees verpflichtet ist, der sich zwar einerseits angenehm von der aktuellen, auf modern und rasant getrimmten Einheitsware abhebt, der aber andererseits die inhaltlichen Möglichkeiten und Dimensionen nicht annähernd ausschöpft, weshalb ich angesichts höherer Erwartungen am Ende doch ein wenig enttäuscht bin. (28.4.)