Gaudzi (Dumplings – Delikate Versuchung) von Fruit Chan. Hongkong, 2004. Bai Ling, Miriam Yeung, Tony Leung Ka Fai, Pauline Lau, Miki Yeung
Die Herren und Frauen Filmemacher aus Fernost sind bekanntlich immer für Beiträge gut, die, um es gelinde zu umschreiben, ein wenig abseits breitgetretener Ästhetikvorstellungen und Werte liegen. Das faszinierende Paradoxon zwischen vermeintlicher Disziplin und strenger Ritualisierung einerseits und wüsten Fantasieauswüchsen andererseits bildet den Reiz so manches japanischen oder chinesischen Films der letzten zwanzig Jahre und ist zugleich eine wichtige Quelle für all jene, die auch mal radikaleren Stoff jenseits des amerikanischen oder europäischen Mainstreams suchen.
„Dumplings“ fällt exakt in jene Kategorie und sei ausdrücklich nur solchen Leuten anempfohlen, die ihre eigene Phantasie im richtigen Moment zu zügeln wissen, den wenn man sich das Geschehen hier in aller Breite und Tiefe ausmalt, hat man vielleicht doch ein Problem.
„Dumplings“ ist eine drastische, genüßlich ekelhafte Satire gegen den Traum ewiger Jugend, gegen Männerphantasien von schönen, jungen, jederzeit willigen und verfügbaren Frauen, und gegen den vor allem in Fernost verbreiteten Aberglauben, daß allen möglichen Geheimrezepturen besondere aphrodisiakische oder andere Wirkung zugeschrieben wird. Der Film führt dabei einen bestimmten Gedankenweg bis zu seinem absoluten und konsequenten Ende, und darin hat er mich doch tatsächlich an eine Satire des guten alten Herrn Swift erinnert, der einst vor langen Jahren seinen englischen Freunden empfahl, zur Behebung des jammervollen Elends in Irland die Kinder zu kochen, braten oder grillen, was ebenfalls nur folgerichtig war, weil man ja bereits alles daran gesetzt hatte, die Eltern gründlich zu vernichten. „Dumplings“ verwendet im Grunde eine ganz vergleichbare Strategie, denn hier wird Frauen endlose Jugend und blütenweiße Pfirsichhaut versprochen, wenn sie mit Embryonenfleisch zubereitete Teigtaschen verspeisen. Die Köchin Mei, selbst bereits über sechzig aber attraktiv wie eine Zwanzigjährige, holt sich zu diesem Zwecke ganz frisch abgetriebene Embryonen aus einem Krankenhaus und zieht dann ihr lukratives Geschäft auf. Ihre aktuelle Kundin ist Frau Li, die darunter leidet, daß ihr grotesk egozentrischer und rein schwanzgesteuerter Gatte alles bespringt, was jung und erreichbar ist, während er sie seit Jahren links liegen läßt. Nun entschließt sie sich also zur Radikalkur, und zunächst hat sie sogar Erfolg. Doch als ihre Haut allergische Reaktionen zeigt und der Gatte die Köchin für sich entdeckt, droht der Plan zu scheitern. Und auch Frau Meis Geschäft wird schließlich auffliegen.
Männer kommen nicht sehr gut davon im Drehbuch, und ihre gnadenlose Oberflächlichkeit ist es vor allem, die die Frauen dazu zwingt, wahnwitzige Anstrengungen zu unternehmen, um wenigstens noch ein bißchen begehrenswert für die Herren zu sein. Natürlich führt dies zu nichts weiter als Krampf, Frust und einem ewigen Wettlauf der Frauen untereinander, und letztlich zu völliger Demütigung. Die Frauen selbst reduzieren sich aufs Äußerliche, Geschlechtliche, erniedrigen sich auf der fieberhaften Jagd nach vermeintlicher Schönheit und Jugend, während die Männer halb ausgebrütete Hühnereier fressen, die Gattin mit Hohn und Spott überschütten und stattdessen die Sekretärin von nebenan schwängern, es sei denn, die eigene Frau ist plötzlich wieder sexy genug, um ihre geschätzte Beachtung zu finden. Nichts freundliches also von der Geschlechterfront in Hongkong, wenig freundliche Bilder auch von heruntergekommenen Wohnsiedlungen und an der Armutsgrenze vegetierenden Menschen darin, dafür aber trügerisch elegante, perfide auf Erotik und Delikatesse getrimmte Impressionen zwischendurch, die die Satire noch wirkungsvoller machen, weil Erotik hier natürlich nur hohl und auf Konsum reduziert ist, und delikat anzuschauende Spezialitäten die monströse Ausgeburt einer monströs deformierten Gesellschaft sind. Fruit Chan suhlt sich dabei nicht in schrillen Effekten und wilder Rhetorik, der inszeniert ruhig und mit genüßlicher Intensität, spielt mit ästhetischen Klischees und mixt dazu eine hinterhältig suggestive Tonspur, und hat Schauspieler, die sich dem schön zweideutigen, parodistischen Konzept perfekt anpassen. Zwischendurch gibt’s dann doch mal eine gräßliche Abtreibung mit ebenso gräßlichen Folgen, an denen schlagartig klar wird, wie menschenverachtend das ganze System eigentlich ist, doch dann blickt man wieder in Bai Lings zufriedenes, von keinerlei Schuldbewußtsein getrübtes Gesicht, und alles scheint in Ordnung zu sein. Wie gesagt, ein wenig robust müssen die Magennerven schon ausgestattet sein, wenn dies aber der Fall ist, hat man eine glänzend konzipierte, geschriebene und umgesetzte Satire vor sich, die einen schon seit Jahren herrschenden fatalen Trend zum bitteren Ende weiterdenkt, und wer weiß schon, was in dieser oder jener Hinterhofküche nicht schon alles gebrutzelt wird, wenn es nur der Potenz oder dem Pfirsichteint dient. (10.8.)