Proof (Der Beweis) von John Madden. USA/England, 2005. Gwyneth Paltrow, Anthony Hopkins, Jake Gyllenhaal, Hope Davis, Roshan Seth
Für einen gut gediegenen Schauspielerfilm braucht man vor allem eines, natürlich gute Schauspieler. Und wenn möglich auch noch ein brauchbares Drehbuch, gern zum Beispiel als Vorlage ein Bühnenstück. Mit beidem kann „Proof“ aufwarten und folglich ist daraus ein richtig gut gediegener Schauspielerfilm geworden, mit Gwyneth Paltrow als Cathy, der Tochter von Anthony Hopkins, dem ehemaligen Mathematikgenie, der aber seit Jahren an zunehmender Demenz leidet und dem die Tochter halbwegs ihre eigene Unikarriere opfert um ihn zu pflegen. Nach Paps’ Tod kreuzt dann die große Schwester Claire alias Hope Davis in Chicago auf und möchte die Zukunft der selbst etwas labilen und sehr zurückgezogen lebenden Cathy am liebsten in die Hand nehmen, sie nach New York holen, um sie dort von „qualifizierten Spezialisten“ behandeln zu lassen. Dann gibt’s da aber auch noch Hal (Jake Gyllenhaal), einen Studenten des Vaters, der tagelang in den Aufzeichnungen des Alten herumstöbert, um nach verwertbaren Arbeiten zu suchen und der schließlich einen epochalen Beweis entdeckt, den allerdings Cathy für sich reklamiert. Hal glaubt ihr anfangs nicht und löst damit eine neue Krise aus, und als er sich dann endlich eines Besseren besonnen hat, ist es schon fast zu spät und Cathy auf dem Weg nach New York.
Es geht mithin um Themen wie Vertrauen, Verantwortung, Erinnerung und Angst, im Großen und ganzen sehr auf Cathys Befindlichkeit fokussiert. In vielen Rückblenden kreist ihre Erinnerung um das späte Zusammenleben mit dem Vater, der sie einerseits immer zum Leben ermutigt hat, andererseits soviel Pflege und Hilfe brauchte, daß sie, selbst wenn sie gewollt hätte, kaum ein eigenes leben hätte aufbauen können. In einigen sehr schön gestalteten, kurzen und schmerzhaften Szenen wird exemplarisch das Ausmaß seiner Verwirrung deutlich, etwa wenn sie ihn mitten in der Nacht draußen im Schnee sitzend antrifft, nachdem er sich tagelang nicht gemeldet hatte, oder wenn er ihr voll Stolz den fertigen Beweis vorlegt, der sich dann aber als ein endloser Nonsenstext entpuppt. Sie lebt mit ihm in zunehmender Einsiedelei in dem alten Elternhaus, wird selbst immer verschrobener und unberechenbarer und hat auch Angst, seine Veranlagung geerbt zu haben und nun unweigerlich auf dasselbe Schicksal zuzusteuern, wobei sie teilweise droht, auf eine Art self-fulfilling prophecy zuzusteuern. Als Claire dann praktisch über sie herfällt, treffen zwei konträre Welten aufeinander, denn die ist tough und clean und straight und sehr amerikanisch auf Erfolg und saubere Fassade gebürstet, hat sich zwar in all den Jahren lieber um ihre Karriere statt ihren Vater gekümmert, reklamiert nun aber für sich das Recht, die Angelegenheiten ihrer Familie in Eigenverantwortung zu regeln, wogegen Cathy sich in ihrer Kraftlosigkeit nicht wehren kann. Eine heikle Rolle, weil sie praktisch zum Klischee einlädt, doch so wie sie gestaltet und gespielt ist (Hope Davis ist nämlich hervorragend), kommt sie trotzdem ziemlich realistisch und so daher, daß man dennoch zum Teil wenigstens irgendwie mit ihr fühlen kann. Es sind in diesem Film eher die Männer die weniger Aufregendes zu tun haben: Anthony Hopkins, effektvoll wie gewohnt, hat als verwirrtes Genie immerhin ein paar sehr prägnante Szenen, Jake Gyllenhaal aber als sehr lieber aber auch recht unbeholfener Kerl, der Cathy zwar liebt, aber eigentlich viel zu sehr Mathematikfreak für so was ist, wird kaum gefordert. Dafür kann sich Gwyneth Paltrow stark entfalten und das tut sie in der Tat in ihrer bislang vielleicht besten, komplettesten Leistung. Es ist richtig schön zu sehen, wie sie sich gemacht hat, seit sie dem vorwiegend leichten Fach ein wenig entwachsen ist, wie beispielsweise schon in dem Sylvia-Plath-Film, und nun auch hier alle Facetten eines Charakters sehr überzeugend und gefühlvoll zeigt. Cathy ist verstört, verletzlich und scheinbar leicht beeinflußbar, dann aber auch wieder kantig, mißtrauisch und stark, zum Beispiel auf der Beerdigung, wo sie der versammelten heuchelnden Trauergemeinde kurz darstellt, wie es wirklich um den seligen Verstorbenen stand und welchen Preis sie zahlen mußte dafür, daß er friedlich zu Hause sterben konnte. Paltrow trägt den Film fast ganz allein, und das macht sie erstklassig, besonders ihre Szenen mit Hope Davis sind eine Attraktion. Zu diesen sehr ausgewogenen Darstellungen kommen dann die gern benutzten schön warmen herbstlich-winterlichen Bilder, die dem ganzen einen edlen, irgendwie literarischen Anstrich geben und John Maddens dezente, ruhige und sorgsame Regie, die sich nicht in den Vordergrund drängt, sondern denen Platz läßt, die ihn eigentlich brauchen. Manchmal hört man das Theaterstück ein wenig durch, aber die Umsetzung ins Filmische ist weitgehend gut geglückt, und schrille Exzesse à la Tennessee Williams sind heutzutage gottseidank passé. Also: Für Freunde dieser Art von Kino eine absolut feine Sache, und wer es allgemein auch mal weniger laut und aufwendig und mehr aufs Menschliche konzentriert braucht (nur mal so zwischendurch...), wird hier auf seine Kosten kommen. (30.5.)