Peindre ou faire l’amour (Malen oder lieben) von Arnaud und Jean-Marie Larrieu. Frankreich, 2005. Sabine Azéma, Daniel Auteuil, Amira Casar, Sergi Lopez, Philippe Katerine, Hélène de Saint-Père, Sabine Audepin, Roger Mirmont

   Klar, sowas können wirklich nur die Franzosen, und das ist für mich auch kein Problem, denn ich finde es in höchstem Maße beglückend und beruhigend, daß sie zwischendurch immer mal wieder zu ihren Tugenden zurückfinden und uns ahnungslosen und zugleich entzückten Teutschen so ein schönes Filmchen kredenzen: Eine völlig ungeniert romantische, bukolische Erotikphantasie, ganz aus dem Alltag heraus entwickelt und dann doch zeitweise total entrückt, randvoll mit optischer und sinnlicher Finesse. Frivol, zart und witzig, charmant und fantasievoll, leicht und locker und doch nie oberflächlich – kurz, französisch durch und durch. Kein kontroverses Thesenkino für die großen Denker, sondern Kino für Genießer, die noch nicht zu alt sind, um sich mal im Stillen ihren eigenen geheimeren Wünschen zu stellen.

   Die Geschichte ist zum Glück einfach: Ein leicht saturiertes und erschöpftes Ehepaar (er leicht frustrierter Pensionär, sie noch immer heftig aktive Geschäftsfrau) entdeckt und kauft zufällig ein Haus auf dem Lande in Rhône-Alpes mit grandiosem Blick auf den Vercors und entdeckt, inspiriert von der herrlichen Natur die leiblichen Freuden von neuem. Als die dann ein anderes Ehepaar kennenlernen entspinnt sich ganz unwillkürlich eine ménage à quatres, ein Partnertausch sowohl offen als auch verschämt, der Madeleine und William fast dazu bringt, mit den anderen beiden in die Südsee zu ziehen, nachdem deren Haus abgebrannt ist, doch rechtzeitig finden sie heraus, daß es daheim doch viel schöner ist und es außerdem Alternativen gibt...

 

   Minutenlang schwelgt die Kamera in herrlichen Naturansichten und läßt dazu tolle Chansons erklingen (unter anderem von Meister Brel), dazu gibt es allerliebste Lichtstimmungen und zauberhafte Intérieurs, und fast unbewußt akzeptiert man sofort, daß eine solche Umgebung durchaus massiv stimulierend auf den Hormonhaushalt wirken kann, und überhaupt entwickelt die Geschichte mit bestechender Nonchalance alsbald ihre eigene, unberechenbare Dynamik, der sich auch die Beteiligten letztlich ergeben, und so geschieht, was scheinbar geschehen muß. Diese zum Teil heftig verdichtete erotische Stimmung überträgt sich sehr schön auf uns, und entsprechend wird im Zuschauersaal entzückt über die Witz und die Frechheit der brillant präsentierten Pointen gekichert, wobei die Brillanz nicht in irgendwelchen platt servierten Knalleffekten liegt, sondern einzig und allein darin, wie die Eheleute auf das reagieren, was da mit ihnen passiert. Und hier kommen dann die exzellenten Schauspieler voll zum Zuge, vor allem Sabine Azéma, seit langem eine meiner großen Favoritinnen aus Frankreich, ist einfach fantastisch und gibt dem Film einen Großteil seines Charmes. Mal abenteuerlustig und mit dem Schalk im Nacken und mal ganz hin und weg von dem, was da über sie kommt, mal lustvoll jenseitig und mal wieder ganz auf dem Boden der Tatsachen ist sie eine hinreißende Persönlichkeit, der zuzusehen extrem viel Spaß macht und die was schauspielerische Präsenz angeht locker alle anderen Kollegen in die Tasche steckt. Das macht aber nichts, denn die sind trotzdem ausgezeichnet, wie überhaupt der ganze Film ausgezeichnet ist und beweist, daß die Franzosen auch jenseits ihrer sonstigen Ambitionen noch wunderbare Filme machen. Muß ja nicht immer gleich Godard sein, gelt... (21.6.)