American Gangster (#) von Ridley Scott. USA, 2007. Denzel Washington, Russell Crowe, Chiwetel Eliofor, Cuba Godding jr., Arnand Assante, Josh Brolin, Carla Gugino, Ruby Dee, John  Ortiz, Ted Levine

   Eigentlich könnten Gangsterfilme ja richtig gute gesellschaftskritische Filme sein, und in sehr seltenen, leider allzu seltenen, Fällen ist dies auch gelungen. Meist natürlich vertiefen sie sich in fiebrige Brutalitäten (siehe Scorsese) und faseln was von Schicksal und Familienstrukturen (siehe Coppola und Scorsese), ohne die Persperktive zu erweitern. Alles nicht so mein Ding. Ridley Scott, von dem ich nach seinen letzten Werken grundsätzlich überhaupt nichts mehr erwarte, hat sich nun die Geschichte eines farbigen Gangsters vorgenommen, die Geschichte von Frank Lucas aus einer Großfamilie in North Carolina, der sich fünfzehn Jahre lang als rechte Hand seines Bosses in Harlem hochdient und nach dessen Tod dann an seine Stelle tritt, um mit der bewährten Mischung aus rücksichtsloser Brutalität und innigem Familiensinn zusammen mit seinen Brüdern und Cousins eine Gang etabliert, die streckenweise noch mächtiger ist als die Mafia selbst. Sein Clou: Der bezieht die Drogen direkt von der Quelle in Thailand, schmuggelt sie über die US-Army in Vietnam (wir schreiben die Jahre 1968 – 73) zurück nach New York und vertickt dort reinen Stoff zu Dumpingpreisen. Sein Problem: Er macht sich zunehmend Feinde, einmal natürlich bei der Konkurrenz, dann bei den vielen korrupten New Yorker Polizisten, die ihren Anteil verlangen, und dann gibt’s da noch Richie Roberts, einen Detektiv und angehenden Juristen, für New Yorker Verhältnisse geradezu skandalös ehrlich, dem eine Sondereinheit angedient wird und der sich verbissen an die Fersen des großen Drogenhandels heftet, womit er früher oder später auf Frank Lucas stoßen muß. Lucas wird eingekreist, eingebuchtet, und Roberts macht einen Deal mit ihm, um endlich auch in NYPD aufzuräumen.

   Wie bei Scott nicht anders zu erwarten, ist dies zuallererst großes kommerzielles Kino, brillant fotografiert und choreografiert und trotz seiner zweieinhalb Stunden keineswegs langatmig. Die Chemie der Stars stimmt, beide jonglieren geschickt mit ihrem Image, und vor allem der zeitgenössische Hintergrund wird ausgezeichnet und in sehr stimmungsvollen Bildern eingefangen. Und immerhin gibt es zwei, drei Montagesequenzen, in denen zumindest ein Eindruck davon vermittelt wird, was es damals bedeutet hat, dass Drogen billig und in großen Quantitäten in die schwarzen Ghettos des Landes gepumpt wurden. Wir sehen einen väterlichen, netten Frank Lucas im Kreise seiner Lieben und dazwischen geschnitten sehen wir elend verreckte Junkies in Scheiß und Dreck, und in diesen Momenten habe ich mir gewünscht, der Film wäre von einem schwarzen Regisseur gemacht worden mit einem anderen Hauptdarsteller als Denzel Washington, denn obwohl der sein bewährtes Charisma voll zur Geltung bringt, bleibt er gerade zum Schluß eigenartig ambivalent, und das sollte er nicht sein, denn erstens liefert er die korrupten Cops nicht ans Messer, weil er ein guter Mensch ist, sondern nur, um nicht für immer im Knast zu verschwinden, und zweitens hat er zuvor rein gar nichts getan, was ihn auch nur ansatzweise positiv erscheinen lassen könnte. Gerade die Tatsache, dass er mit seinen Geschäftspraktiken für regelrecht inflationäre Zustände in Harlem gesorgt hat, weist ihm eine fatale Rolle in der Sozialgeschichte zu, auf die Scott in seiner gewohnten Oberflächlichkeit leider nicht eingeht. Die schwarzen Viertel hörten auf, halbwegs funktionierende Strukturen zu sein, Verfall und vor allem schlimmste Kriminalität beherrschten fortan das Bild und tun das bis heute. Natürlich waren Drogen anno ´68 absolut nichts Neues, aber nie zuvor war das Zeug so rein und so günstig zu haben wie bei Frank Lucas, und man kann sich vermutlich gar nicht vorstellen, wie viele Drogentote der Kerl auf dem Gewissen hat, was dann auch die letzten fünf Minuten des Films, als wir plötzlich einen lächelnden, kooperierenden, integren Gangster erleben, für mich ziemlich irritierend macht. Russell Crowe als idealistischer, im Privatleben leider weit weniger erfolgreicher Cop hat naturgemäß Schwierigkeiten, gegen diese schillernde Persönlichkeit Zeichen zu setzen, und obwohl er endlich mal wieder ein Rolle hat, die ganz gut zu ihm passt, kann er sich nicht so recht in Szene setzen und bleibt eher effektiv im Hintergrund.

 

   Also einmal mehr: Solides, spannendes Kino durchaus mit einem gewissen Niveau, das hier und da Ansätze bietet, letztlich aber zu inkonsequent ist und daher die Chance versäumt, ein spannendes zeitgeschichtliches Panorama zu bieten, was sich durchaus angeboten hätte. Und man soll nicht sagen, das so was gar nicht geht – „Traffic“ von Steven Soderbegh hat’s allen vorgemacht und war, denke ich, auch an der Kasse nicht ganz erfolglos. Nur ist Ridley Scott nicht Steven Soderbergh, aber das weiß man ja vorher. (20.11.)