Blood Diamond (#) von Edward Zwick. USA, 2006. Leonardo di Caprio, Djimon Hounsou, Jennifer Connelly, Arnold Vosloo, Kagiso Kuypers, David Harewood, Basil Wallace, Michael Sheen
Und noch mal Afrika für alle, noch ein bißchen krasser und finsterer. Sierra Leone 1999: Ein Bürgerkrieg stürzt das Land ins Chaos, willkürliche Massaker durch marodierende Rebellenarmeen sind an der Tagesordnung, ganze Dörfer werden hingeschlachtet, die Jungs als Soldaten und die Männer für die Diamantenminen rekrutiert, denn Diamanten sind das große Kapital des Landes, weswegen auch der Westen noch fleißig mitmischt. Blutsteine, Steine also, für die viele Menschen sterben mussten, werden über die Grenze nach Liberia geschafft, von dort auf vermeintlich legalem Wege nach Europa importiert, um dann in Antwerpen teuer verhökert oder aber in London im großen Stil gebunkert zu werden, weil man so den Markt unter Kontrolle und die Preise hoch halten kann. Dies ist der Hintergrund für eine Abenteuergeschichte, in der der einheimischer Fischer Solomon bei einem Rebellenüberfall von seiner Familie getrennt, in die Mimen gesteckt und von den Regierungstruppen wieder befreit wird. Er hat zuvor aber etwas gefunden und vergraben, was viele Begehrlichkeiten weckt, nämlich einen riesengroßen rosa Stein von unschätzbarem Wert. Ein brutaler Rebellenanführer will ihn haben, der Chef einer von Südafrika aus operierenden Söldnertruppe will ihn haben, und vor allem ein Abenteurer aus Zimbabwe, Danny Archer, will ihn auch haben, denn der Stein, so hofft er, soll für ihn das Sprungbrett raus aus Afrika in ein anderes Leben sein. Danny hat auch mal als Söldner gearbeitet, macht nun jedes noch so dreckige Geschäft mit Diamanten, solange es nur Geld bringt, hat an Afrika in jeder denkbaren Weise gelitten, und so ist ihm jedes Mittel recht, um an sein Ziel zu kommen. Er schnappt sich Solomon und macht sich auf den Weg mitten durch den Krieg, wobei er dem Fischer verspricht, ihn wieder mit seiner Familie zusammenzuführen, auch mit dem Sohn, der mittlerweile von den Rebellen gefangen und zum Töten mit der Waffe gezwungen wurde. Ihnen schließt sich Maddy an, eine amerikanische Journalistin, die den Kick der Gefahr liebt und noch an die aufklärerische Kraft der Zunft zu glauben scheint. Eine wilde Jagd geht los, an deren Ende Danny stirbt, Solomon und seine Familie wieder zusammenkommen und Solomon in London vor breiter Öffentlichkeit die Stimme Afrikas repräsentieren darf.
Diese letzten fünf Minuten hätte man sich exakt schenken können, denn da kommt dann doch noch Hollywood so richtig durch, ein arg aufgesetzt pathetisches und vollkommen unsinnig geschöntes Ende, das vor allem den zweieinhalb Stunden zuvor nicht gerecht wird, denn die haben es allerdings in sich. Mit dem Namen Edward Zwick verbinde ich wahrlich nichts Gutes, doch letztlich lockte mich das Interesse an der Story ins Kino und ich habe keinen Grund, das zu bereuen, denn dies ist ein Film, der wirklich unter die Haut geht, ein mitreißendes, enorm intensives, atemberaubend spannendes und mitreißend gefilmtes Drama, das zwar seine kommerziellen Absichten zu keiner Zeit verleugnen kann und auch nicht frei von Klischees ist, andererseits aber eine starke Botschaft griffig und deutlich herüberbringt. Die Interessen der europäischen und amerikanischen Geschäftemacher, die wie immer im Hintergrund bleiben, während der gesamte Kontinent buchstäblich in Blut und Trümmern versinkt, sind unzweifelhaft Ursache und Katalysator auch jener Ereignisse und Strukturen, die sich dann verselbständigt haben und eine spezifisch afrikanische Form totalen Terrors bilden. Das Bild von kleinen Jungs, die mit großen automatischen Waffen auf Jeeps in Dörfer einfallen und in einem wahnwitzigen Blutrausch alles niedermachen, was sich bewegt, ist ebenso unvergeßlich wie unfasslich und ist zugleich das schreckliche Erbe einer jahrhundertealten, von den europäischen Kolonialherren aufgeprägten Erfahrung, die da sagt, dass man nur respektiert wird, wenn man Angst und Schrecken verbreitet und am besten mit großen dicken Waffen kommt. Und die Diamanten von Sierra Leone sind ja auch nur ein Beispiel dafür, wie der gesamte Kontinent ebenfalls seit Jahrhunderten endlos und rücksichtslos und gründlich ausgebeutet wird, ob es nun Öl ist oder Gas oder Kautschuk oder Elfenbein, die Liste ist ebenso furchtbar lang wie die Liste der Verbrechen, die von der sogenannten „Ersten Welt“ und in ihrem Interesse begangen wurden. Auch ohne dass dies im Film besonders explizit ausgebreitet wird, schwingt dieser Subtext immer mit und verstärkt die beklemmende Wirkung der Geschichte für mein Gefühl enorm. Wie Marionetten, wie hilflose, willenlose Puppen zappeln die Afrikaner an den Seilen der alten Mächte, und wenn die Lage zu eskalieren oder vollends außer Kontrolle zu geraten droht, evakuiert man die Landsleute kurzerhand und überläßt die Nigger ihrem Schicksal. Wenn später dann keine Weißen unter den zigtausend Leichen sind, ist das hierzulande sowieso keine Nachricht wert. Maddy repräsentiert die Journaille an sich, wacklig balancierend auf dem hauchdünnen Grat zwischen ehrlich betroffener Anteilnahme und blanker Sensationsgier, wobei auch sie, die sich gern tough und ein wenig macho gibt (Jennifer Connelly spielt sie auch so), diese Trennung durchaus nicht immer sauber hinbekommt und letztlich genau wie ihre Kollegen vom Elend einer ganzen Region lebt, indem sie es nämlich in hübsche Bilder verpackt, die sich dann gut nach Hause verkaufen lassen. Auch der Herr Filmemacher selbst muß da gelegentlich aufpassen, denn hier und da läßt er seinen Kameramann Eduardo Serra ein paar allzu bunte und gefällige Postkarten von afrikanischen Sonnenuntergängen knipsen, so als sei er auf einer Fotosafari unterwegs. Wie schon gesagt, ein paar Ausrutscher ins Klischeeland Hollywood gibt es, sie sind in einem solchen Film fast unvermeidlich, möchte man schon sagen, auch wenn sie mich persönlich immer wieder stören. Dennoch kommen die Wucht und Dramatik der Erzählung so packend rüber, daß ich mal wieder ganz gut damit leben konnte. Zwick schlägt ein hohes Tempo an, spart nicht mit drastischer Gewalt und spektakulärer Action mit der rasanten Kamera mitten drin und macht in jeder Hinsicht anschaulich, wie es sein kann, in einer solchen Hölle überleben zu müssen. DiCaprio gibt den zwielichtigen Abenteurer, anfänglich ein kaltschnäuziger, abgebrühter Egozentriker, doch erfahren wir im Lauf der Zeit genug über ihn, um zu wissen, dass auch er ein Opfer schlimmer Ereignisse und dadurch ihr Produkt geworden ist. Er sieht Afrika nicht aus der Sicht der Weißen, aber auch nicht aus der der Einheimischen, er ist praktisch ein Rastloser zwischen den Welten, lebt ganz auf eigenen Rechnung, verkauft sich mal an diese und mal an jene Seite, sehnt sich aber doch nach einer eigenen Identität. DiCaprio spielt das sehr stark, sowohl in seiner physischen Präsenz als auch in seiner gelungenen Mischung aus Rücksichtslosigkeit und Verletzlichkeit. Eine moderne Version des Helden klassischer Abenteuerfilme und ein sehr guter Partner für den großartig und bewegend aufspielenden Djimon Hounsou als Solomon, in dessen Gesicht sich oft die Agonie des gesamten Kontinents ausdrückt.
Wie ich schon des öfteren sagte – wenn das Gesamtbild stimmt, kann ich mit kommerziellen Konzessionen gut leben, und solche Abenteuergeschichten vor real politischen und historischen Hintergrund sehe ich immer gern. „Blood Diamond“ ist ein stark wirkender Film, der einen ordentlich durchschüttelt und mitnimmt – wäre er nur fünf Minuten eher zu Ende gewesen! (25.1.)