Bobby (#) von Emilio Estevez. USA, 2006. William H. Macy, Sharon Stone, Helen Hunt, Martin Sheen, Anthony Hopkins, Harry Belafonte, Heather Graham, Lindsay Lohan, Freddy Rodriquez, Jacob Vargas, Elijah Wood, Laurence Fishburne, Demi Moore, Christian Slater
Ich merke immer wieder, daß ich kein Amerikaner bin und mir deshalb der emotionale Zugang zu gewissen Themen fehlt. So zum Beispiel zu den Kennedys und ihrem Mythos, der ebenso tief verwurzelt wie unvergänglich zu sein scheint, und der vermutlich gerade in politisch so dürren Zeiten wie momentan gern wieder aufbereitet wird, um die Leute daran zu erinnern, dass es einst in den Sechzigern bessere Zeiten gab und vor allem Politiker gab, an die man Hoffnungen und Ideale knüpfen konnte. Kaum anzunehmen jedenfalls, dass es in späteren Jahren mal einen Film wie diesen hier über George Bush geben wird, oder?
Emilio Estevez hat sich als Autor/Regisseur die Nacht des Attentats auf Robert Kennedy in einem Hotel in L.A. ausgesucht (5. Juni 1968) und drum herum ein Ensemblestück arrangiert, also viele Einzel- oder Paargeschichten montiert zu etwas, das wohl ein soziales Spektrum darstellen soll. Von den mexikanischen Küchenbediensteten ganz unten auf der Leiter bis hoch hinauf zum Hotelmanager und seinen Eheproblemen ist alles vertreten, was die vertikale Hierarchie des Landes symbolisieren könnte. Wir haben ehemals berühmte und nun leicht abgehalfterte Showstars, Wahlkämpfer in vollem Einsatz, die Fräulein von der Vermittlung, ein tschechoslowakische Reporterin, die unbedingt fünf Minuten mit dem Senator haben möchte, ein Mädchen, das gern zum Film möchte, zwei Burschen, die erstmals einen LSD-Trip einwerfen, ein zumeist mit sich selbst beschäftigtes Ehepaar und zwei Veteranen, die gemütlich in der Lobby Schach spielen und sich unentwegt an die guten alten Zeiten erinnern. Alles wartet nun auf Bobby Kennedy, den Messias, die große Hoffnung derer, die sich Frieden in Vietnam und mehr Gerechtigkeit in der Rassenfrage ersehnen, und wie es aussieht ein ernsthafter Kandidat für die nächste Präsidentschaftswahl. Dann tritt er auf, spricht seine bekannt markigen Sätze, erntet triumphalen Applaus und wird anschließend von einem Fanatiker tödlich angeschossen und alles versinkt in Agonie.
Das ist durchaus wörtlich zu verstehen, denn gerade gegen Ende verfällt Estevez in einen dermaßen feierlichen, melodramatischen Tonfall, dass es schon etwas schwer erträglich ist, wenigstens für die, die keine Amerikaner sind und sich vielleicht nicht vorstellen können, was Bobby Kennedy fünf Jahre nach dem Mord an seinem Bruder für die Leute bedeutet hat. Hier wird er nach allen Kräften noch einmal gefeiert und ganz hoch auf das Podest gehoben, und selbst fast vierzig Jahre später erlaubt sich der Autor keinen einzigen Zweifel daran, dass ein einzelner Mann wirklich all das hätte bewirken können, was er in seinen blumigen, sehr volksnahen und effektvollen Reden versprochen hat. Um diese Art von Naivität akzeptieren zu können, muß man wahrscheinlich Amerikaner sein, und auch hier fehlt mir etliches. Zwischendurch findet der Film durchaus zu einem netten, flüssigen Rhythmus, das Hotel als gesellschaftlicher Mikrokosmos inklusiver komplexer Hierarchiestrukturen funktioniert ganz gut, auch wenn die einzelnen Stories bei Licht betrachtet oft recht dünn und/oder klischeehaft sind. Im Angesicht des Todes jedenfalls werden plötzlich die Konflikte ausgeräumt, man steht zusammen in der Ohnmacht und der Hilflosigkeit vor soviel Gewalt, und passend dazu wird im Off ein sehr langer (ein sehr sehr langer!) Text eben über diese sinnlose Gewalt in den USA gesprochen. Das Problem ist, dass es dem Film weitgehend an dramatischer Kraft fehlt, vieles ist zu belanglos, und vor allem fehlt ihm ein thematisches Zentrum, ein Leitmotiv, denn in den vielen Einzelepisoden ist der Bezug zu Kennedy und den politischen Themen der Zeit kaum spürbar. Es geht manchmal um die Rassenfrage (die Szenen mit den mexikanischen Küchenhilfen und ihrem afroamerikanischen Chef sind daher auch die griffigsten im ganzen Film), nie um den Vietnamkrieg, und selten oder nie wird das extrem aufgeladene, explosive soziale und innenpolitische Klima in den USA jener Jahre reflektiert. Estevez als Regisseur macht seinen Job ganz ordentlich, als Autor allerdings ist er viel zu schwach und zu unverbindlich, hier fehlt ihm die klare Struktur, der klare Gedanke, der die Episoden verbunden hätte. Es wird von Anfang an sehr viel behauptet und vorgegeben, und auch die fast religiöse Feierlichkeit am Schluß mit der langen Diashow im Abspann suggeriert Bedeutung, doch ist der Film an sich inhaltlich viel zu dünn und zu aussagearm, um dies Gewicht tragen zu können. Kritisches über die Kennedys wird man aus Hollywood wohl nie erwarten können, doch Estevez ist hier nicht mal ein differenzierter, oder wenigstens schlüssiger oder wenigstens besonders interessanter Film gelungen. Sehr schade, denn das Thema und ist Zeit hätten natürlich sehr viel mehr hergegeben! Bleibt nur der Soundtrack, aber wenigstens da komme ich als alter 60er auf meine Kosten. (15.3.)