Catch a fire (#) von Philip Noyce. England/Südafrika, 2006. Derek Luke, Tim Robbins, Bonnie Henna, Mncedisi Shabangu, Sibongile Khumalo, Tumisho Masha, Terry Pheto, Michele Burgers
In den Credits stehen ein paar vielsagende Namen: Zuerst das Drehbuch, verfaßt von Shawn Slovo, der gleichen Shawn Slovo, die vor fast zwanzig Jahren mit dem damals zurecht sehr beachteten „A world apart“ auf sich aufmerksam machte und deren Biographie auch maßgeblich in diesen Film einfließt und bedeutsam für dessen Verständnis ist. Gewidmet hat sie das Buch ihrem Vater Joe Slovo, der hier in der Geschichte als Rekrutierer und Trainer von ANC-Kämpfern in Mozambique auftaucht und mittlerweile verstorben ist. Andere Namen wie Sidneys Pollack oder Anthony Minghella als Produzenten zeugen davon, dass ein solches Projekt noch immer interessant und relevant ist, und ein Regisseur wie Philip Noyce hat sich in jüngster Zeit durch tolle Filme wie „A long walk home“ oder „Der stille Amerikaner“ scheinbar weit genug aus dem Hollywoodsumpf befreit (wurde auch Zeit...), um nun wieder etwas substantiellere Sachen angehen zu können. Politthriller habe ich immer sehr gemocht und gottseidank gibt es sie noch, gerade in den letzten Jahren hat es großartige gegeben, Filme wie „Syriana“, „Der ewige Gärtner“, Filme von John Boorman oder eben Philip Noyce, Filme, die politisches Statement mit spannender Unterhaltung verbinden, möglichst in optimaler Gewichtung.
Man könnte sich fragen, weshalb Noyce diesen Film erst jetzt gemacht hat, da die Apartheid endgültig der Vergangenheit angehört. Offenbar jedoch beschäftigt dieses Thema noch immer viele Leute – auch John Boorman drehte erst vor wenigen Jahren „In my country“ – und deshalb kann man ebenso gut umgekehrt fragen, wieso heute solch ein Film nicht mehr gültig sein könnte, denn natürlich geht es über den konkreten geographischen, historischen und politischen Rahmen hinaus um essentielle Fragen wie Freiheit und Unterdrückung, Gewalt und Diskriminierung. Ich für meinen Teil ertappte mich dabei, mir anfänglich die erstgenannte Frage zu stellen, gerade aber nach den letzten fünf Minuten war ich dann wieder fest davon überzeugt, dass auch in zehn oder zwanzig Jahren solch eine Geschichte noch wichtig und aussagekräftig sein wird.
Die Geschichte, die Shawn Slovo erzählt, ist eine wahre Geschichte, und ihr Protagonist, Patrick Chamusso, lebt noch heute im Norden des Landes. Chamusso wird vorgestellt als Angestellter in der großen Erdölraffinerie nahe Transvaal und darüber hinaus als ein grundsätzlich nicht gewaltbereiter und nicht radikalisierter Afrikaner, der eher daran interessiert ist, für sich und seien vierköpfige Familie sicher sorgen zu können statt lautstark gegen die Gewaltherrschaft der Buren aufzubegehren. Seine Politisierung und Radikalisierung ergibt sich, als er zu Unrecht eines Attentats auf die Raffinerie beschuldigt und brutal misshandelt wird, aber nicht nur er, sondern auch seine Frau Precious. Hinter dieser Brutalität steht der Chef der Geheimpolizei Vos, der im weiteren sein hartnäckigster und hinterhältigster Verfolger bleiben wird. Chamusso kommt frei, als klar wird, dass seine Verurteilung keinen Sinn hätte, er geht daraufhin nach Mozambique und lässt sich für den ANC an der Waffe ausbilden. Ein neues Attentat auf die Raffinerie wird geplant, doch die Polizei kommt dahinter und geht gnadenlos vor. Chamusso wird von Precious, deren Eifersucht Vos ausnutzt, verraten und auf die Gefängnisinsel Robben Island verbannt. Erst nach dem Sturz der Apartheid kommt er frei, heiratet neu und engagiert sich für Waisenkinder. Er verzichtet darauf, Vos zu töten, sondern setzt, wie Mandela es vorgab, auf Vergebung.
Gerade in diesen letzten Minuten macht Noyce wichtige Punkte, weshalb mir der Gedanke kam, man hätte die Biographie Chamussos möglicherweise etwas anders gewichten sollen, denn sein Leben nach der Apartheid, nach dem langen Aufenthalt im Gefängnis, nach der Trennung von seiner Familie, sagt viel aus darüber, was dieses Terrorregime mit den Afrikanern gemacht hat und auch, welchen Weg sie dennoch gehen könnten. Da er zuvor der Frage, ob und inwiefern Gewalt als Mittel zur politischen Auseinandersetzung dienen und im gewissen Rahmen eventuell auch gerechtfertigt werden könnte, elegant aus dem Weg ging, ist dieses Bekenntnis zur Durchbrechung des fatalen Kreislaufs umso wichtiger und bemerkenswerter. Zuvor liefert er ein Lehrstück darüber ab, wie konstante Ungerechtigkeit und politische Unterdrückung die Menschen in den Widerstand und letztlich in den bewaffneten Widerstand treiben. Wiederum kriegt das Drehbuch hier die Kurve, denn nachdem uns Chamusso zwanzig Minuten als arger Saubermann und vorbildlicher Ehemann und Vater vorgestellt wurde, sieht man plötzlich die Risse hinter der Fassade. Er hat noch eine zweite Frau im Township und mit ihr ebenfalls ein Kind, und Precious, die von dieser Verbindung weiß, kann ihre Eifersucht nie völlig unterdrücken, und nur so kann Vos letztlich einen Keil in die Solidarität der beiden treiben. Vos wird von Tim Robbins hervorragend gespielt, mal als kaltblütiger Despot, mal im Kreise der stramm burischen Familie, und immer als jemand, der vor allem mit psychologischen Mitteln gegen die Afrikaner vorgeht, ein eindrucksvolles Porträt ideologischen und physischen Terrors. Noyce nimmt sich viel Zeit, um Chamussos Weg zum ANC zu beschreiben und zu erklären, und möglicherweise hätte es auch den Rahmen des Films gesprengt, wenn er anschließend auch noch seinen Weg zurück in ein friedvolles Leben gezeigt hätte, obwohl das eben das Gegengewicht zum ersten Teil der Geschichte gewesen wäre. Trotzdem ist es schade und ein Versäumnis, das er sein Potential am Schluß an ein eher beliebiges und uninteressantes Happy End vergeudet, statt auf das weiterhin bestehende Konfliktpotential in Südafrika aufmerksam zu machen und seinem Film dadurch doch noch einen konkret aktuellen Bezug zu geben (denn wir leben ja im Zeitalter der Bezüge...).
Alles in allem aber ein spannender, eindrucksvoller Film, der sich sehr wohl kommerzieller dramaturgischer Mittel bedient (und einen zu aufdringlichen Soundtrack hat), diese aber vorwiegend gut in den Dienst der Aussage stellt, und diese Aussage, verbunden mit den sehr starken Schauspielern und der Kraft der Geschichte, macht den Film zu einem guten, wenn auch nicht herausragenden Stück Politkino. (19.1.)