Quand j’étais chanteur (Chanson d’amour) von Xavier Giannoli. Frankreich, 2006. Gérard Depardieu, Cécile de France, Mathieu Almaric

   Dieser Depardieu ist für mich immer noch ein Phänomen – meine Begleitung äußerte, sie möge nicht allein mit ihm in einem Raum sein, denn dann wäre dieser Raum automatisch zu klein, und der Mann selbst vergleicht sich in diesem Film schön selbstironisch mit dem Massif Central, doch andererseits schafft er es wie kein anderer, zugleich fast leicht und zerbrechlich zu wirken, allein durch seine Mimik und seine einzigartige Kunst, sich eine fast anmutige Körpersprache zuzulegen. Wenn es denn erforderlich ist.

   Und diesmal ist es mal wieder erforderlich. Depardieu spielt Alain Moreau, einen Schnulzensänger aus Clermont-Ferrand, der die Tanztees, Einweihungs- und Jubiläumsfeste zu seinem Forum gemacht und damit immerhin einige Popularität erlangt hat. Ein schwammiger Endfünfziger mit Strähnchen im Haar, zeltförmigen Seidenhemden und Zuhältersonnenbrille, der mit zart schmelzender Stimme von Liebe, Romantik und Melancholie singt und dafür häufig angesprochen und um Autogramme und gemeinsame Fotos mit mittelalten Damen gebeten wird. Seine Exfrau managt ihn, der Rubel rollt in bescheidenem Maße und soweit ist alles halbwegs im Lot, bis er die junge Marion kennenlernt, die bei einem Freund ein Praktikum macht. Eine alleinerziehende Mutter mit offenbar nicht ganz unproblematischem Privatleben, die sich schnell auf eine Nacht mit Alain einlässt, dann aber auf Distanz geht, und seine sämtlichen Gedanken sind fortan bei ihr und bei der Frage, wie er sie für sich gewinnen könnte. Selbst die große Chance, einmal vor fünftausend Leuten im Palais des Sports aufzutreten, gibt er dran (unter anderem aber auch aus Lampenfieber), doch mit den beiden wird es wohl nichts werden. Immerhin singt er danach seine Lieder wieder mit einem Lächeln im Gesicht.

   Die Franzosen sind in den letzten Jahren endlich mal wieder mit ein paar wunderschön romantischen Filmen rübergekommen, die Rückkehr zu ihrer früher zurecht so berühmten Leichtigkeit, und dieser hier ist einer von ihnen. Eine Liebesgeschichte im Provinzmilieu, die ganz von Blicken, Gesten, Situationen lebt, die sich mit Witz und Zuneigung dem skurrilen Milieu widmet und durchaus auch einen ernsten Kern hat, denn Alain zumindest nimmt seien Gefühle für Marion außerordentlich ernst und zeigt sich auch sehr empfindlich, wenn es um Ablehnung, Spielchen oder Erniedrigung geht, während Marion nach dem einen Ausrutscher dicht macht und ihn erst wieder ein wenig näher an sich und ihr Leben heranlässt, als sie merkt, dass er durchaus nicht der schmierige, oberflächliche Aufreißer ist, für den er bei erster Betrachtung durchgehen könnte. Die beiden kommen eben aus so verschiedenen Welten, dass Vorurteile und Misstrauen vorherzusehen sind, nur dass er ihr eben einiges an Lebenserfahrung voraus hat und eher gewillt ist, die Unterschiede zu überwinden.

 

   Vor allem lebt die Geschichte natürlich von den beiden Protagonisten, und die sind wirklich außerordentlich. Allein die Idee, den übermächtigen, leinwandfüllenden Depardieu mit der unglaublich grazilen und zauberhaften Cécile de France zu paaren, ist schon ihr Eintrittsgeld wert, und zudem spielen die beiden ganz großartig zusammen und verwandeln ihre gemeinsamen Momente in reine Kinomagie. Leider hat es der Regisseur nicht immer verstanden, die Dramaturgie fest im griff zu halten, der Film gerät ihm vor allem in der zweiten Hälfte zu lang und verliert sie ein bisschen aus dem Blick, und nur wenn die beiden wieder vereint zu sehen sind, ist alles in Ordnung. Dennoch sind Depardieus Charme und seine entwaffnende Verletzlichkeit einfach toll und sollten jedermann davon überzeugen, dass er fraglos zu den größten Schauspielern seiner Zeit gehört. Und bei Cécile de France fragt sich der männliche Kinozuschauer im Stillen (aber wirklich ganz im Stillen...), woher die Franzosen solche Frauen immer hernehmen mögen. Egal, ein Film fürs Gemüt mit ein paar schönen Postkarten aus der Auvergne, hinreißend vorgetragenen Schmalzliedern und den schrillsten Outfits seit langem. (22.1.)