Man cheng jin dai huang jin jia (Der Fluch der goldenen Blume) von Zhang Yimou. China, 2006. Gong Li, Chow Yun Fat, Jay Chou, Liu Ye, Nie Dahong, Chen Jin

   Die Wege des Meister Zhang sind verschlungen, allerdings nicht unergründlich, und sie haben ihn, das kann man auch wertfrei feststellen, vom zensierten und umstrittenen Außenseiter zum Liebling der aktuellen chinesischen Kinematographie gemacht. Nicht gerade eine Karriere, die kritischen Gemütern unverdächtig wäre, und außerdem gibt es natürlich gute Gründe dafür. Seit drei Filmen sind die subversiven, zum Teil intensiv erotischen Dramen von ganz früher oder die unkonventionellen, eher sperrigen Alltagsbeobachtungen der mittleren Jahre großen, bunten, spektakulär choreographierten Kampfepen gewichen, und wiewohl man diese Filme an sich durchaus schätzen mag, lässt sich andererseits ein deutlicher Substanzverlust nicht ignorieren.

   „Hero“ und „House of flying daggers“ konnten diesen Verlust noch halbwegs mit grandiosen Bildern und verblüffender Virtuosität kompensieren, das neue Werk aber ist dazu nicht imstande und taugt nüchtern betrachtet auch sonst zu gar nichts – der erste echte Flop von Zhang Yimou, den ich kenne, ein durch und durch missratenes und enttäuschendes Historienstück, das in irgendeiner Scheißegaldynastie vor tausend Jahren spielt und den Zerfall der mächtigen Kaiserfamilie, Papa, Mama und drei Söhne, beschreibt. Papa hat’s immer gern mit anderen Frauen getrieben und seine aktuelle Gattin, die ihrerseits was mit dem Ältesten hat,  leidet nun darunter, dass ausgerechnet der zu erwartende Thronfolger nicht von ihr sein soll. Die betreffende Frau lebt sogar noch, und spätestens als deren Tochter mit dem Kaisersohn anbandelt, droht allerhand Ungemach, zumal sich auch die drei Brüder untereinander nicht grün sind und Mama versucht, einen von ihnen, einen berühmten Kämpfer, für ihre Intrige einzuspannen. Diese Intrige freilich ist genauso umständlich und unlogisch wie die ganze Story, die nur am Anfang halbwegs sorgfältig entwickelt wird, um sich dann später in belanglosen und dramaturgisch wenig aufregenden Episoden zu zerfransen. Im letzten Drittel wird dann sowieso der letzte Rest Sinn platt gemacht von grotesken Massenschlachtszenen, die eine fast schon faschistoid anmutende Monumentalität ausstrahlen und in ihrer computergenerierten Grandezza eher kläglich und naiv daherkommen. Die rasanten Zweikämpfe seiner früheren Filme sind hier einem totalitären Rausch gewichen, doch wohnt diesem Rausch kein Gefühl inne und auch kein Stil, er ist kalt und herzlos, so wie der ganze Film. Dem Film eine politische Grundhaltung zu unterstellen ist ein bisschen müßig, denn obgleich die herrschenden Kräfte am Ende die Rebellion restlos vernichten, bleibt kein Anlaß zur Freude, denn der Herrscher hat seine Familie verloren, und auch die Sache der Umstürzler war ja alles andere als eine ruhmreiche, hier ging es nur um Rache und Machtgier. Eine einzige starke Szene ist Zhang dann aber doch gelungen, und diese Szene lässt sich durchaus gern als deutlicher politischer Kommentar werten: Der Kampf ist vorüber, der große Innenhof des Palastes ist übersät von gemeuchelten feindlichen Kriegern in ihrem Blut, und wie eine Ameisenherde fallen die Männer des Kaisers über diese Szenerie her, räumen die Leichen und Rüstrungen beiseite, spülen riesige Blutlachen fort und decken das grausige Schlachtfeld in Windeseile mit Tausenden von Blumentöpfen zu, um haargenau das gleiche Bild herzustellen wie vor der Schlacht. Nichts erinnert an das monströse Blutvergießen, alles wirkt friedlich und freundlich und die gewohnte Zeremonie zur Feier des Herrschers kann beginnen. Für diesen Vorgang gibt’s in der chinesischen Geschichte (und nicht nur dort) reichlich Vorbilder, und falls Zhang wirklich darauf Bezug nehmen wollte, hat er ein eindrucksvolles Bild gefunden.

   Sonst aber enttäuscht er wie gesagt durch seinen Mangel an Stilgefühl, durch seinen Mangel an Intensität. Die Ausstattung ist hochgradig stilisiert, geradezu penetrant bunt und künstlich (vielleicht auch eine verdeckte Anspielung?) und die großartigen und sehr charismatischen Darsteller haben vor allem im späteren Verlauf zuviel Mühe, sich gegen die erdrückenden Spezialeffekte zu behaupten. Schade, denn die Wiedervereinigung Zhangs mit seinem früheren Star Gong Li hat viel versprochen, und man sieht auch, dass diese tolle Frau nichts von ihrer Ausstrahlung verloren hat seit ihrem letzten Auftritt bei Zhang, und der ist nun schon ein paar Jährchen her.

 

   Ich denke, dass selbst Martial-Arts-Fans hier nicht sehr auf ihre Kosten kommen, denn wirklich spektakuläre Turnübungen gibt es kaum zu sehen, dazu ist alles zu groß und massiv angelegt. Ich habe erstmals die frühen Zhangfilme mit ihrer Radikalität, ihrem Mut vermisst und hoffe sehr, dass der Meister sich demnächst wieder eines Besseren besinnen wird, denn hier ist er eindeutig auf keinem guten Weg. (1.5.)