The golden compass (Der goldene Kompass) von Chris Weitz. England/USA, 2007. Dakota Blue Richards, Nicole Kidman, Daniel Craig, Ben Walker, Eva Green, Sam Elliot, Jim Davis, Tom Courtenay, Derek Jacobi, Christopher Lee
Rechtzeitig zum Fest steht nun also die nächste üppige Fantasytrilogie ins Haus, Philip Pullmans „His dark materials“, und nach der Tolkien-Erfahrung darf man erwarten, dass die beiden noch ausstehenden Teile zur jeweiligen Dezemberzeit anstehen werden. Anders als beim Herrn der Ringe kenne ich die Buchvorlage nicht, kann also ganz unbelastet an den Film herangehen, muß aber dennoch deutlich sagen, dass ich ihn alles andere als überzeugend finde.
Zwischen viktorianischen und futuristischen Dekors ist dieses Märchen angesiedelt, zwischen dem 19. Jahrhundert und irgendeiner Parallelwelt, und es geht wie immer um den Kampf zwischen Gut und Böse. Ein Mädchen namens Lyra nimmt diesen Kampf auf, findet Unterstützung bei einem Panzerbären, bei einem Bataillon Hexen, bei einem treffsicheren Ballonfahrer und bei einem tollkühnen Seefahrervolk, die unsere Heldin in den hohen Norden begleiten, denn dorthin werden viele Kinder verschleppt, um sie vermittels einer grausamen Operation von ihren Seelen zu trennen. Diese Seelen befinden sich in sogenannten Dämonen, die als Tiere ständig an der Seite der Menschen sind, und da diese Dämonen bei Kindern ihre Form noch ständig verändern, lässt sich bei ihnen der Eingriff am wirksamsten vollziehen. Oder so. Es geht mir wahrlich selten so, dass ich sehr lange benötige, um der Handlung einer Geschichte halbwegs folgen zu können, hier jedoch war’s mal wieder so weit. Es fehlt eine saubere Exposition, wir werden als Nichteingeweihte für mein Gefühl äußerst unzureichend und hastig in das Universum Philip Pullmans eingeführt, und das hat in dem Fall meiner privaten Spannung erheblichen Abbruch getan. Ich hatte für meinen Teil jedenfalls nie den Eindruck, wirklich tief in diese Welt eintauchen und Anteil nehmen zu können, sondern bleib vielmehr distanziert und fremd vor einem perfekt gestylten Konsumprodukt sitzen. Die Story läuft mit maschineller Präzision ab, aber auch mit maschineller Hast, wir eilen im Stechschritt von einer Szene zur nächsten, es gibt zwar (noch) keinen pompösen Action-Overkill, doch die rastlose Dramaturgie lässt jedes Gefühl für die notwendige Abwechslung von Tempo und Ruhephasen vermissen. Der Cliffhanger am Schluß ist fast ein wenig komisch, denn ich hatte angenommen, die Finalschlacht sei schon geschlagen - das Hauptquartier der Bösen explodiert in der Polarnacht, die Kosakenarmee wird mit vereinten Kräften vernichtet, und nun muß eigentlich nur noch Lyras Vater gerettet werden, was nach der Logik dieses Films in ungefähr fünf Minuten hätte erledigt werden können.
Die betont wuchtige Digitaloptik macht auf mich grundsätzlich keinerlei Eindruck und läßt sich zu keiner Zeit mit Jacksons Tolkientrilogie vergleichen, weil Herz und Detailgefühl völlig fehlen. Die Städte sehen aus wie Klischees aus uralten Fantasycomics, und anders als Jackson ist es Chris Weitz nicht gelungen, natürliche Landschaften in die Kunstwelt zu integrieren. Ähnlich holzschnittartig sind auch die Figuren angelegt. Lyra als Heldin ist dermaßen überirdisch mutig, schneidig, klug und entschlossen, dass sie schlicht nichts Menschliches an sich hat, schon gar nichts Kindliches, und ich fand ihre Person alsbald überaus ermüdend und langweilig, weil sie keine Tiefe hat, weil man weder um sie bangen muß noch sonst etwas für sie empfindet, und leider wird sie so stark in den Mittelpunkt gerückt, dass all die vielen wunderbaren und illustren Charakterköpfe Schwierigkeiten haben, sich neben diesem typisch nassforschen Hollywoodprodukt zu behaupten. Ein Topaufgebot großer britischer Darsteller tummelt sich im Hintergrund (Gandalf darf wenigstens als Stimme erscheinen) und gibt somit auch kurzen Moment ein wenig Klasse und Format, Daniel Craig hat so gut wie nichts zu tun außer sich den Bart abzunehmen, aber Nicole Kidman und Eva Green liefern exquisite, schillernd sexy Vorstellungen, die eigentlich zu schade sind für solch ein schlichtes Schema und immer wieder peinlich auf die einfältige und hohle Dakota Blue Richards prallen.
Wenn ich meinem Vorsatz für’s kommende Jahr treu bleiben sollte, werde ich diese Trilogie wohl nicht weiter verfolgen, zumal es am Ende dieses ersten Teils eigentlich nichts gibt, was mich neugierig auf das kommende machen könnte. Vielleicht hätte ein visuell einfallsreicherer Regisseur hier etwas ausrichten können, auf jeden Fall aber hätte es eines Drehbuchs bedurft, das uns einen besseren Zugang zu dieser Kunstwelt ermöglicht, denn so bleibe ich als Zuschauer draußen vor und bestaune nur eine bunte Trickshow, leider aber bin ich nicht mehr Kind genug, um mich von so etwas beeindrucken zu lassen. (22.12.)