The last King of Scotland (Der letzte König von Schottland) von Kevin MacDonald. England, 2006. Forest Whitaker, James McAvoy, Gillian Anderson, Kerry Washington

   Nicholas aus Schottland hat gerade sein Ärzteexamen bestanden, vom gestrengen großbürgerlichen Herrn Papa den Segen bekommen, und nun bestimmt er per Globusdreh, wohin ihn die Reise verschlagen soll. Der Finger bleibt zunächst auf Kanada stehen, dann beim zweiten Versuch auf Uganda, und das klingt besser, also macht sich der junge smarte Doktor Garrigan auf den Weg. In Uganda ist viel Militär unterwegs, und der politisch offenbar eher ahnungslose Fremde erfährt, dass es einen putsch und einen Machtwechsel gegeben habe und dass nun General Amin am Ruder sei. Garrigan lernt Amin tatsächlich anlässlich eines Autounfalls nach einer Promotiontour bald kennen, und der Big Boss ist beeindruckt von dem unbekümmerten, forschen Schotten, der kurz mal eine angefahrene Kuh totschießt und dem General den Arm schient. Kurz darauf wird Garrigan nach Kampala gerufen und dort ohne viel Federlesens zu Idi Amins neuem Leibarzt berufen, was ihn in unmittelbare Nähe des Diktators und vor allem in zunehmend dramatische Gewissensnöte bringt, denn irgendwann muß auch er erkennen, was sich in dem Land abspielt, was für ein Mensch Amin ist und wohin seine Schreckensherrschaft führen wird. Am Schluß kommt er knapp mit dem Leben davon, rettet sich halbtot und zerschlagen in Entebbe in ein Flugzeug (gerade ist die berühmte Entführung mit späterer Befreiung durch die israelisches Armee im Gange), während Idi Amins Image international erste Risse und Kratzer kriegt.

   Acht Jahre Terror und circa dreihunderttausend dahingemetzelte Landsleute, das ist eine Bilanz, die sich für einen zünftigen modernen Diktator sehen lassen kann, und da muß man schon ganz schön hochreichen, um angemessene Vergleiche zu finden. MacDonald ist der Notwendigkeit bzw. Unmöglichkeit, das gesamte Ausmaß dieses Entsetzens zeigen zu müssen, sehr geschickt aus dem Weg gegangen und beleuchtet das Regime von außen, aus der Perspektive eines naiven, letztlich vor allem abenteuerlustigen jungen Mannes, der eher wegen Sex und Spaß losgezogen ist, in dem sich aber dennoch das professionellen und auch humane Gewissen regt, als er mitbekommt, wes Geistes Kind sein Schützling ist. Dem er sich zunächst allerdings durchaus begeistert und neugierig angedient hatte, wie ganz viele damals wohl beeindruckt und geblendet waren von diesem tapsigen molligen Tanzbär, der sich seinem Volk präsentiert als einer von ihnen, als einer, der Uganda wieder stark und groß machen möchte, als Familienvater, Fußballspieler, Tänzer und Clown im Generalskostüm. Eine knapp skizzierte Pressekonferenz ganz am Ende deutet an, dass Idi Amin Dada auch die internationale Öffentlichkeit eine gewisse Zeit hat täuschen und narren können, während seine Schergen bereits fürchterliche Gräuel an allem, was nach Opposition roch, verübten, und im Grunde willkürlich mordeten und metzelten. Leider kommt dieses Element für meinen Geschmack ein bißchen zu kurz, die Rolle Amins in der Weltpolitik nämlich, aber MacDonald bleibt halt strikt privat und überträgt den Lernprozeß auf die Person Garrigans, dessen Haltung bei fröhlicher Begeisterung beginnt und in Schmerzen, Angst und Entsetzen endet. Zudem lässt er sich auch noch mit einer von Amins Frauen ein und zieht sich damit endgültig den Haß des Diktators zu. MacDonald bleibt weitgehend nahe dran an den beiden Protagonisten, zeigt Amins Regime auch im speziellen Umfeld der siebziger Jahre – Feten im großen Stil am Pool, der Afrosoul der Zeit blubbert rhythmisch dazu, die Frauen sind knackig, die Männer cool, und draußen im Land regiert die blanke Gewalt. James MacAvoy als der jungenhafte, im sprichwörtlichen Sinn blauäugige Schotte ist eine gute Wahl, man nimmt ihm vor allem seine Naivität und politische Ahnungslosigkeit voll ab, die ihn nach Afrika getrieben hat, obgleich er über den Kontinent und speziell über Uganda wenig oder nichts weiß. Doch er genießt die flotte Zeit und die Verlockungen des Augenblicks und also sagt er sich was soll’s, schaltet sein Hirn vorübergehend ab und vögelt Idis Frau, obwohl er eigentlich wissen müsste, dass er sich dadurch jede Menge Ärger einhandelt. Die Attraktion des von Anthony Dodd Mantle einmal mehr hervorragend und sehr beweglich und intensiv fotografierten Films ist aber natürlich Forest Whitaker, der ein spektakuläres und sehr mitreißendes Porträt Idi Amins hinlegt und seinen Oscar dafür völlig zu Recht abgeholt hat. Zwischen Kind und Monstrum schlägt das Pendel aus, mal ist er der joviale, derb schulterklopfende Kumpel beim Trikottausch, mal der paranoide Psychopath und manchmal auch, ganz schlicht aber nicht minder gefährlich, der gehörnte Pascha. Er tritt auf als Vater seines Volkes, als Beschützer und Patriarch, aber natürlich wissen wir es besser. Garrigan braucht genau wie alle anderen seine Zeit bis er aufhört, Amin zu unterschätzen, denn der verfügt über sehr viel Intuition und instinktive Schläue, und zudem verfügt er über soviel Verfolgungswahn und Misstrauen, dass jeder, der ihm nicht hündisch ergeben ist, permanent in Lebensgefahr schwebt. Wie Whitaker es geschafft hat, all diese extremen Charakterzüge zu einem geschlossenen, sowohl glaubhaften als auch furchterregenden Gesamtbild zu formen, ist außerordentlich eindrucksvoll, und logischerweise sind alle Szenen mit ihm auch die intensivsten, spannendsten, zumal es neben ihm und Garrigan kaum ausgeformte Nebenfiguren gibt, höchstens ein paar Briten, die taktisch sicher im Hintergrund bleiben, die Entwicklung beobachten und versuchen, ihre Interessen bestmöglich wahrnehmen zu können.

 

   MacDonald hat es nicht immer hundertprozentig geschafft, Politik, Thriller und Psychodrama unter einen Hut zu bekommen, doch immerhin zieht die Spannung am Ende gehörig an und man fiebert dann doch mit Garrigan und hofft für ihn, dass er überleben und aus Uganda fliehen kann. Und zudem funktioniert die Geschichte sehr gut als Lehrstück über politische Naivität, und wie gerade sie es vielen Verbechern schon ermöglicht hat, unbegreiflich lang an der Macht zu bleiben und frei schalten und walten zu können. Denn Idi Amin, das weiß jeder, der Zeitung liest, ist weißgott nicht der einzige Massenmörder mit politischem Amt, der unfassbar lange vor den Augen der Welt geherrscht und tyrannisiert hat. Die fröhlich wiehernde Journalistenmeute in Entebbe jedenfalls, die jede Pointe des gekonnten Entertainers und Selbstdarstellers Amin mit Beifall belohnt und sogleich in die Notizbücher kritzelt, lässt einen noch heute das Blut in den Adern gefrieren. (28.3.)