Die Fälscher von Stefan Ruzowitzki. BRD/Österreich, 2006. Karl Markovics, August Diehl, Devid Striesow, Andreas Schmidt, August Zirner, Martin Brambach, Sebastian Urzendowski, Veit Stübner, Tilo Prückner, Lenn Kudrjawizki, Dolores Chaplin
Eine wahre Geschichte, so unglaublich sie eigentlich klingt, aber man hat ja im Lauf der Zeit gelernt, dass bei den Nazis fast nichts unmöglich war, was in diesem Fall allerdings keineswegs positiv gemeint sein soll.
Die „Operation Bernhard“ war darauf angelegt, soviel Falschgeld herzustellen und auf die jeweiligen Märkte zu bringen (England und die USA nämlich), daß die dortigen Wirtschaftssysteme destabilisiert und beide Länder im Krieg entscheiden geschwächt werden sollten. Im KZ Sachsenhausen wurde eine moderne Fälscherwerkstatt eingerichtet und man versammelte technisch und handwerklich entsprechend geschulte Häftlinge, die den Job unter Androhung von Tod und Leid besorgen sollten. SS-Offizier Herzog verhaftet 1936 in Berlin den berühmt-berüchtigten Fälscher Salomon Sorowitsch und hat damit den entscheidenden Coup gelandet, denn Sorowitschs Genie, so weiß er, ist nötig, um überzeugende Blüten zu produzieren. In Sachsenhausen trifft der einzelgängerische, sperrige Jude mit russischer Biographie auf den Mithäftling Adolf Burger, einen Politischen, der aus Auschwitz kommt und gegen den Naziterror kämpfen will, während Sorowitsch nur überleben möchte, egal wie. Er produziert perfekte britische Pfund, doch als es an die Dollars geht, streikt Burger und sabotiert die Lichtdrucke, worauf Herzog, mittlerweile Lagerleiter in Sachsenhausen, mit Erschießungen droht. Sorowitsch zaubert in letzter Sekunde gelungene Dollar aus dem Hut, doch es ist bereits 1945, die Feinde rücken näher und die Nazis schaffen es nicht mehr, ihren Plan in die Tat umzusetzen. Sachsenhausen befreit sich und die meisten aus dem Fälscherblock kommen mit dem Leben davon. Sorowitsch kann Herzog einen Haufen gefälschter Dollar abluchsen und geht nach Monte Carlo, wo er in einer einzigen Nacht den gesamten blutigen Zaster auf den Kopf haut.
Abgesehen von der irren Story interessiert hier natürlich das Aufeinanderprallen zweier grundverschiedener Haltungen, die sehr gut herausgearbeitet und zugleich als exemplarische Haltungen zum Naziregime präsentiert werden: Sorowitsch ist der Pragmatiker, der keinen Sinn in falschem Märtyrertum sieht und einfach nur davon kommen will, egal mit welchen Mitteln. Er hat durchaus seinen Ehrenkodex, würde nie einen Mithäftling verraten und riskiert dabei ständig sein eigenes Leben, doch beurteilt er sein Tun nicht als Hilfe für die Nazis. Burger auf der anderen Seite ist der Politische, der Ideologe, der Auschwitz überlebt und nun nichts mehr zu verlieren hat, zumal seine Frau noch dort und auch dort stirbt. Er erkennt klarer als die anderen, dass sich die Fälscher für die Zwecke der Nazis und für ihren Krieg einspannen lassen, und er erkennt vor allem, dass ihr Block durch diverse Vergünstigungen seitens der Aufseher und Leiter gegenüber den anderen Häftlingen privilegiert ist, was er als unmoralisch empfindet. Wie recht er damit hat, wird in den erschütternden Szenen deutlich, als nach der Befreiung des Lagers die im Grunde gesunden und halbwegs gut ernährten Fälscher erstmals zusammenkommen mit Häftlingen aus anderen Blöcken, geschundene, geprügelte und zum Skelett abgemagerte Gestalten, die orientierungslos im Freien herumtorkeln oder sich auf die Fälscher stürzen wollen, weil sie in ihnen Nazikollaborateure sehen. Sorowitsch erkennt Burgers Argumente durchaus an und stellt sich häufiger zwischen ihn und die übrigen Fälscher, die Angst haben, nur für politische Prinzipien sterben zu müssen und die Burger bedrängen, seine Sabotage aufzugeben und den Dollar zu drucken. Doch er verfolgt letztlich seine Interessen und blendet die moralische Frage aus, soweit es geht. Natürlich macht ihm der Naziterror dies nicht leicht, Willkür, Grausamkeit, Erschießungen, mit denen auch er konfrontiert wird und die er nicht ignorieren kann, verdeutlichen ihm, für wen er seine Fähigkeiten zur Verfügung stellt. Während Burger aber bereit ist, für seine Überzeugung zu sterben, ist er das nicht, zumal ihm genau diese Überzeugungen fehlen. In Berlin laviert er sich als Unterweltgangster durch, über seine russische Vergangenheit spricht er gar nicht, man kann höchstens darüber spekulieren, dass sehr Unerfreuliches geschehen ist, und seine Zeit im Lager betrachtet er einzig unter dem Aspekt des Überlebens.
Stefan Ruzowitzki hat mit einem beeindruckenden Schauspielerensemble gearbeitet, und die einzelnen Rollen werden brillant und sehr markant interpretiert. Besonders Markovics, Striesow und Diehl sind großartig und machen aus der Geschichte auch ein großes menschliches und psychologisches Drama. Noch besser allerdings hat mir fast noch die optische Gestaltung gefallen, die den Film deutlich von vergleichbaren Projekten abhebt. Eine nervöse, unruhig wackelnde Kamera produziert intensive, schroff aneinander geschnittene Bilder, sie ist immer ganz nah an den Männern oder mitten unter ihnen, und ich persönlich habe noch kaum einen Film gesehen, der das Leben im Lager derart intensiv erfahrbar und erfühlbar gemacht hat wie dieser. Die Frage nach der Authentizität ist ja immer sehr prekär in diesem Kontext, doch bringt Ruzowitzki die Atmosphäre, die wahnsinnige Angst, die Erniedrigung, die täglichen Schikanen, die Todesnachrichten aus anderen Lagern, den verzweifelten Überlebenskampf so dicht und überzeugend zum Ausdruck, wie ich es bisher selten gesehen habe, und verleiht dem Film zumindest für mein Gefühl eine bemerkenswerte Glaubwürdigkeit und Kraft. Ich dachte ja auch erst, nicht noch ein Nazifilm, bin aber im Nachhinein sehr froh, ihn doch gesehen zu haben, denn er gehört zu den besten seiner Art, vor allem weil er sich auch formal was traut und nicht nur biederen Historismus bietet wie zu viele andere. (11.4.)