The brave one (Die Fremde in dir) von Neil Jordan. USA, 2007. Jodie Foster, Terrence Howard, Naveen Andrews, Nicky Katt, Mary Steenburgen

   Der Name Neil Jordans lockt noch immer, obwohl ich es eigentlich besser wissen müsste, denn ich habe weiß Gott genügend seiner US-Filme gesehen, um mir klar darüber zu sein, dass denen so ziemlich all das fehlt, was seine europäischen Werke gewöhnlich auszeichnet. Alles Theorie, der Name lockt dennoch, und ich dachte mir, na vielleicht ist ja diesmal was richtig Gutes dabei rausgekommen, aber wieder war es nichts damit. Da hilft es auch wenig, dass Jodie Foster, die mit Ausnahme von Spike Lees „Inside Man“ seit Jahr und Tag nur noch Müll dreht, eine wirklich eindrucksvolle Performance hinlegt.

   Sie spielt die Radiomoderatorin Erica, die kurz vor ihrer Hochzeit mit ihrem Verlobten im Central Park von einer Latinogang (!) aufgemischt und brutal verprügelt wird. Er stirbt, sie überlebt, liegt drei Wochen im Koma und ist danach jemand anders. Dieser jemand kauft sich eine Knarre und geht, nachdem sie die ersten Hemmungen in einem Drugstore abgelegt hat, daran, die Stadt auf eigene Faust von miesen Subjekten zu befreien. Parallel nimmt sie Kontakt zu Detective Mercer auf, der an dem Fall dran ist und auch an ihr Interesse hat. Er beginnt langsam zu ahnen, was abgeht und kommt zum finalen Shootout gerade richtig, denn sie hat sich nach Spanish Harlem gewagt und nimmt sich die Mörder ihres Freundes vor. Mercer wirft sein ureigenes Berufsethos kurzerhand über den Haufen und lässt Erica davonziehen.

   Nicht nur das: Er gibt ihr seine Dienstwaffe, sieht zu, wie sie den dritten und letzten Mistkerl abknallt, lässt sich dann von ihr anschießen, damit es so aussieht, als habe er selbst in Notwehr gehandelt, kurz, er verschafft ihr den perfekten Abgang, und da stört es gar nicht, dass sie gerade drei Typen erschossen hat und vorher, wie er mittlerweile sehr wohl weiß, auch schon einige.

   Waren die vorausgegangenen knapp zwei Stunden inhaltlich bereits reichlich dubios und klischeedurchsetzt, so sind diese letzten fünf Minuten eine regelrechte Katastrophe, die das gesamte Machwerk endgültig in eine sehr ungute amerikanische Tradition stellen, nämlich die der Selbstjustizfilme, in denen ein einzelner sich an die Stelle des wie immer handlungsunfähigen Polizeiapparates begibt und mit seinen Mitteln für Recht und Ordnung sorgt, und daran ist auch nichts Anstößiges, denn es erwischt garantiert die richtigen. Mercer handelt, so wird im Film behauptet, aus Liebe zu Erica, was ja bekanntlich als Motiv für so ziemlich alles durchgeht, aber er lässt sie ja nicht nur entkommen, sondern hilft aktiv mit beim Töten eines Wehrlosen, was in jeder Hinsicht ein fatales Signal ist (jetzt spricht der spießige Moralist, ich weiß!), zumal in einer Gesellschaft, in der man bekanntlich schnell mit der Schusswaffe bei der Hand ist und Konflikte traditionell auf diese Art zu lösen pflegt. Indem das Gesetz selbst den Deal mit der Selbstjustiz macht, wird letztere nachträglich legitimiert, und das kann eigentlich nicht sein.

 

   Jordan inszeniert gewohnt kunstvoll, mit gekonntem Einsatz hypnotischer, elegant fließender Bilder, die er beherrscht wie nur wenig andere, doch bekommt das souveräne Handwerk in diesem Kontext natürlich einen üblen Beigeschmack, weil ich mich frage, inwieweit er uns nun eigentlich manipulieren, welche Botschaft genau er uns unterjubeln will. Dabei gibt es zumindest einen interessanten Ansatz: Erica spürt, dass sie nach dem Überfall jemand anderes geworden ist, dass eine andere Persönlichkeit von ihr Besitz genommen hat und nun Dinge tut, die sie vorher niemals hätte tun können. Sie hat sich von sich selbst entfremdet, betrachtet ihr Tun aus der Distanz, möchte einerseits ihre Rache zu Ende bringen und andererseits gefasst werden, denn es scheint, als können sie selbst ihren Rausch nicht aufhalten. Zunächst tötet sich noch in Notwehr, später dann jedoch kalkuliert, mit Vorsatz, und spätestens hier gerät der Film völlig ins Schwimmen und verliert seine Position zu Erica und ihren Taten. Die Mordszenen finde ich besonders schlimm, sie präsentieren uns sozialen Abschaum, Typen, die es nicht verdient haben davonzukommen und suggerieren in ausgeklügelter, widerlicher Gewaltdramaturgie eine Unausweichlichkeit der Eskalation und eine Berechtigung für Ericas Vorgehen. Sie scheint in jedem Fall mehr zu leiden als ihre Opfer, eine tief gebrochene, zerstörte Frau, deren quälende Zerrissenheit in Fosters Gesicht eindrucksvoll abzulesen ist, doch aus diesem Leiden werden keine Konsequenzen gezogen, sondern sie macht immer weiter. Innere Getriebenheit ist meiner Meinung nach eine ähnlich banale und unzulässige Rechtfertigung wie die Liebe des Detektivs, der ihre Verbrechen deckt. Die vollendete Rache wird sie nicht aus dem inneren Gefängnis befreien, das macht der Film am Ende klar, doch immerhin darf sie ungestraft acht Menschen töten und das ist ja auch schon was. Der Detective Mercer ist genau der zurückhaltende, einfühlsame, freundliche Typ, den sie braucht, selbst ein einsamer Großstadtwolf, und Howards vorzügliche Darstellung sorgt für den nötigen human touch, doch macht das Drehbuch aus seiner Figur insgesamt zu wenig. Foster ist wie gesagt großartig, aber auch sie stellt ihre hochintensive Darstellung letztlich in den Dienst einer fragwürdigen Sache, und naiv und dumm wie ich bin, habe ich mich anschließend gefragt, weshalb Filme wie dieser sein müssen, wo die Zeichen doch eigentlich aus Deeskalation und friedliche Lösung gestellt werden sollten. Wenn aber schon der Privatmensch zur Wumme greifen und wegballern darf, was ihn stört, und damit dann auch noch durchkommt, wie soll’s dann erst auf der großen Politbühne aussehen...? (2.10.)