The Queen (Die Queen) von Stephen Frears. England/Frankreich, 2006. Helen Mirren, Michael Sheen, James Cromwell, Helen McCrory, Sylvia Sims, Alex Jennings, Roger Alam
Stephen Frears hat sich hier auf riskantes Terrain eingelassen, denn gerade die Woche nach dem 31.8.1997 scheint Eigentum der Vulgär- und Kitschpresse geworden zu sein, Gegenstand endloser Spekulationen, Polemiken, trivialer Biopics und sonstiger Erzeugnisse, die allein dazu beigetragen haben, die Person der tödlich verunglückten Diana in einen mythischen Stand zu erheben. Frears versucht sich gottseidank auf diesem Feld auch gar nicht, er konzentriert sich auf zwei Handlungsstränge und darauf, welchen unmittelbaren Einfluß der Unfalltod Dianas auf die Öffentlichkeit, die Politik und das britische Königshaus hatte. Herausgekommen ist ein hochspannender, hochinteressanter, vielschichtiger und brillant gestalteter Film und ganz sicher einer von Frears´ besten.
Auf der einen Seite die Queen: Die Nachricht von Dianas Tod scheint sie und die Menschen in ihrem Umfeld eher im Hinblick auf die beiden Kinder zu bewegen, während sie aus ihrer ambivalenten oder gar unverblümt ablehnenden Haltung keinen Hehl machen, vor allem ihr Gatte und die Queen Mum nicht. Man weilt auf dem Sommersitz Schloß Soundso in Schottland, zeigt sich überrascht von der überwältigenden öffentlichen Reaktion auf Dianas Tod und hält es keineswegs für nötig, irgendeine Stellungnahme abzugeben.
Auf der anderen Seite Tony Blair, frisch gewählter Premierminister, ein ehrgeiziger junger Kerl mit einer noch ehrgeizigeren Frau, die sich offen und direkt gegen die Monarchie ausspricht und mit der Etikette beim traditionellen Antrittsbesuch entsprechende Probleme hat. Blair ist Politiker mit einem ausgeprägten Instinkt für Macht und öffentliche Wirkung, und er reagiert sofort, als er merkt, dass die Öffentlichkeit und allgegenwärtigen Medien vom Königshaus unbedingt eine Trauerbekundung erwarten und zunehmend enttäuscht sind, dass sich tagelang nichts rührt und die königliche Familie vor allem nicht die Absicht zu haben scheint, zurück nach London zu kommen.
Aus dieser Konstellation macht Frears einen Film, der glänzend und sehr taktvoll mit satirischen und ernsten Elementen jongliert, und der deshalb so spannend ist, weil er eine geschickte Balance zwischen Nähe und Distanz zu halten versteht. Der Einblick in das Privatleben der Königin ist natürlich spekulativ, doch enthält sich Frears gerade hier jeder billiger Polemik, versucht sich behutsam einer Frau zu nähern, die wie keine andere öffentliches Eigentum und doch zugleich ein privater Mensch ist. Diesen Spagat hat sie seit fünfundvierzig Jahren ertragen müssen und er hat sie maßgeblich geprägt und, wie der Film andeutet, auch dazu geführt, dass ihre Gefühle als Mensch von denen als Staatsoberhaupt schwer zu unterscheiden sind. So dominiert zunächst, als es um Dianas Tod geht, ganz spontan der Privatmensch und der kam mit der Princess of Wales nie zurecht. Die Königin der Herzen, der Liebling der gierigen Presse, die junge Frau, die versucht hat, die in Tradition und Etikette erstarrte Institution Monarchie mit Leben und Menschlichkeit zu erfüllen, daran gescheitert ist und dies nun in aller Welt verkündet, diese Frau, die, so muß man annehmen, beim Volk sehr viel beliebter war als die Queen, die das wiederum nur zu genau weiß. Und sich am liebsten verkriechen und gar nichts sagen, die ganz Sache aussitzen würde, so wie Prinz Philip vorschlägt in der Hoffnung, dass sich das aufgewühlte Volk bald wieder beruhigen werde. Hier wird Frears’ Kritik an dem Funktionsträger Königin wie an dem gesamten Apparat deutlich – spontane menschliche Regungen werden unterdrückt, oder besser wurden in hartem Training vor vielen Jahren endgültig unterdrückt, als Königin hat man über den banalen menschlichen Dingen zu stehen, und schließlich gehörte Diana ja auch nicht mehr zur Royal Family. Erst das zunehmend energische Einschreiten Blairs, so suggeriert jedenfalls der Film, bewirkt zusammen mit dem zunehmenden Druck der Presse und der gesamten Öffentlichkeit eine Meinungsänderung und bewegt die Queen letztlich dazu, nach London zu kommen, sich dem Volk zu zeigen (auch den Scheiß Union Jack auf Halbmast zu hissen) und in einer sorgsam verfassten Ansprache die persönliche Betroffenheit kundzutun, um die Menge wieder auf die Seite der Monarchie zu bringen. Es ist nicht ganz leicht, Blairs Rolle und vor allem seine Person aus heutiger Sicht zu betrachten (erst recht als Nicht-Brite), zumal die Dinge in den letzten Monaten für ihn reichlich schlecht gelaufen sind (und das auch zurecht), weswegen das Image des dynamischen, idealistischen Modernisierers einer insgesamt fast bewegungsunfähigen und reformresistenten Gesellschaft schwer nachvollziehbar ist. Frears erlaubt sich nur eine, meiner Meinung nach unnötige Spitze, indem er die Queen voraussagen lässt, dass auch für ihn der Moment kommen wird, da seine Popularität schlagartig abfällt. Unnötig ist das deshalb, weil es ja überhaupt nicht darum geht, Blair und seine Politik aus unserer aktuellen Perspektive zu beurteilen, es geht viel mehr darum, sein Wirken zum Zeitpunkt des Amtsantritts darzustellen, und da ist es ihm offenbar gelungen, so etwas wie Aufbruchstimmung in England zu erzeugen. Der zweite etwas undurchsichtige Moment ist der, da die Queen um einen erlegten Vierzehnender trauert und hier plötzlich all die Gefühle zeigt, die ihr beim Tod Dianas nicht zur Verfügung standen. Ob das nun als Ersatzhandlung zu verstehen ist oder als Zeichen tiefer Gefühlskälte oder Entfremdung, bleibt offen, im Film jedenfalls wirkt die Szene ein bisschen befremdlich und ungewohnt melodramatisch, denn ansonsten finden sich solche Töne ganz und gar nicht.
Frears erzählt sehr ruhig und dicht, die Spannung kommt ganz von innen und steigert sich bis zum Moment der Ansprache, die so etwas wie der Höhepunkt ist, und zugleich die größte Prüfung für die Queen, denn die wird vom öffentlichen Druck zu etwas gezwungen, das sie nicht wollte und das sie auch nicht empfindet. Ihre Rolle aber hat sie immer schon mit solchen Situationen konfrontiert und mit all ihrer Disziplin entledigt sie sich der Aufgabe, die einzig dazu dient, wieder Punkte beim Volk zu machen, und wenn es darum geht, schluckt sie sogar die Anmerkungen von Blairs Berater und nimmt die Pose einer trauernden Großmutter ein. Blair erklärt für uns, welch enorme Leistung gerade hinter dieser Geste steckt, die Leistung einer Frau, die sich immer ganz zurücknehmen und nur im Sinne ihrer Rolle handeln musste und dies getan hat, egal wie weit sie über den eigenen Schatten springen musste. Sie ist die bei weitem differenzierteste, vielschichtigste und faszinierendste Person in dem Film. Philip, die Königin Mutter und Charles werden ein bißchen im Rahmen spitzzüngiger Karikaturen gehalten, als Randfiguren, ebenso wie die ewig stichelnde und zickende Cherie Blair, während Frears ansonsten ein gutes Gefühl dafür vermittelt, unter wie vielen unterschiedlichen Einflüssen die öffentlichen Personen stehen und wie sehr sie manchmal mit dem Treffen eigenständiger Entscheidungen überfordert sind. Helen Mirren steht als die Queen ganz im Mittelpunkt des Interesses, und ihre fantastische Darstellung ist schon eine Attraktion für sich, ein unerhört detailliertes, bis in kleinste Regungen kontrolliertes Porträt, ebenfalls eine Mischung aus ironischen und ernsten Tönen. Niemand hier steht im Verdacht, ein unkritischer Royalist zu sein und auch kein unkritischer Tony-Blair-Fan. Frears erweist ihnen seinen Respekt, doch er betrachtet sie aus kritischer Distanz, so wie wir auch. Ich selbst habe weder mit dem Königshaus noch mit Blair noch mit Diana jemals viel am Hut gehabt, doch so wie Frears seine Geschichte erzählt, ist das wirklich sehr spannend und interessant. (17.1)