Les filles du botaniste (Die Töchter des chinesischen Gärtners) von Dai Sijie. Frankreich/Kanada, 2006. Mylène Jampanoï, Li Xiaoran, Dongfu Lin, Wang Weidong

   Wo nur wenig Worte nötig sind, soll man auch nicht viele machen: Nach dem sehr gelungenen „Balzac und die kleine chinesische Schneiderin“ ist dieser neue Film von Dai Sijie eine krasse Enttäuschung. Eine Liebesgeschichte zweier Frauen irgendwann Ende der Achtziger in der chinesischen Provinz bietet weißgott hinreichend Stoff für kontroverses, kritisches, politisches, spannendes Kino. Dai aber hat nichts davon zuwege gebracht, sondern sich auf einen kitschigen, oberflächlichen, optisch entsetzlich gefälligen, langweiligen und biederen Bilderbogen beschränkt, der mich trotz seiner recht knappen Länge bereits nach der Hälfte in tiefe Teilnahmslosigkeit versetzt hat. Die wenigen Personen (zwei junge Frauen, der Vater und der Bruder der einen) werden entweder sehr schematisch oder (im Fall der beiden Männer) sehr lieblos und willkürlich gezeichnet. So mutiert der Bruder (Soldat in Tibet natürlich), der in die traute Zweisamkeit platzt und vom Vater sogleich mit der Praktikantin verkuppelt wird, unversehens vom ungeschickten, in Liebesdingen tollpatschigen Muskelprotz zum sadistischen Brutalmacho, der seine bereits vor der Hochzeitsnacht entjungferte Braut prügelt und quält. Und die Gefühle der beiden Frauen füreinander werden lediglich in sehr platten, plakativen Dialogen behauptet, von der weitgehend abwesenden Regie anderweitig aber nicht zu vertiefen versucht. Lieber gibt’s Softsexeinlagen mit Schlamm und Wasser und nassen Handtüchern, und ich habe mich schon gefragt, wessen Sehgewohnheiten und –bedürfnisse hier wohl bedient werden sollen. Dazu erschallt dann fast unausgesetzt eine grässlich auf Ethno getrimmte, sehr aufdringliche Musik, die bei uns vermutlich auch „Gefühle“ erzeugen soll, die ich persönlich allerdings nach zehn Minuten am liebsten abgestellt hätte.

 

   Und zu allem Überfluss kriegt die Story – bislang eine in jeder Hinsicht sehr übersichtliche Viereckstory - buchstäblich in allerletzter Minute ganz plötzlich einen Dreh ins Politische und Dramatische, als die beiden Frauen nämlich aufgrund der Aussage des sterbenden Vaters (ein sterbender Vater liefert seine eigene Tochter ans Messer!) festgenommen und wegen ihrer Homosexualität hingerichtet werden. Abgesehen davon, dass ich leider überhaupt keine Ahnung hatte, dass auf so was in China die Todesstrafe stand (oder noch steht...?) und entsprechend schockiert war, bereitet Dai diesen Abgang in keiner Weise vor, denn jede soziale oder politische Dimension fehlt zuvor komplett, des gibt nur den Mikrokosmos des botanischen Gartens und sonst gar nichts, sodaß ich ehrlich gesagt außer einem flüchtigen Schreck nur wenig empfinden konnte, denn Dai hat es versäumt, so etwas wie Spannung aufzubauen und deutlich zu machen, welche Konsequenzen die Liebe der Frauen außer der privaten Probleme noch haben könnte. Natürlich kann man sich vorstellen, daß in diesem rigorosen, noch unter den Folgen des Maoregimes leidenden System Homosexualität nicht gerade auf Toleranz und Anerkennung stoßen würde, doch dass die Gesetze derart radikal waren, hätte doch vielleicht angedeutet werden können, damit auch Nichtkenner eingeweiht werden. Außerdem beeilt er sich dann doch, ganz zum Schluß ein perfektes Kitschfinale mit verstreuter Asche in Touristentraumkulisse zu fabrizieren, sodaß niemandem wirklich weh getan wird. Wie gesagt, aus dieser Geschichte hätte man was ganz anderes, besseres machen können und Dai hat sich wahrscheinlich für die ungünstigste Variante entschieden. Neunzig leere, spannungslose, klischeeüberladene und deshalb leider total langweilige Minuten. Überall in den Onlinetexten lese ich was von einem „heißen Eisen“, aber sehen kann ich davon nichts, und wenn die chinesische Regierung wirklich alles versucht hat, um dieses brave Projekt zu sabotieren, dann ist sie noch viel rückständiger und dümmer als ich geglaubt habe. Na, immerhin ergibt sich so wenigstens indirekt doch ein interessanter politischer Aspekt, gelt? (11.7.)