Du bist nicht allein von Bernd Böhlich. BRD, 2007 Axel Prahl, Katharina Thalbach, Katerina Medvedeva, Karoline Eichhorn, Herbert Knaup, Mathieu Carrière, Dominique Horwitz
Platte in Ostberlin, so weit das Auge reicht, zwischendurch mal etwas Grün. Hans ist arbeitslos, seine Frau kriegt einen neuen Job als Nachtwächterin. Jewgenia zieht mitsamt ihrer Tochter und ihrem Vater in die Wohnung nebenan und Hans verliebt sich sofort in sie. Auf der anderen Seite wohnt Kurt, Physiker und ebenfalls arbeitslos und auch noch in Trennung lebend. Seine Frau Sylvia arbeitet als Synchronsprecherin, würde lieber schauspielern und wohnt im Bungalow gleich in der Nähe. Kurt versucht bei Jewgenia zu landen, klappt aber nicht. Hans seinerseits bemüht sich sehr, kriegt immer mehr Schwierigkeiten mit den Lügen und den Geldausgaben, doch Jewgenia weist ihn letztlich ab. Er will mit dem, Zug nach Holland fahren und dort neu anfangen, weil seine Frau ihm mal erzählt hat, dort würden Leute wie er gesucht. Sie wünscht ihm viel Glück, er wünscht ihr auch viel Glück.
Kleines Kino aus Deutschland ist oft das bessere, so auch hier. Ein großer kleiner Film, dessen Stärken weniger in einem ausgefeilten oder überraschungsreichen Drehbuch liegen als vielmehr in der liebevollen und sehr realitätsverbundenen Zeichnung von Menschen und Milieu. Nun ist die Platte im Osten wahrlich kein besonders selten anzutreffendes Milieu im deutschen Film der letzten fünfzehn Jahre, und auch sympathische Loser sind kein besonders selten anzutreffendes Personal, es kommt halt darauf an, wie solche bekannten Motive aufbereitet und angerichtet werden, und dies ist dem Autor/Regisseur Bernd Böhlich doch sehr trefflich gelungen. Axel Prahl ist klasse wie immer als etwas tumber, grober, liebenswerter und hilflos verliebter Typ, dessen Ausbruch letztlich eher Spuren reiner Verzweiflung trägt und nicht eines bewusst gefassten Planes. Katharina Thalbach nutzt ihr großartiges Potential mal wieder für eine Paraderolle aus, jongliert wie so häufig zwischen Clownerie und Tragik, zwischen fast rührender Einfalt und letztlich doch überraschender Stärke. Auch das Paar Knaup/Eichhorn brilliert (obwohl ich den Knaup ja meistens nicht so gern sehe), und auch Katerina Medvedeva und ihre russische Familie bietet ein authentisches, eindringliches Bild einer großen Familie im Ostberliner Ghetto, für sie die große Hoffnung auf ein besseres Leben, für uns im Westen nur ein Schauplatz für sozialen Abstieg, für die Verlierer der Wiedervereinigung. Böhlich macht aus all dem zumeist keine große Sache, gönnt aber dem Physiker Kurt immerhin einen wunderbaren, giftigen und schmerzlich realistischen Auftritt auf dem Arbeitsamt, in dem der ganze Frust, die Demütigung des betroffenen Arbeitsuchenden den bornierten und unsensiblen Sesselpupsern gegenüber zum Ausdruck kommt. Daneben gibt’s ein paar kleine Kabinettstückchen, etwa von Dominique Horwitz als lachhaft stereotypem Motivationstrainer oder von Mathieu Carrière als Filmproduzenten, der seine Leute schließlich mit billigen Sexclips abspeisen will und ihnen dazu noch sagt, sie sollen dankbar sein, dass sie überhaupt Arbeit haben. Die Welt unserer Protagonisten ist voll mit solchen bitteren Episoden, jede einzelne ein weiterer Stich, eine neue Niederlage, und somit kann es kaum verwundern, dass sie sich auch privat schwer tun, sich trennen oder sich nach einem anderen, aufregenderen Leben sehnen, wie beispielsweise Hans. Böhlich hält eine perfekte Balance zwischen Melancholie, Groteske und Alltag, neben der Darstellern bestechen die sonnig-heißen Vorstadtbilder und die schöne Musik Jakob Iljas von Element of Crime, und obgleich ich von vornherein eine ziemlich korrekte Vorstellung davon hatte, was mich erwarten würde, habe ich mich einmal mehr sehr gern darauf eingelassen, denn wie gesagt, diese „kleinen“ Milieufilme sind mir oft die liebsten, und dies ist ein sehr guter. (1.8.)