A mighty heart (Ein mutiger Weg) von Michael Winterbottom. England/USA, 2007. Angelina Jolie, Dan Futterman, Archie Panjabi, Irfan Khan, Will Patton, Jillian Armenante, Harvasp Chinivala

   Zunächst mal hat mich der neue Film von Michael Winterbottom ziemlich überrascht, und wenn ich jetzt darüber nachdenke, stelle ich fest, dass es eigentlich eine positive Überraschung ist. Im Kino dachte ich noch, huch, der hört ja genau dann auf, wo er anfangen sollte, jedenfalls wenn man den Titel auf die gängige Art interpretiert, denn sowohl im Original als auch auf deutsch wird doch wohl auf das Leben der Frau nach dem Tod des Manns hingewiesen, und davon bekommen wir bei Winterbottom nicht mehr viel mit. Gut so, finde ich im Nachhinein, denn immerhin entging Winterbottom der Gefahr, dass sich Hollywood (ja, dies ist tatsächlich ein Hollywoodfilm!) doch noch in den Vordergrund drängt.

   Die Geschichte des Wall-Street-Journal-Journalisten Daniel Pearl war 2002 allgemein bekannt: Entführt in Karachi/Pakistan von radikalen Islamisten, die US-Regierung lässt sich auf keinen Dialog ein, ein paar Wochen später taucht ein Video auf, das die Enthauptung Pearls zeigt, und später wird dann seine zerstückelte Leiche gefunden. Seine schwangere Frau Marianne, ebenfalls Journalistin, kehrt in ihre Heimat nach Paris zurück, bringt das gemeinsame Kind zur Welt und schreibt ein Buch, auf dem dieser Film basiert.

   Winterbottom, und auch dies ist eine Überraschung, wählt eine weitgehend private Perspektive und integriert die Weltpolitik eher insofern, als sie sich natürlich sehr direkt auf das Leben der Beteiligten auswirkt. Sehr detailliert folgt er der Chronologie der Ereignisse Ende Januar bis Anfang Februar 2002: Die erste Sorge Mariannes, als Daniel von einem geplanten Interviewtermin nicht zurückkommt und per Handy nicht erreichbar ist, dann langsam die Gewißheit, es muß etwas passiert sein, die Bemühungen der eingeschalteten amerikanischen und einheimischen Sicherheitskräfte, Daniel zu finden, der Kampf gegen die Zeit, das Ultimatum der Entführer, die Reaktion der Politik, bis zuletzt das quälende Hin und Her zwischen Hoffen und Bangen, dann das Video, die furchtbare Gewissheit, die Trauer und Mariannes Entschluß, keine flammenden Hasstiraden gegen den Islam loszulassen, sondern sich lediglich gegen den internationalen Terrorismus auszusprechen und ansonsten ihr Leben neu so sortieren.

 

   Die Botschaft kommt dezent, aber dennoch deutlich rüber: Haß und noch mehr Gewalt können keine Lösung sein und geben den Terroristen nur Legitimation für neue Wahnsinnstaten. Der Tod Daniel Pearls wird hier in erster Linie nicht als Politikum gesehen sondern als private Tragödie, als der Tod eines geliebten Ehemannes und werdenden Vaters. Einige Rückblenden zwischendrin zeigen Mariannes Erinnerungen an das gemeinsame Leben, an zärtliche und glückliche Momente, und gerade hier ist es Winterbottoms Verdienst, dass diese Szenen nicht wie zu befürchten wäre in triefendem Hollywoodkitsch ersaufen sondern sich dem dezenten, zurückhaltenden Ton des gesamten Films gut anpassen. Ruhige, intime Momente mit Marianne und ihrer Kollegin, die auf Nachricht warten und alle denkbaren Hebel in Bewegung zu setzen versuchen, wechseln ab mit fast dokumentarischen Impressionen aus dem gigantischen Moloch Karachi, der zweitgrößten Stadt der Welt, in dem verzweifelt und vergeblich nach Daniel Pearl gesucht wird. Die Kamera stürzt sich hinein in das unglaubliche Treiben, in die Straßen, die Hinterhöfe, bis das Chaos, der Staub und der Lärm auch für uns fast physisch greifbar werden. Parallel zu der Suche wird intensiv versucht, auf diplomatischem Wege Kontakte herzustellen, an die Leute heranzukommen, die wiederum Leute kennen, die mit der Entführung in Verbindung stehen könnten. Das ist kein Job für die Colin Powells dieser Welt sondern für Leute, die mit den Verhältnissen und den Menschen vor Ort vertraut sind. Ein heikler Drahtseilakt zwischen vorsichtigem Taktieren, autoritärem Auftreten und entschlossenem Zugriff, und insgesamt verhält sich der Film diesen Behörden gegenüber äußerst neutral, genauso wie es nicht darum geht, ein Urteil zu sprechen über die Verhältnisse in Pakistan, die Rolle des Staates im Netzwerk des islamistischen Terrors oder dergleichen. In seinen anderen Filmen zu dem Thema hat Winterbottom mehr als deutlich gemacht, dass dies ein von beiden Seiten befeuertes System ist und dass einseitige Schuldzuweisungen sinnlos und verfehlt sind, und dieser Film knüpft daran an, setzt diese Tatsachen voraus und beschränkt sich auf ein persönliches, emotionales Szenarium. Marianne Pearl bringt es fertig, ihre Trauer als Ehefrau zu trennen von ihren politischen Ansichten, und indem sie sich nicht zu revanchistischen Appellen via Medien hinreißen lässt, setzt sie ein klares Signal für Dialog, Versöhnung und gegen noch mehr Feindseligkeit und noch mehr Krieg. Ich hatte wie gesagt erwartet, dass gerade dieser Aspekt den Hauptanteil des Films ausmachen würde, doch fasst sich Winterbottom hier überaus kurz, ohne allerdings grundsätzlich an Ausdruckskraft einzubüßen. Sein Film vermeidet jegliche Sensation, jegliches billige Pathos, ist sehr spannend und intensiv, immer ganz nah dran am Geschehen und den Menschen, und dass Angelina Jolie nicht gerade meine Lieblingsschauspielerin ist (sogar alles andere als das...), soll nicht heißen, dass sie ihren Job nicht effektiv und aufrichtig macht, obwohl ich schon ehrlich sagen muß, dass ich mir eine andere Darstellerin in der Rolle gewünscht hätte. Immerhin steht Marianne nicht allzu dominant im Zentrum des Films und deshalb leidet er auch nicht unter ihrem Starappeal, zudem hat der Regisseur die Sache zu fest im Griff und kann seinen ganz persönlichen Stil auch unter Paramount durchsetzen, seine Integrität und Glaubwürdigkeit auch mit Brad Pitts Moneten erhalten. Dies allein ist ein nicht gering einzuschätzender Verdienst, doch gibt es in den letzten Jahren doch einige Beispiele, die zeigen, dass man auch in den Staaten politisches Kino mit Niveau und vor allem jenseits kommerzieller Spekulationen produzieren kann (siehe „Traffic“ oder „Syriana“), und so ausgezeichnete Filme wie dieser hier lassen mich hoffen, dass das auch in Zukunft so bleiben wird. (19.9.)