Flags of our fathers (#) von Clint Eastwood. USA, 2006. Ryan Philippe, Adam Beach, Jesse Bradford, John Benjamin Hickey, John Slattery, Jamie Bell, Barry Pepper
Mit bestimmten Themen und Schlagworten, das merke ich immer wieder vor allen in Kriegsfilmen, habe ich ein Problem, weil ich damit nichts anfangen kann - Fahnen, Ehre, „fürs Vaterland kämpfen“ und vor allem Helden liegen mir fern, und deshalb sind mir auch ganz viel Kriegsfilme grundsätzlich fremd, weil sie eben mit diesen Begriffen operieren, oder weil dies Werte waren, die in diesem Kontext eine große Rolle spielten. Die Amerikaner sind, zumindest was den Zweiten Weltkrieg angeht, in dieser Hinsicht bedeutend entspannter, und es ist schon recht vielsagend, dass sie ihre großen Kriegshelden sämtlich aus dieser Zeit rekrutieren, denn alle militärische Engagements nachher gingen entweder desaströs verloren oder waren so dubios und umstritten, dass sie einfach nicht zur Mythisierung taugten.
Clint Eastwood hat es jetzt geschafft, mehr als nur ein weiteres Schlachtenepos zu fabrizieren, er hat sich mit dem Phänomen der Heldenstilisierung und Heldenschaffung auseinandergesetzt und dazu das berühmte Foto der sechs flaggehissenden Soldaten auf der Pazifikinsel Iwo Jima herangezogen. Dieses Foto wurde Anfang 1945 dazu benutzt, eine kriegsmüde, ausgelaugte, von Wirtschaftskrise und Geldnöten gezeichnete Nation noch einmal aufzurütteln, ihnen den Glauben an den siegreichen Kampf zurückzugeben und sie vor allem neu zum Kauf von Kriegsanleihen zu motivieren, denn die waren essentiell notwendig, um die horrenden Kosten annähernd zu decken. Also wurden die drei Überlebenden der Aktion zurück in die Staaten und dort auf einer Ochsenstour durchs ganze Land gekarrt, um zu posieren, sich als Helden feiern zu lassen und eben die Kauflust der Massen anzustacheln. Ein grotesker Hollywoodzirkus wurde inszeniert, die drei jungen Männer, zum Teil schwer traumatisiert, durch eine monströse Marketingmaschine geschleust, um dann nach dem Krieg schlagartig in Vergessenheit zu geraten. Eastwood verbindet drei zeitliche Ebenen – er zeigt Schlachtszenen aus Iwo Jima, um uns ein Gefühl für das grausame Inferno zu geben, er zeigt die Jungs auf Promotiontour durch alle Städte und er zeigt den Sohn eines der drei, wie er sich angesichts des im Sterben liegenden Vaters daran macht, mehr über dessen Erlebnisse zu erfahren.
Zumindest hier haben sich Eastwood und Drehbuchautor Paul Haggis (was macht der neuerdings bloß für komische Sachen?) dramaturgisch ziemlich verzettelt, denn während das hin- und Herschneiden zwischen Show- und Kriegsspektakel gut gelungen ist und de ganze Absurdität des Theaters verdeutlicht, sind die Szenen mit dem Sohn sämtlich überflüssig, dienen allein dazu, die Stimmen einiger Veteranen einzubringen und das Geschehen aus erster Hand schildern zu lassen. Das hätte man sicherlich auch anders bewerkstelligen und auf diesem Wege einige Zeit einsparen können. Auch die Kämpfe sind nichts besonderes, denn an hyperrealistisches Gemetzel hat uns spätestens Steven Spielberg gewöhnt (der macht hier als Produzent mit), und viele der Bilder sind so offensichtlich computeranimiert, dass sie zum Teil recht künstlich wirken. Aber die Szenen aus den USA anno ´45 erreichen schon eine andere, eine kritisch reflektierende Ebene, die man gerade in amerikanischen Kriegsfilmen sehr selten nur erlebt. Während die drei Soldaten selbst immer wieder ablehnen, als Helden bezeichnet zu werden und betonen, sie hätten sie ganze Zeit nur versucht, nicht erschossen zu werden, wird der dankbaren Öffentlichkeit ein verzerrtes und sogar vorsätzlich falsches Bild präsentiert, denn erstens geschah das Hissen der US-Flagge nicht am Ende des Kampfes sondern mitten drin und zweitens war dieses veröffentlichte Foto gestellt, denn bereits zuvor war eine Fahne aufgestellt, dann allerdings wieder eingeholt worden, weil ein ranghoher Offizier sie gern für seine Souvenirsammlung einheimsen wollte. Ein interessantes und vielsagendes Beispiel aus der Serie „Die Geschichte hinter dem Bild“ und dafür, wie Tatsachen manipuliert und Mythen erschaffen und dann in den Dienst der Sache gestellt werden können. Dieser gesamte Prozeß wird als recht zynisch und rücksichtslos dargestellt, vor allem werden die drei Männer regelrecht überfahren und mit ihren inneren Nöten vollkommen alleingelassen. Nur einer der drei, Gagnon, kann die Aufmerksamkeit annähernd genießen und seine Person wirksam ins Rampenlicht rücken, während Doc skeptisch im Hintergrund bleibt, allerdings bereitwillig jede Idiotie mitmacht, die sich die Showmacher für ihn ausgedacht haben. Der dritte, Ira Hayes, ein Indianer, leidet am stärksten, kann die Bilder von blutigem Sterben nicht verdrängen, bräuchte dringend Hilfe, doch die Massen wollen keine alkoholisierten, weinenden jungen Männer sehen, sondern stahlharte, aufrechte Kerle, die der Nation ein Vorbild sind. So schleift Doc also den zumeist betrunkenen und von unausgesetzten rassistischen Anfeindungen zermürbten Hayes durch die Shows, bis der schließlich aufgibt und zurück an die Front will. Nach dem Krieg versucht er, mit seiner Vergangenheit ins Reine zu kommen und wenigstens den Eltern der toten Kameraden die Wahrheit zu sagen, und stirbt schließlich allein und elend irgendwo im Dreck. Auch Gagnon kann von seinem Ruhm nicht profitieren, denn in den USA ist alles kurzlebig und vergänglich, niemand will sich nach dem Krieg mehr daran erinnern, dass er dem uniformierten Helden damals in der Begeisterung einen Job versprochen hatte, und so endet der Held von Iwo Jima als Hausmeister und Nobody. Allein Doc schafft es, seine Balance zu finden und eine Existenz mit Beruf und Familie zu gründen, mit seinen Kindern kann er allerdings über das Erlebte nicht sprechen, wofür er sich im Sterben liegend bei seinem Sohn entschuldigt. Manchmal wird Eastwood bei solchen Gelegenheit ein wenig rührselig und langatmig, sein kritischer Kommentar jedoch kommt deutlich durch und entschädigt für die angesprochenen Konstruktionsschwächen. Es geht nicht grundsätzlich für oder gegen den Krieg, sondern darum, wie Tatsachen verkaufsfördernd verfälscht und Menschen instrumentalisiert werden, um bestimmte Wirkungen zu erzielen, und wie man diese Menschen einfach wegwirft, nachdem sie ihre Schuldigkeit getan haben. Die Vietnamvets haben die gleiche Erfahrung gemacht, sie allerdings hatten das Pech, in einem schmutzigen und auch noch verlorenen Krieg gekämpft zu haben, die Jungs aus dem zweiten Weltkrieg aber haben gewonnen (nach dem Wie fragt ja sowieso niemand) und hätten eigentlich mir Freuden in die Gesellschaft integriert werden müssen.
Alles in allem ein Film mit deutlichen Schwächen aber auch beachtlichen Stärken und deshalb auf jeden Fall ein sehens- und diskussionswerter Film, weil er neben dem Spektakel Nährstoff fürs Gehirn bietet, und das kann man wahrlich nicht von vielen Filmen dieses Genres sagen. (23.1.)