Becoming Jane (Geliebte Jane) von Julian Jarrold. England/Irland, 2007. Anne Hathaway, James McAvoy, Julie Walters, James Cromwell, Maggie Smith, Joe Anderson

   Die Filmindustrie mußte, das war klar, eines Tages in ein echtes Dilemma geraten: Alle Romane Jane Austens waren verfilmt und zwar zum Teil mehrfach (und sogar als Bollywoodbonbon!), und an „Northanger Abbey“ traut sich aus unerfindlichen Gründen der Mainstream nicht heran (es gibt eine TV-Produktion, die aber hierzulande niemand je gesehen hat). Nun boomt aber der Name Jane Austen seit Jahren so schön an der Kasse, also was tun? Ganz einfach: Man jubelt dem unbedarften Publikum die Behauptung unter, das Leben der Schriftstellerin sei genau wie einer ihrer Romane gewesen und schwupps gibt’s einen neuen Jane-Austen-Film im Stil all der anderen und damit kann bekanntlich nichts schief gehen.

   Genau so ist dieser Film gestaltet worden, ganz auf Nummer sicher mit all den Zutaten, die wir in den anderen Werken lieb gewonnen haben. Beschwingte Musik, idyllische Schauplätze auf dem Land, eine attraktive Heldin, einen Helden, der sich erst noch als solcher erweisen muß, ein paar knorrige Charakterköpfe im Hintergrund, ein paar Ballszenen der Gesellschaft, viel Romantik, Gefühl und ein wenig Humor. Wir sehen die junge Jane Austen hin- und hergerissen zwischen Verstand und Gefühl. Die finanzielle Situation ihrer Familie wird immer prekärer, die einzige Schwester ist bereits unter der Haube (wenn auch der Verlobte in Übersee am Gelbfieber dahinscheidet) und der Bruder (in Wirklichkeit waren es fünf!) versucht seinerseits, an eine reiche Dame anzudocken, die genau weiß, dass ihre dicke Geldbörse ihr fortgeschrittenes Alter mehr als gut kompensiert. Jane aber schreibt gern und will keinen Mann, den sie nicht liebt. Die Avancen eines stutzerhaften Mannes auch der Gegend, dem ein zünftiges Erbe winkt, schlägt sie aus und verliebt sich stattdessen in einen irischen Dandy, der am Bändel seines Onkels, eines strengen Londoner Richters, hängt, und auch sonst was Damenbekanntschaften angeht, einen mehr als zwielichtigen Ruf in der Gesellschaft hat. Er kriegt sie fast soweit, mit ihm durchzubrennen, doch als sie erfährt, dass er in Irland eine große Familie zu versorgen hat und diese Versorgung maßgeblich vom Onkel in London abhängt, siegt ihr Verstand und sie löst die unziemliche Beziehung, um sich ganz der Schriftstellerei zu widmen.

   Möglich, dass es in Austens Leben eine Episode wie diese gegeben haben mag, doch so wie in den Film hat sie todsicher nicht ausgesehen. Auch Jane Austen hat im übrigen nicht so ausgesehen wie Rehäuglein Hathaway, sondern, wenn man den zeitgenössischen Darstellungen glauben will, viel unscheinbarer und durchschnittlicher und eignete sich bestimmt nicht für eine so attraktive, romantische Stereotype. Ihre Auseinandersetzungen mit dem arroganten Stadtmenschen Lefroy haben den erwarteten Screwball-Charakter, doch über ihr wirkliches Leben in der großen Familie (die meisten der Brüder werden sowieso unterschlagen) und als angehende Schriftstellerin, und vor allem über ihre Motivation und Absichten erfahren wir kaum etwas. Es gibt ein Zusammentreffen mit Anne Radcliffe, die damals sehr populäre Schauerromane schrieb und nun versucht, der jungen Aspirantin etwas über den Zusammenhang von Lebenserfahrung und Schriftstellerei zu vermitteln, doch wieso sich Austen beispielsweise entschloß, nicht dieser Mode zu folgen und stattdessen Gesellschaftsromane zu verfassen, hat die Drehbuchschreiber nicht interessiert, so wie sie allgemein wenig an der wirklichen Person Austens interessiert waren als vielmehr daran, wie man diese für kommerzielle Zwecke nutzbar machen konnte. So großartig die Romane sind, so enttäuschend flach und oberflächlich kommt dieser Film daher. In Gestaltung und Optik hübsch und gefällig, inhaltlich und in der Zeichnung der Personen durch und durch bieder und konventionell und vor allem dramaturgisch stark missglückt weil einfach viel zu lang. Glatte zwei Stunden dauert das Ganze, zieht sich und schleppt sich, und bereits nach drei Vierteln der Zeit fühlt man das Ende nahen, nur es kommt nicht. Und selbst zur unterhaltsamen Komödie taugt der Film nicht viel, denn so richtig komisch will er einerseits nicht sein, nur mangelt es ihm andererseits deutlich an Substanz, um als ernsthaftes Drama durchzugehen.

 

    Mit solch lieblosen Schnellschüssen verspielen die Brits ihren Ruf, anspruchsvolle Literaturfilme zu machen und geraten in den Verdacht, auch nur noch auf die Kasse zu schauen, und das hätten die schönen alten Romane wahrlich nicht verdient. (8.10.)