Harry Potter and the Order of the Phoenix (H.P. und der Orden des Phönix) von David Yates. England/USA, 2007. Daniel Radcliffe, Emma Watson, Rupert Grint, Michael Gambon, Imelda Staunton, Gary Oldman, Alan Rickman, Helena Bonham-Carter, Maggie Smith, Robert Hardy, Evanna Lynch, Ralph Fiennes, Robbie Coltrane, David Thewlis, Emma Thompson, Julie Walters, Tom Felton
Ich hab’s beim vorausgegangenen Potterfilm schon kommen sehen, und natürlich ist genau dies eingetroffen: Hollywood versucht mit allen Mitteln, Rowlings Romane in das Format gängiger Kommerzmuster zu pressen und muß dabei zwangsläufig auf den Bauch fallen. Mit Ansage, rein quantitativ betrachtet: Der vierte Film der Serie brachte gut siebenhundert Seiten in einhundertfünfzig Minuten unter, der fünfte nun quetscht gut eintausend Seiten in knapp hundertvierzig Minuten. War der Substanzverlust beim Feuerkelch schon gewaltig und mehr als schmerzlich, so ist er diesmal schlicht unverzeihlich, zumal nicht mal die Konzentration auf die kassenwirksamen Schauwerte wirklich gelungen ist, und zumindest das hätte ich von den Kommerzfabrikanten aus Hollywood erwartet.
Dabei ist Rowlings Buch nicht annähernd das beste der Reihe, es ist genauer gesagt eigentlich das schwächste, was nicht unbedingt mit seiner epischen Länge (und Breite...) zu tun hat als vielmehr damit, dass Rowling sich ein bisschen beim ehrgeizigen Versuch verzettelt, die Saga so komplex und vielschichtig wie möglich zu gestalten, so viel Fäden wie möglich in Händen zu halten, und zwar möglichst bis hin zum Finale im siebten Buch. So taucht im Orden des Phönix erstmals das Ministerium als wichtiger, zentraler Handlungsträger auf, als gewichtiger Antagonist für Harry und seine Verbündeten, und durch den Ruch der Korruption, des Machtmißbrauchs und krimineller, höchst gewalttätiger Intrigen erhält dieses Motiv fast eine politische Dimension, die nicht recht zu den übrigen Zutaten der Fantasyromane zu passen scheint. Daneben erfährt vor allem Harrys Charakter eine deutliche Vertiefung bzw. eine Wandlung. Streiften ihn im Feuerkelch die diversen pubertären Ausbrüche der Hogwartsschülerinnen eher peripher, so erscheint er nun plötzlich als angry young man, vor allem als einsamer Streiter, der den Kontakt zu seinen Freunden nur noch mühsam intakt hält und dessen schicksalhafte Bindung an Voldemort ihn zunehmend von der Umwelt isoliert. Starker Tobak, nicht leicht umzusetzen im Film und dazu noch mit dem großen Nachteil behaftet (auch schon im Buch), dass Harry immer mehr eine Einmannshow abzieht und Ron und Hermine mehr und mehr zu Statisten oder Stichwortgebern degradiert werden. Das Element der Gemeinschaft, der Freundschaft, der Solidarität gerät zu sehr aus dem Blick, womit ein sehr wichtiges und tragendes Motiv verloren geht, und man gemeinsam mit Harry selbst ein wenig das Gefühl hat, in der Luft, im Leeren zu hängen.
All diese Überlegungen allerdings kann man sich in Bezug auf die Verfilmung eigentlich schenken, denn die interessiert sich für die von Rowling angestrebte Substanz gar nicht oder höchst marginal. Im MTV-Tempo prescht er voran, hakt brav eine Szene nach der anderen ab, darf dabei durchaus als werktreu gelten, reduziert nur leider jede dieser Szenen zum Häppchen, gedacht für den Schnellverzehr, und bevor ein Gedanke oder ein Motiv in den Verdacht gerät, sich festzusetzen im Kopf des Betrachters, eilt das nimmermüde Drehbuch schon weiter zur nächsten Station bis hin zum Ende. Nichts wird vertieft, keine Zeit für gar nichts, all die vielen Details, vor allem auch die zwischenmenschlichen, werden mit leichter Hand eliminiert, sodaß der Film auf seine Weise durchaus einen schick gestylten Fluß aufweist, der nur mit der Buchvorlage nicht mehr allzu viel zu tun hat. Weder die Ereignisse um den Orden selbst, noch die sehr eindringlich geschilderten Szenen der Befragung im Ministerium, noch Harrys Erinnerungen an seine Eltern und an das, was speziell sein Vater als Schüler einst dem jungen Snape antat und was Snapes Haß auf Harry entscheidend erklären helfen würde, und erst recht nicht die ausführlichst dargelegten Szenen aus dem Schul- und Prüfungsalltag in Hogwarts haben eine Chance gegen das rigorose Konzept eines Drehbuchs, das strikt auf Knappheit, Effizienz und glatte Verdaulichkeit ausgerichtet ist. Selbst ein guter Regisseur hätte dabei schlechte Karten gehabt, aber David Yates ist leider nicht mal ein guter Regisseur, er ist scheinbar überhaupt kein Regisseur, denn er schafft es tatsächlich, in zweieinviertel Stunden keinen einzigen persönlichen und schon gar keinen künstlerischen Akzent zu setzen, er reduziert sich selbst auf die Rolle des technisch versierten Erfüllungsgehilfen, von Humor, Charme oder einer entfernt menschlichen Regung ist weit und breit nichts zu sehen. Tödlich für den Stoff, der, wie gesagt, gerade dies dringend braucht, und auch künstlerisch betrachtet ist dies eine fast obszöne Vergeudung von Talenten und Möglichkeiten, wenn man sich mal anschaut, welch erlesene Schar hochrangigster Schauspieler hier versammelt ist. Sie alle werden mit fast schon beleidigenden Minirollen abgespeist (manchem ist der Verdruß darüber direkt anzusehen), und einzig und allein Imelda Staunton hat als krötige, wunderbar giftige Dolores Umbridge die Gelegenheit, ein Highlight zu setzen und sie tut dies mit hinreißendem Genuß, sodaß wenigstens ihre Szenen zu so etwas wie einem Vergnügen werden. Die drei jungen und gewöhnlich fabelhaften Protagonisten hingegen bleiben leider blaß, vor allem bei Radcliffe fällt eine gewisse Erschöpfung (oder Überforderung?) auf, ihn jedenfalls habe ich schon deutlich flinker und inspirierter erlebt.
Der human touch fehlt also total, aber auch die Schauwerte bieten keine wirklichen Überraschungen mehr, können nach den vier Vorgängern keine neue Akzente bieten. Das im Buch spektakulär ausgestaltete, furios geschilderte und ausgedehnte Finale im Ministerium gerät so zu einem total unübersichtlich montierten und hastig getricksten Showdown, dem fast jede Spannung abgeht und der nicht annähernd so aufregend und eindrucksvoll ist wie Rowlings Darstellung im Roman. Wer also gehofft hatte, dass die Hollywoodcracks nach all der unsittlichen Eile zuvor sich jetzt wenigstens zum Schluß ordentlich ins Zeug legen würden, sieht sich platterdings gefoppt, und sogar mein Herr Sohn fragte mich ganz kurz vor Schluß mit ratlosem Flüstern, ob es das denn jetzt schon gewesen wäre.
Wer es schafft, Literatur und Film gänzlich getrennt zu halten, oder wer noch besser das Buch gar nicht kennt, der wird sich vielleicht leidlich unterhalten (obwohl es deutlich spannendere Potterfilme gibt als diesen und komischere sowieso), wer aber gehofft hat, dass die Filmemacher die Essenz des fünften Buches halbwegs auf die Leinwand bringen könnten, egal wie gut oder schlecht dieses Buch nun ist, muß zwangsläufig enttäuscht sein. Oder auch nicht, wenn man an die Tendenz denkt, die sich bereit im Feuerkelch abzeichnete. (14.7.)