Hollywoodland (Die Hollywoodverschwörung) von Allen Coulter. USA, 2006. Adrien Brody, Ben Affleck, Diane Lane, Bob Hoskins

   Irgendwie hat mich das Hollywood Kenneth Angers oder auch James Ellroys immer fasziniert, die sonnige, gleißende Fassade der palmenbestandenen Boulevards und luxuriösen Villen der Canyons und die Abgüunde dahinter, Drogen, Mord und Totschlag, Verzweiflung, Depression, Haß und Habgier und die unentwegte Jagd nach ein bißchen Ruhm oder auch nur einem Foto auf der Titelseite. Hollywood Babylon im wahren Wortsinn, und natürlich hat sich einer wie Anger selbst wiederum am morbiden, grausamen Glanz der Traumfabrik aufgegeilt und gut daran verdient.

   Dieser Film, ein wunderschön ausgestatteter und fotografierter ganz klassischer Detektivfilm im alten Stil, nimmt sich den Tod von George Reeves vor – 1959 stirbt der abgehalfterte Schauspieler, der vier Jahre lang der erste Supermann im Fernsehen war durch eine Pistolenkugel – um Glanz und Elend des alten Hollywood vorzuführen. Die Polizei legt den Fall rasch als Suizid zu den Akten, doch die Frau Mama glaubt nicht an diese Version und insistiert und ein windiger Privatschnüffler drängt sich irgendwie in die Ermittlung und versinkt erwartungsgemäß in den alten, undurchsichtigen Geschichten, nur um am Schluß genauso ratlos zu sein wie zu Beginn. Es gibt mehrere plausible Möglichkeiten, wie und durch wen Reeves gestorben sein könnte, doch die Wahrheit kommt nie ans Licht.

 

   Wir haben also zwei Geschichten – einmal die von Reeves, anhand mehrerer langer Rückblenden eingeflochten, und die des Detektivs Simo, der mit allen Tricks arbeitet, letztlich aber scheitert und der ein recht desolates Privatleben hat, wobei sich hier am Ende die vage Chance auf eine bessere Zukunft andeutet - jedenfalls guckt die unvermeidliche Exfrau nicht mehr ganz grimmig, wenn er seinen Sohn abholt. Diese beiden Ebenen werden locker und souverän ineinander verschränkt, wir erleben Reeves’ Strampeln, um in Hollywood über Wasser zu bleiben, seinen Frust darüber, dass er nur in schlechten TV-Serien auftreten darf statt in anspruchsvollen Filmen (und dabei hat er einst in „Vom Winde verweht“ debütiert!), wie er sich die Frau eines Studiobosses als Geliebte angelt und an diese Beziehung gewisse Erwartungen knüpft, die unerfüllt bleiben, und wie er ein junges Starlett heiratet, die Ehe aber alsbald auch nur in gegenseitiger Verachtung endet. Seinen Ruhm als Supermann kann er nie recht genießen, seine grotesken Promotionsauftritte empfindet er als peinlich und lächerlich, und als sie Serie 1956 endlich abgesetzt wird, ist er nur noch erleichtert. Zwischendurch ein Auftritt in Fred Zinnemans „Verdammt in alle Ewigkeit“, doch sieht das dumme Publikum in ihm nur Supermann und akzeptiert ihn nicht in ernsthafteren Rollen, und schließlich der kontinuierliche Niedergang bis hin zu seinem Tod. Seine Geschichte, eine wahre Geschichte übrigens, ist nur eine von vielen vergleichbaren in Hollywood, und das Gefühl von Tragödie hält sich auch sehr im Rahmen, weil Reeves selbst ein hundertprozentiges Produkt des Systems geworden ist, wie alle anderen auch korrumpiert von der Sucht nach Ruhm und Publicity und deshalb zur Hälfte Opfer und zur Hälfte Einfaltspinsel. Simos Interesse wird erst nach und nach geweckt und ist bis zum Schluß ambivalent – er ist ein klassischer Schnüffler, der erst dann richtig neugierig wird, wenn er Pfusch und Lügen wittert, der aber menschlich eigentlich nie wirklich beteiligt ist. An der Person des Toten oder an seinem Schicksal selbst ist er kaum interessiert, ihn reizt die Herausforderung, hinter den Vorhang zu blicken, und nebenbei ist auch er sehr daran interessiert, möglichst viel Medienpräsenz zu haben und sich als Detektiv einen Namen zu machen, auch er ist also ein Hollywoodmensch wie die anderen. Wie man es so kennt, forscht er hartnäckig und dreist, kriegt zwischendurch richtig was auf die Glocke, bleibt jedoch unbeirrt und eher noch stärker angestachelt, doch sieht er sich letztlich einem Dickicht aus Legenden, Halbwahrheiten und subjektiven Darstellungen gegenüber, das beim besten Willen keine Aufklärung zulässt. Das Ganze wird äußerst stimmungsvoll umgesetzt, man spürt die Hitze der Tage, die warmen Nächte, man sieht die dekadente, verlogene Halbwelt und die menschlichen Tragödien dahinter, doch ist all dies niemals zu ernst oder gar melodramatisch, sondern immer ironisch aufgelockert und auf Distanz gehalten durch sehr offensichtliche Genrezitate. Ben Affleck ist ein Typ, den ich nie mochte, und wenn er auch als glatter, ehrgeiziger und wohl berechnender Star aus der zweiten Reihe in gewisser Hinsicht passend ist, kann ich persönlich keine Gefühle für ihn oder seine Rolle entwickeln. Das macht aber auch nichts, denn im Grunde ist er auch in der Konzeption des Films eine halbe Kunstfigur, nie ganz real oder greifbar, und um ihn herum gruppieren sich zum Ausgleich ein paar tolle Schauspieler wie Bob Hoskins und Diane Lane, die das Manko locker wettmachen, und besonders Adrien Brody ist fabelhaft als Privatdetektiv, genau richtig als Typ und mit viel Seele und Charme. Rundum also ein feiner Spaß, eine schöne Reminiszenz an die „gute alte Zeit“, eine ebenso schöne Stilübung und Hommage an das Genre und insgesamt sehr gekonnte Unterhaltung. (20.2.)