Hotel Very Welcome von Sonja Heiss. BRD, 2007. Eva Löbau, Svenja Steinfelder, Chris O’Dowd, Gareth Llewellyn, Ricky Champ
Menschen unterwegs die Zweite, wenn auch bei näherem Hinsehen kaum vergleichbar mit dem Gespensterfilm weiter oben. Die Schauplätze sind beschränkt auf Goa/Indien und die thailändische Küste, und einige der ursprünglich vier verschiedenen Geschichten werden schließlich, wenn auch erst gegen Ende des Films, zueinander geführt, was aber eigentlich gar nicht so wichtig ist.
Wir sehen Marion auf Selbstfindungstrip in Indien zwischen Körpererfahrung, Meditation, Naturerlebnis und zermürbenden Telefonaten mit dem Gatten zuhause, der für ihren Exkurs ins eigene Ich offenkundig wenig Verständnis aufbringt. Wir sehen Svenja, die eigentlich nur versucht, einen Flug von Bangkok nach Shanghai zu kriegen, dabei aber an Verständigungsproblemen mit dem Herrn am anderen Ende der Leitung scheitert und stattdessen einen grotesken weil höchst holperigen Flirt in Gang zu bringen versucht. Wir sehen Liam, der kurz vor der zu erwartenden und sehr unwillkommenen Vaterschaft aus Irland gen Indien geflüchtet ist, sich aber offenbar dennoch der Verantwortung stellen will, obgleich er die Mutter lediglich von einem volltrunkenen One-Night-Stand kennt und nicht mal besonders attraktiv findet. Und wir sehen Joshua und Adam aus Great Britain, die sich eigentlich in Thailand auf endlosen Raves vergnügen wollen, sich allerdings dauernd so heftig in die Haare kriegen, dass der Spaßfaktor doch empfindlich reduziert wird.
Jede Menge Europäer also auf der Suche nach dem Mythos Indien oder nach sich selbst oder nach schrankenlosem Spaß oder was auch immer, und wie zu erwarten war, haben die Leute vor Ort daraus längst eine Industrie gemacht, weswegen die Selbstfindungstrips unserer Protagonisten einen schön ironischen und satirischen Zug tragen. Sonja Heiss kann sich dabei den Luxus leisten, hart an der Realität zu bleiben, denn die ist schon skurril genug, um ausreichend Stoff für eine Art dokumentarischer Komödie zu liefern. Marions Gesangs- und Tanz- und Meditationsexerzitien sind auf ihre Art genau so verkrampft und forciert wie Joshuas und Adams alkoholträchtige Eskapaden zwischen Billardkneipe, Strand und Rave oder Liams Suche nach der großen Freiheit und dem ganz anderen Leben, weit weg von den heimatlichen Zwängen und Verpflichtungen. Nur daß mit ihm noch zig andere Touris unterwegs sind auf Kamelen in der Wüste, geführt von Einheimischen, die sich wahrscheinlich alle den gleichen plump vertraulichen Unsinn von desorientierten, aber zahlungskräftigen Europäern anhören müssen. Allzu böse wird dieser Film dabei nie, er lässt die sehr gut und genau beobachteten Szenen für sich sprechen und benötigt keine rhetorischen Übertreibungen oder explizite Statements und zeigt so mit charmanter Komik das Porträt von Leuten, die vielleicht gern aussteigen würden, die aber scheitern an Dingen wie Heimweh, Zoff unter Freunden oder Sprachbarrieren, ganz banalen und weltlichen Dingen also, die in bezeichnendem Kontrast zu den eigentlichen Absichten der Beteiligten stehen.
Menschen unterwegs sind also ganz offenbar ein lohnendes Studienobjekt, und hier gibt’s nun schon den zweiten gelungenen Film innerhalb kurzer Zeit dazu, ganz anders als die fünf Gespenstergeschichten wie gesagt, aber ebenfalls vortrefflich gespielt, mit viel Gefühl gefilmt, zugleich spontan und wohl überlegt, diskret und sehr genau, alles in perfekter Mischung. Und ganz nebenbei kann jeder für sich ja mal darüber nachdenken, wie dass ist, wenn man selbst in ferne Länder reist und welchen Ballast man immer so mitschleppt. (19.12.)