Chinjoelhan geumjassi (Lady Vengeance) von Park Chan-wook. Südkorea, 2005. Lee Young-ae, Choi Min-sik, Kwon Yea-young, Kim Si-hu
Neulich sah ich mir schon den “Oldboy” von Park Chan-wook an, die Geschichte eines Mannes, der ein fünfzehnjähriges Martyrium hinter sich hat und nun loszieht, um Rache an seinen Peinigern zu nehmen. Ich schaute mir das an mit einer Mischung aus Erstaunen und Befremden, ohne aber wirklich berührt zu sein, weil diese Sadomasooper mit einem Hang zu Extremen ein bisschen zu weit weg von mir ablief – eine Erfahrung, die ich mit vielen koreanischen Filmen gemacht habe. Vielleicht ist mir diese Kultur zu fremd, und anders etwa als bei japanischen oder chinesischen Filmen tue ich mich sehr schwer, einen Zugang zu finden. Damit will ich nichts über die Qualität dieser Filme sagen, denn es ist sozusagen nicht ihr Fehler, wenn ich damit nicht zurecht komme.
Parks neues Opus, der letzte Teil der sogenannten Rachetrilogie, hat allerdings an diesem Sachverhalt nichts geändert. Mit einer Mischung aus Erstaunen und Befremden sah ich mir die Geschichte einer Frau an, die ein fast fünfzehnjähriges Martyrium hinter sich hat und nun loszieht, um Rache zu nehmen an dem Mann, der dieses Leiden verschuldet hat. Dem Mann nämlich, der den Kindsmord begangen hat, für den sie verurteilt wurde, der danach noch drei weitere Kinder getötet hat und obendrein auch noch Schuld daran trägt, dass ihr das eigene Kind weggenommen und zwangsadoptiert wurde. Nach ihrer Entlassung aus dem Knast also hat unsere Rachelady einiges zu erledigen – sie etabliert sich erst mal wieder im bürgerlichen Leben, sucht sich einen Job nimmt Kontakt zu ehemaligen Mithäftlingen und vor allem zu ihrer Tochter auf, die mittlerweile bei einem lieben und ebenso depperten australischen Ehepaar lebt. Dann schart sie die Angehörigen der übrigen ermordeten Kinder um sich und übt blutige Rache an dem Monstrum, das als braver, unbescholtener Lehrer weiter existieren durfte. Am Schluß hören wir, dass die vollzogene Rache sie zwar nicht erlöst hat, immerhin aber ist sie wieder mit ihrer Tochter vereint.
Wie schon „Oldboy“ inszeniert Park diese im Grunde sehr übersichtliche Geschichte als einen delirischen Alptraum, und gerade damit hatte ich meine Probleme. Aus der einfachen Handlungslinie macht er kurzerhand Hackfleisch, jongliert unbekümmert mit Erinnerungsfetzen, Wunschträumen oder auch wilden Gewaltphantasien, so dass man irgendwann nie mehr genau weiß, auf welcher Wahrnehmungsebene wir uns eigentlich befinden, und ich gebe gern zu, dass ich viel zu sehr Kontrollfreak bin, um mich dauerhaft auf einen solchen Schwebezustand einlassen zu wollen. Außerdem finde ich, daß Park durch diese Häckselei den emotionalen Gehalt der Story weitgehend verschenkt, weil er zumindest bei mir nur Verwirrung erzeugt, und Verwirrung steht meiner emotionalen Beteiligung immer empfindlich im Weg. Manches Bild ist von rauschhafter Schönheit, mancher Moment von fast kitschiger Poesie, doch alles fliegt flüchtig vorüber in der allgemeinen Bilderflut, die sicherlich sehr gekonnt arrangiert ist, mich aber eher auf Distanz gehalten hat. Daß hinter der Fassade der schönen jungen Lee ein dämonischer, eiskalter Racheengel steckt, ahnen wir relativ früh und werden in diesem Eindruck nachhaltig bestätigt, allerdings ist mir dieses Motiv von glatter Schönheit einerseits und sadistischer Grausamkeit andererseits durchaus wohlbekannt und erhält hier keinen wirklich neuen, spannenden Aspekt. In seiner allzu artistischen Versuchsanordnung hat Park ein bisschen die Psychologie liegen lassen und viele Figuren eher auf Märchenniveau angelegt, aber wie gesagt, mir ist wohl bewußt, dass für viele Kinogänger gerade diese Mischung sehr reizvoll ist. Immerhin werden allzu drastische Gewaltexzesse, die in koreanischen Filmen durchaus möglich sind, unterlassen, sodaß man halbwegs entspannt zuschauen kann, aber dennoch spürte ich nach spätestens der Hälfte der fast zwei Stunden (auch dies ein bisschen viel), dass genau wie beim „Oldboy“ die Ereignisse wieder recht weit entfernt von mir ablaufen und ich mich gefühlsmäßig überhaupt nicht angesprochen fand. Da hilft alle Schauspiel- und Inszenierungskunst nichts, das ist einfach so, und ich muß sehen, ob ich es immer weiter versuche oder mich irgendwann dreinschicke und sage, na gut, mit den Leuten aus Korea wird ich wohl nicht mehr warm. (10.2.)