Little children (#) von Todd Field. USA, 2006. Kate Winslet, Patrick Wilson, Jennifer Connelly, Gregg Edelman, Sadie Goldstein, Ty Simpkins, Noah Emmerich, Jackie Earl Haley, Phyllis Somerville

   Eine sehr schöne Illustrierung der These, dass ein gut gemachter Film nicht automatisch auch ein guter sein muß, ein guter in dem Sinne, dass er mein Herz rührt oder mich irgendwie positiv bewegt. Bewegt hat mich „Little children“ zwar schon, aber durchweg negativ und selten in letzter Zeit habe ich mich dermaßen angespannt und unwohl während eines Kinobesuchs gefühlt, was zum einen auf die oben erwähnten künstlerischen Qualitäten des Werks zurückzuführen ist, zum zweiten auf seinen wenigstens ansatzweise bedrückenden Realitätsgehalt, zum dritten aber vor allem darauf, dass er eine mir sehr unsympathische Haltung vertritt.

   Eine jener gutbürgerlichen amerikanischen Vorstadtidyllen wird präsentiert, die einfach zu heil und sauber sind, um wahr zu sein. Und wirklich werden uns von vornherein die Risse in der wohlhabenden Fassade präsentiert: Ein Exhibitionist ist wieder auf freiem Fuß, wohnt von allen gekannt mitten in der Gegend und wird nun von allen Eltern als veritable Bedrohung für die Kinder angesehen. Eine Art Bürgerwehr hat sich gegen ihn formiert, klebt überall Hetzplakate und macht auch vor direkten Angriffen auf das Haus nicht halt, in dem der Triebtäter gemeinsam mit seiner Mama wohnt. Dann eine Szene auf dem Spielplatz- drei Muttis auf der Bank, die Kinderchen auf den Geräten, eine vierte, Sarah, abseits der anderen, deutlich nicht dazugehörend. Die drei Mamas sind von jener alptraumhaften Sorte, die jeder kennt, der selbst häufig auf Spielplätzen gastiert – adrett, spießig und bigott bis unter die Haarspitzen, randvoll mit verdrängten Trieben, heimlichem Gekicher und gnadenlosem Tratsch, wenn es um Außenseiter geht. Sarah ist so einer, eine Intellektuelle, Studierte, die ihrem Mamadasein nicht nur Gutes abgewinnen kann, die sich immer wieder bedrängt, überfordert, unausgefüllt fühlt, zumal der Gatte, ein ehrgeiziger Anzugträger, kompromisslos seinem Job nachgeht und ihr kaum Freiraum gönnt und das Kind die Gereiztheit der Mutter wohl spürt und umso energischer Aufmerksamkeit einfordert. Ein junger, smarter Vater kommt mit seinem Sohn auf den Spielplatz, die drei Mamis mutieren sofort zu kichernden Backfischen und so bleibt es Sarah vorbehalten, die Bekanntschaft Brads zu machen, der beruflich ebenfalls noch in den Startlöchern hängt und von einer toughen Frau ausgehalten wird, die darauf wartet, dass er endlich sein Anwaltsexamen fertig kriegt. Sarah und Brad beginnen nach kurzer Wartezeit eine leidenschaftliche Affäre, die auf Sarahs Seite davon gedeckt wird, dass sie ihren Mann wichsend vor einer Sexhomepage am Computer erwischt, und aufs Brads Seite davon, dass Kathy kaum Zeit und Gefühle für ihn und den Sohn übrig hat, weil ihr Job beim Fernsehen alle Energie abzieht. Diese Liaison, die natürlich nirgendwohin laufen kann, weil beide letztlich doch in ihren Verhältnissen gefangen sind, vermischt sich mit der Geschichte des Triebtäters Ronnie, der als kleiner Ödipus an seine Mama gebunden ist und sich auf der anderen Seite als gemeines Schwein entpuppt, das seine Lage genau berechnet und eine ebenso einsame Frau nach ihren ersten Date zynisch missbraucht. Brad nimmt über einen alten Kumpel Kontakt zu einer Footballmannschaft auf und knüpft an seine Vergangenheit als Sportskanone an. Der alte Kumpel Larry, der als Polizist gescheitert ist, weil er in einer Überreaktion einen Jungen erschoß, hat sich aus Frust einem privaten Kreuzzug gegen Ronnie verschrieben und verfolgt ihn so lange, bis dessen Mama bei einer Auseinandersetzung zusammenbricht und später stirbt. Kurzzeitig wird’s turbulent: Sarah und Brad können ihren gemeinsamen Fluchtplan nicht durchziehen, weil Brad bei ein paar Skateboardern hängen bleibt, einen spektakulären Sprung versucht und auf die Schnauze knallt. Ronnie sticht sich mit einem Messer, doch Larry, der mittlerweile sein Handeln bereut, findet ihn und kann ihn vielleicht retten. Alle Ehepaare rotten sich wieder hübsch zusammen und fangen noch mal von vorn an, oder so.

 

   Dazu gibt’s dann noch einen sarkastisch coolen Kommentar im Off, eine Erzählerstimme, die uns Dinge erklären will, die wir sowieso schon im Bild sehen und die deswegen ebenso überflüssig wie ärgerlich ist. Diese Herablassung und Arroganz im Ton ist es, die mich in diesem Film durchgängig stört. Wir sehen ausschließlich deformierte, unsympathische, irgendwie defekte Charaktere und wir werden dazu angehalten, sie aus überlegener Distanz zu betrachten, so wie der Autor dies tut. Allüberall herrschen Einfalt, Kleinbürgerlichkeit, Spießigkeit, Verlogenheit, Geilheit, Lug und Trug. Die Ehen sind erkaltet, die Familien werden zur Falle, die Eltern sind überfordert, die Kinder angespannt, die Gemeinschaft ist erzwungen und mutiert zum Überwachungsverein, an jeder Ecke warten Versager, Enttäuschte, Betrüger und Betrogene, Kriminelle und dergleichen. Brad ist das Abziehbild des all American Dreamboy, schön, glatt und völlig hohl, ein kleiner Junge, der nicht in der Lage ist, für irgendetwas Verantwortung zu übernehmen. Sarah wirkt auf mich bei all ihrer verständlichen Not auch nicht sympathisch, sondern irgendwie verkrampft, naiv und lieblos, und sowieso kapiert man nicht, weshalb sie sich mit solch einem schmierigen Gimpel verheiraten konnte. Kathy wiederum ist hart, aggressiv und kalt, so also, wie eine gute Frau auf keinen Fall sein darf, und sie wird nie und nimmer unsere Sympathien bekommen. Larry ist der typisch selbstgerechte, fanatische law-and-order-Typ, der sein eigenes Versagen nun auf andere projiziert und umso gnadenloser und hysterischer vorgeht, je enttäuschter er von sich selbst ist. Ebenso wie Ronnie ist er abwechselnd ein armes Schwein und ein Dreckskerl, und bestenfalls empfinde ich Mitleid für ihn aber sonst nichts. Diese Mitleidsperspektive, die zynisch vom Off-Erzähler vorgegeben wird, kann unmöglich ein solch schweres, konfliktüberladenes Drama tragen und sie tut es auch nicht. Der Film ist zwischendurch mal spannend, er ist insgesamt viel zu lang und häufig nervt er einfach nur, was man angesichts seiner formalen Stärken fast nicht glauben kann. Field inszeniert gekonnt, suggestiv, sehr dicht mit großartig atmosphärischen Bildern vom Vorstadtsommer mit heißen Abenden, sonnigen Nachmittagen am public pool und heranziehenden Gewittern, und er hat ein paar hochkarätige Darsteller zur Hand, die wirklich ihr bestes geben, die aber nicht gegen die kalte Klischeehaftigkeit ihrer Rollen anspielen können. Der gesamte Film ist ein perfide und perfekt ersonnenes Konstrukt, durchgeplant vom Anfang bis zum Ende, manipulativ bis zum dorthinaus, aber ohne Leben, ohne Offenheit, ohne Überraschungen. Grundsätzlich liegt sicherlich viel Wahrheit in den verzweifelten Existenzen in ihren Ehe- und Familienfallen und auch einiger Reiz in der präzisen Milieubestimmung, doch habe ich den Film letztlich nur als gefühllose wenn auch meisterlich arrangierte Versuchsanordnung für Verlierer und Spießer empfunden und das hat mich zumindest an diesem Abend nicht froh gestimmt. (2.5.)