Little Miss Sunshine (#) von Jonathan Dayton und Valerie Faris. USA, 2005. Greg Kinnear, Toni Collette, Steve Carell, Alan Arkin, Abigail Breslin, Paul Dano
All die vielen enthusiastischen Berichte aus dem Freundes- und Familienkreis haben mich dann doch noch breitgeschlagen und mich den Film sehen lassen, und obgleich ich es einerseits keineswegs bereue, muß ich doch sagen, dass ich andererseits auch nicht in den Chor der Begeisterung einstimmen würde. Für mich ist der Film nett, aber auch nicht mehr, und im Grunde irgendwie so, wie ich ihn mir vorgestellt hatte.
Eine Familie macht in einem klapprigen VW-Bulli den ganzen Weg von Albuquerque/New Mexico nach Redondo Beach/Kalifornien, damit die kleine Olive an der Wahl zur Miss Sunshine teilnehmen kann. Das ist also einerseits ein Road Movie und andererseits ein Familienfilm und drittens eine Art Tragikomödie im Independentstil von insgesamt gemischter Qualität. Vor allem das Timing stimmt häufig nicht - die gesamte erste halbe Stunde kommt recht mäßig vom Start und droht bereits ein bisschen arg in Depression zu versacken, bis es dann on the road doch die eine oder andere wirklich komische Szene gibt, und das Highlight erwartet uns eindeutig zum Schluß bei der Misswahl, denn die ist trotz einiger Längen im Ganzen wahrhaft köstlich gelungen, eine treffende und sarkastische Attacke gegen den absurden Barbiepuppen-Mama-und-Kind-Kult, der zwar nicht nur in den Staaten herrscht, dort aber sicherlich ganz besonders monströse Ausmaße annimmt. Es ist dies auch der einzige Moment, indem das Spezielle unserer Filmfamilie irgendeinen Sinn bekommt, denn in diesem total gekünstelten, gestylten, kalt synthetischen Umfeld wirken sie wahrlich wie Exoten aus einer anderen, einer schmuddeligen und struppigen und sehr realen Welt und erst hier konnte ich sie eigentlich so richtig lieb haben. Daran sind aber bestimmt nicht die Schauspieler schuld, denn die sind alle wunderbar, daran ist in erster Linie ein Drehbuch schuld, das uns mal wieder eine höchst unwahrscheinliche Sammlung von Freaks vorsetzt und uns dann auch noch glauben machen will, dass sich all diese skurrilen Typen in einer einzigen kleinen Familie versammeln. Papa Richard versucht sich als Selfmademan mit selbst entwickeltem Erfolgsprogramm. Sein ebenso unerschütterlicher wie enervierend aufdringlicher amerikanischer Optimismus bekommt Risse, als sich zeigt, dass die Geschäfte nicht so laufen wie geplant und er schlicht und einfach pleite ist. Mama Sheryl versucht wie alle Mamas verzweifelt, die verschiedenen Charaktere und Temperamente der Familie unter einem Hut zu halten und eine wie auch immer geordnete Welt zu konservieren, merkt aber zwischendurch immer mal wieder, dass längst alle Dämme gebrochen sind. Sohn Dwayne liest Nietzsche, hat ein Schweigegelübde abgelegt, will unbedingt Armeeflieger werden und haßt alle und jeden, sich selbst eingeschlossen. Opa ist ein alter Kriegsveteran, liebt deftige Schmuddelhefte und seine Enkelin. Onkel Frank ist schwul, suizidal und der beste Proustkenner der Vereinigten Staaten - glaubt er jedenfalls. Und Olive, der stille Katalysator der Ereignisse, schafft es tatsächlich, sich von all dem Wahnwitz um sich herum abzuschotten und bei der Misswahl eine tolle Performance hinzulegen – sie kann ja schließlich nichts dafür, dass Opa ihr eine Art Stripteasechoreographie beigebracht hat. Jede für sich vielleicht eine witzige, originelle Figur, in der Gesamtheit jedoch wirkt das reichlich forciert und konstruiert, zumal auch nicht alle Figuren gleich gut ausgearbeitet sind – Toni Collette beispielsweise hat relativ wenig zu tun, und auch Olive hätte ich gern ein bisschen besser kennen gelernt. Aber wie gesagt, zwischendurch gibt es durchaus charmante und auch ein paar nachdenklichere Momente, und die kollektive Solidarisierung der Familie angesichts der Arroganz und Ignoranz all der hochtoupierten Arschgeigen ringsherum zum Schluß hat etwas sehr Schönes und Rührendes, sodaß ich unter dem Strich von einem weitgehend unterhaltsamen, sympathischen Film sprechen würde, der seine Macken in der Regie und dem Drehbuch hat, dafür aber mit Herz und Gefühl bei der Sache ist und das ist manchmal ja schon die Hauptsache. (31.1.)