Mein Führer von Dani Levy. BRD, 2006. Helge Schneider, Ulrich Mühe, Sylvester Groth, Adriana Altaras, Stefan Kurt, Ulrich Noethen, Lambert Hamel, Katja Riemann, Ilja Richter

   Nach dem vielen Trara vorher, den vielen zum Teil reichlich polemischen Verrissen (vor allem die doofen Katholiken haben Gift und Galle gesprüht!) war ich natürlich erst recht neugierig und muß nun sagen, dass mich der Film zum Teil ein wenig ratlos gemacht hat und ich auch finde, dass man ihm weitgehend unrecht tut. Dani Levy präsentiert nicht in erster Linie seinen Gegenentwurf zum allzu feierlichen und arg dubiosen „Der Untergang“, er macht vielleicht auch nicht in erster Linie einen Slapstickfilm über Hitler, er scheint in erster Linie einen sehr jüdischen Film mit einer sehr jüdischen Mischung aus bitterschwarzem Humor und tiefer Trauer versucht zu haben, und gerade diese Mischung will uns nicht recht einleuchten.

   Wie eine Achterbahnfahrt ist die Geschichte des Schauspielers Professor Adolf Grünbaum, der aus Sachsenhausen geholt wird („Jaja, eines unserer schönsten Lager!“), um den erschlafften, kränkelnden, zweifelnden Führer Hitler zu einem letzten Kraftakt zu motivieren, nämlich zu einer großen Neujahrsansprache ´45 in Berlin und einer großen Parade vor gefakten Kulissen und jubelnden Massen. Grünbaum pokert hoch: Er kriegt erst seine Familie aus dem KZ frei, dann will er gar das gesamte Lager aufgelöst haben und über diesen dreisten Wunsch stolpert er offensichtlich. Außerdem wollen Goebbels und Himmler ihn missbrauchen, um ein Attentat auf Hitler durchzuziehen, der längst nur noch eine Marionette des Regimes ist, und dessen Tod den Vorteil hätte, dass er sich gut als ultimative Legitimation der „Endlösung“ eignete. Wir erleben also Grünbaum, wie er auf dem Drahtseil balanciert, wie er einerseits Hitler lächerlich macht, mit absurden psychologischen Übungen traktiert, wie er andererseits dessen tiefstes Vertrauen gewinnt und bald zum engsten Kreis im Hauptquartier gehört, wie er aber auch auf zunehmendes Misstrauen bei den übrigen Nazischergen stößt, Opfer einer Intrige wird, und wir erleben ihn im Kreis seiner fünfköpfigen Familie, die sich zum Schluß offenbar retten kann, während er erschossen wird.

 

   So stehen also zwei Blöcke bruchlos nebeneinander – irrwitzige Kalauer, gnadenlos alberne Zoten, brillant bissige Einzeiler und geniale Satire auf der einen, eine Familiengeschichte aus der Tragödie der Judenverfolgung auf der anderen Seite. Es ist nicht mal so, dass uns das Lachen im Hals stecken bleibt, wie man so schön sagt, es erstirbt ganz still und leise, wenn Grünbaum wieder mit der Frau und den Kindern zusammen ist und der Regisseur Dani Levy plötzlich einen völlig anderen Ton anschlägt. Diese abrupten Tonartwechsel sind schon irritierend und lassen fragen, worauf genau er hinauswill, gleichzeitig fordern sie uns aber auch heraus, diese Paradoxie zu ertragen, und das gelingt vielen offenbar nicht, denn ganz bewußt und provokativ stellt Levi das Groteske und Überzeichnete neben das tief Ernste und Tragische, und offenbar waren die Erwartungen im Voraus einfach so stark auf Witz und Spaß festgelegt, dass dieses Zwitterprodukt nur Irritationen auslöst. Man kann Levy leicht vorwerfen, er habe nicht den Mut gehabt für eine durch und durch vernichtende Satire, doch vielleicht wollte er in der Figur Grünbaums auch nur ein Gegengewicht schaffen zur Figur Hitlers und all der anderen schrillen Karikaturen aus seinem Stab. Die illustre Schauspielerschar kann ins Volle langen und hat das auch getan, ohne Rücksicht auf Verluste: Groth gibt Goebbels als seidigen Dämon, Noethen den Himmler als verkrüppelte Fratze, Stefan Kurt den Speer als einfältiger Gimpel und dann eben Hitler der Bettnässer, der von Alpträumen geplagte, depressive Diktator, dem die Führung längst aus den Händen genommen wurde, der beim Sex versagt und allgemein deutliche Anzeichen von Altersdemenz zeigt. Helge Schneider ist, finde ich wenigstens, erstklassig in dieser Rolle, und seine launige, unberechenbare Charakterskizze, die fast wie eine Parodie auf Bruno Ganz´ ebenso sorgsame wie distanzlose Studie wirkt, bildet einen starken Kontrast zu Ulrich Mühes großartiger, aber eben völlig ernsthafter Darstellung, und so zieht sich exakt dieser Zwiespalt durch den ganzen Film. Den man vielleicht am besten als Tragikomödie bezeichnen könnte, die keine fließenden Übergänge hat, sondern harte Sprünge. Ich finde den Film an vielen Stellen sehr gelungen und auch sehr witzig, hätte persönlich ehrlich gesagt auch auf das ernste Elemente verzichten können, aber es gehört nun mal zu Levys Konzept und als solches muß man das akzeptieren. Levy hat es sich und den Zuschauern nicht leicht gemacht, aber das kann ja auch auf Dauer ein Vorteil sein, und wenn ich „Mein Führer“ schon mit „Der Untergang“ vergleichen müsste, was sich eigentlich ja nicht anbietet, so halte ich „Mein Führer“ trotzdem für den weitaus gesunderen und verständlicheren Film. Vielleicht wird es interessant sein abzuwarten, wie sich die Diskussion um diesen Film im Lauf der Jahre entwickelt. Bei uns im kleinen Städtchen hat es übrigens gerade jetzt eine gegeben – kluge Leute, Kritiker und Pädagogen hockten beisammen und fragten sich „Darf man über Hitler lachen?“ Da charakterisiert, denke ich, allein schon dieser Titel die gesamte Veranstaltung. Schade eigentlich, dass ich nicht dabei war, es wäre bestimmt fast genau so lustig gewesen wie der Film. (12.1.)