The Kingdom (Operation: Kingdom) von Peter Berg. USA, 2007. Jamie Foxx, Jennifer Garner, Chris Cooper, Jason Bateman, Ashraf Barhom, Ali Suleyman, Jeremy Piven, Danny Huston
Ab und an schau ich mir sowas mal an, um mitzukriegen, wie die Amis ihre heißen Themen in herkömmliche Kommerzware verpacken und vor allem, was unter solchen Umständen noch von der ursprünglichen Substanz bleibt. „Syriana“ hat vor Jahresfrist ein ziemlich einzigartiges Signal gesetzt und bewiesen, dass man auch innerhalb des Systems wirklich anspruchsvolle, komplexe und dennoch nicht theoretische oder thesenhafte Filme fabrizieren kann – wie gesagt, ein in der US-Filmszene leider sehr seltener Fall. Peter Berg war von derartigen Ambitionen sicherlich ein gutes Stück weit entfernt, sein Focus liegt auf Action und Emotionen, aber immerhin steht der Name Michael Manns als Producer im Vorspann und immerhin wählte man einen konkreten politischen Hintergrund für das Spektakel.
Der Vorspann eilt im Sauseschritt durch achtzig Jahre Geschichte der Ölförderung in Saudi-Arabien und durch siebzig Jahre Geschichte der US-Präsenz auf der arabischen Halbinsel. Da dies kein Geschichtslehrfilm sein soll, muß man diese Konzession an Fakten und Historie vermutlich bereits als etwas besonderes zur Kenntnis nehmen, aber man muß auch sehr gut aufpassen, um wenigstens das Wichtigste mitzubekommen, weiß aber nach einer Minute immerhin, dass das Verhältnis der beiden konträren Welten und System so gespannt ist wie nie zuvor. Zur Illustration dessen folgt ein blutiger Selbstmordanschlag auf eine zivile Wohnanlage in Riad, dessen Aufarbeitung die Bürokraten und Diplomaten ins Schwitzen bringt, weil man sich nicht traut, energische Schritte einzuleiten. Gut, dass es noch die kernigen Knaben vom FBI gibt, die auf Politik und Geschwätz einen Scheiß geben, und so stellt Special Agent Jamie Foxx angesichts all der Zauderer und Zögerer in Nadelstreifen kurzerhand eine vierköpfige Einsatztruppe zusammen und macht sich gegen den ausdrücklichen Befehl seiner Vorgesetzten auf den Weg, um vor Ort für Klärung und Bestrafung zu sorgen. Die saudischen Behörden heißen die Gäste förmlich willkommen, wollen sie aber ansonsten auf kleiner Flamme halten und nicht in die umständlichen Ermittlungen einbeziehen. Da haben sie aber doch die Rechnung ohne unsere vitalen Yankees gemacht, denn die lassen sich bekanntermaßen nirgendwo auf der Welt ins zweite Glied abschieben, und also wird der leitende Offizier so lange bearbeitet, bis er die Jungs (und ein Mädchen für die Quote) ans Ruder lässt, und schon entwickeln sich die Dinge im Turbotempo, weil die kulturfremden Amis natürlich keine Rücksicht auf alle möglichen Empfindlichkeiten und Gebräuche nehmen müssen. Ein wüster Showdown klärt die Verhältnisse für dieses Mal, und unsere vier Helden fliegen zurück gen Heimat, doch haben sie gelernt, dass diese einzelnen Erfolge nichts mit der großen ganzen Geschichte zu tun haben.
Es gibt -zig gute Argumente gegen diesen Film: Er strotzt vor Klischees in der Personenzeichnung, hat diesen typisch amerikanischen Chauvinismus, der unbeirrt noch immer glaubt, dass nur die Amis die Rolle der Polizei in der Welt einnehmen und erfolgreich durchziehen können, während alle anderen Kulturen korrupt, schwach, degeneriert oder einfach unterentwickelt sind. Nur die Amis paaren so ungeniert dröhnenden Patriotismus mit Ignoranz und Einfalt, und es gibt auch hier einige Szenen, die davon Zeugnis ablegen und entsprechend ärgerlich sind, vor allem die ersten Konfrontationen des FBI-Teams mit den Saudis. Hier die moderne, zupackende, pragmatische, fortschrittliche Haltung, dort das Zögern, das Lavieren, das Taktieren und allüberall Hindernisse durch idiotische religiöse und kulturelle Vorgaben. Die einzelnen Typen aus dem Team sind charakterlich kaum entwickelt, die ohnehin nur mäßigen Darsteller haben fast nichts zu tun, und wenn Jamie Foxx doch mal einen stillen Moment hat, dann menschelt es gleich auf die typisch unangenehm dick aufgetragene Hollywoodweise. Und natürlich lassen sich Autor und Regisseur auch nicht wirklich auf eine politische Betrachtung der Dinge ein, die deutlich über die Oberfläche hinausginge. Auch dies ist eine lange Tradition, die mindestens bis Korea zurückreicht – Krieg als Phänomen, das existiert, für das es aber keine Ursachen zu geben scheint, und wenn, dann haben diese Ursachen wenig oder nichts mit der Politik der USA zu tun. Fast alle Vietnamfilme sind so, auch neuere Machwerke wie der unsägliche „Black Hawk Down“ von Ridley Scott fahren noch in genau dieser Schiene – sie alle zeigen ausführlich das Leiden amerikanischer Soldaten in fremden Ländern, kümmern sich aber wenig um diejenigen, die sie dorthin geschickt haben. „The Kingdom“ macht da keine Ausnahme, und so gesehen ist dies auch grundsätzlich kein politischer Film, sondern weitgehend ein Actionfilm, dessen Ästhetik präzise auf die Erfordernisse des Genres zugeschnitten ist, und wenn erst mal die Raketen und Geschosse durch die Luft sausen und die Kamera mittendrin statt nur dabei ist, dann ist es fast schon wieder egal, wo genau wir uns befinden und erst recht weshalb.
Dennoch gibt es zwischendurch ein paar wenige Akzente, die bemerkenswert sind: Berg bemüht sich deutlich, auch den saudischen Offizier als privaten Menschen zu zeigen und darauf hinzuweisen, dass er in ganz genau der gleichen Lage ist wie seine US-Kollegen. In diesen Momenten wirkt die Religiosität der Saudis nicht mehr skurril oder fanatisch oder bedrohlich, sondern ganz normal und alltäglich. Auch wird immer wieder betont, dass die Wahnsinnstaten der Selbstmordattentäter nicht die Haltung der Bevölkerung und Politik im Ganzen widerspiegeln, auch wenn es eine breite Opposition gegen die amerikanische Präsenz gibt. Der Prinz vom Riad tritt als kultivierter, offener Mensch auf, der sich letztlich sogar von Jamie Foxx überzeugen lässt, den Leuten vom FBI mehr Handlungsspielraum zu geben, weil er selbst die Anschläge genau so verurteilt wie die Amerikaner. Und zum Ausklang wird noch eine ziemlich dunkle Note hinterhergeschickt, wenn wir nämlich Foxx und einen kleinen arabischen Jungen sehen, die unabhängig voneinander das gleiche sagen: Der Konflikt zwischen westlicher und arabischer Welt wird nur gelöst, indem man hingeht und alle Feinde totschießt. Eine überraschend pessimistische Schlussnote, die darauf hinweist, dass die Gewaltspirale von beiden Seiten gespeist wird und natürlich keine Lösung sein kann sondern, wie auch im Film gezeigt, zu noch mehr Leid und Tod führen wird.
Ob man diese wie gesagt wenigen Akzente dem Film zugute halten will oder nicht, hängt von den Erwartungen ab, die man an ihn hatte. Ich bin mir selbst nicht ganz sicher, würde aber auch sagen, dass die Schwächen hier einmal mehr überwiegen und den negativen Ausschlag geben, denn es ist schon unverständlich, dass heutzutage noch immer mit den gleichen Stereotypen und der gleichen stumpfen politischen Schlichtheit operiert wird wie in den Fünfzigern oder so. Bestenfalls ist dies also Popcornkino mit etwas Tiefgang, wenn man Böses will, ist dies nur ein weiteres verlogenes Machwerk, das seinen Patriotismus ungeniert in Action und Manipulation kleidet. (14.10.)