Prinzessinnenbad von Bettina Blümner. BRD, 2007.

   Drei Girls in Berlin-Kreuzberg, Freundinnen seit langem, nun sind sie fünfzehn und bald sechzehn und Entscheidungen stehen an: Mina und Tanutscha wollen sich am Riemen reißen, um ihren Realschulabschluß auf die Reihe zu kriegen, denn ohne, das wissen sie, haben sie nichts zu erwarten. Klara hat ihre Schulkarriere längst geschmissen, ist jetzt in einem Projekt für Schulverweigerer und muß obendrein noch Sozialstunden abreißen, weil sie ihrer Oma viel Geld geklaut hat. Sie hat viel Mist gemacht und weiß das auch und sieht jetzt zu, ob aus ihr trotzdem noch was werden kann. Sie tummeln sich im Kiez zwischen öffentlichem Schwimmbad, Disco, Kneipe, diversen Parks und hier und das auch mal zuhause, obwohl gerade das mit dem Zuhause so eine Sache ist, denn keine von den dreien lebt in einer sogenannten intakten Familie. Tanutschas Vater ist Iraker und sie will nichts mehr mit ihm zu tun haben, weil er nur motzt und Druck macht und sein eigenes Leben nicht geregelt kriegt. Minas Vater ist Neapolitaner und hat gerade eine Neue, was sie ganz gut findet, weil er so wieder besser drauf ist. Ihre Mutter hat auch einen Neuen, aber das findet sie nicht so gut, denn Mamis müssen bekanntlich exklusiv für ihre Töchter da sein. Das findet auch Klara, die mit dem Neuen ihrer Mutter auch nicht klar kommt und die ganz ehrlich sagt, dass sie es nie tolerieren würde, wenn ein neuer Mann in ihre Wohnung einzöge. Ihr Vater lebt in Panama, und sie träumt davon, ihn bald zu besuchen. Ansonsten hat einzig Mina eine dauerhafte Beziehung, seit zehn Monaten, wie sie stolz verkündet, nur wird ihr Freund bald für ein ganzes Jahr nach Südamerika gehen, um dort biologische Studien zu machen ( er ist fünf Jahre älter als sie), und die beiden wissen selbst nicht, ob ihre Beziehung die Trennung überstehen wird.

   Vieles ist also offen und ungewiss für die drei, die nur das eine wissen, dass sich nämlich einiges ändern wird in nächster Zeit. Der anstehende sechzehnte Geburtstag wird mit Hoffen und Bangen erwartet, weil mit ihm nicht nur mehr Freiheiten einhergehen, sondern auch mehr Verantwortung, die sie für ihr Leben übernehmen müssen. Die Mütter (die Väter sind ohnehin kaum präsent) sind weitgehend mit ihren eigenen Affären beschäftigt und haben sich bestenfalls mit ihren Töchtern auf gewisser Regeln geeinigt – kein Heroin und bloß nicht schwanger werden, heißt es da bei Klara beispielsweise, und abgesehen davon findet wenig Einfluß, überhaupt wenig Kontrakt statt, hier und da mal ein Gespräch, aber alles eher unverbindlich, so als hätten die Mütter erkannt, dass sie mit sich selbst noch soviel zu tun haben, dass sie nicht auch noch Verantwortung für die Töchter übernehmen können. Die leben also an der Oberfläche bereist ein recht erwachsenes Leben, tun was sie wollen, haben sich mit ihren familiären Gegebenheiten arrangiert, manche mehr, manche weniger, legen natürlich die Priorität auf Spaß haben und abfeiern und merken jetzt alle, dass in nächster Zeit der Schwerpunkt vielleicht mal anderswo gesetzt werden sollte. Auch was ihre Freundschaft zueinander angeht, bewegen sie sich auf einen Wendepunkt zu, denn jede trifft nun eigene Entscheidungen und entwickelt eigene Ansichten, und man sieht schon jetzt, dass Klara und Tanutscha vielleicht besser zueinander passen als Klara und Mina, die in manchen Dingen etwas zurückhaltender oder „vernünftiger“ wirkt, wenn es zum Beispiel um Drogen geht. Zwar betont Klara, dass Mina und sie immer beste Freundinnen bleiben werden, egal was kommt, doch würde ich als Außenstehender etwas anders darüber denken.

   Eine Art Dokumentarfilm mit sehr gutem Gefühl für Milieu, Lebensart und die besondere Situation der drei. Mal werden sie einfach auf ihren Wegen und Unternehmungen im Kiez begleitet, mal sprechen sie mit der stets anonym bleibenden Regisseurin (oder jedenfalls der Kamera), mal sieht man sie in der Clique oder im Clinch mit den Jungs, mal am Küchentisch mit den Mamas oder in Papas Pizzeria. Multikulti ist überall und so selbstverständlich, dass gar keine andere Form denkbar ist. In dem kunterbunten Nationalitätengemisch sind die Einheimischen im Gegenteil eher in der Minderzahl, sehr zu Klaras Freude, die eh nur Türken geil findet.

 

   Bettina Blümner muß aus ihrer tiefen Sympathie für die Girls keine große Sache machen, sie ist spürbar in der Art und Weise, wie sie die drei begleitet, aufmerksam und doch diskret, vorurteilslos, offen und doch ohne jene inquisitive Neugier, die Dokumentarfilme für die betroffenen Personen oft anstrengend machen. Die drei äußern sich teilweise recht offen, doch spürt man auch, wo ihre Grenzen liegen und wo nicht weiter gesprochen wer kann, und das ist dann auch in Ordnung. Die Impressionen aus dem sommerlichen Berlin sind faszinierend, die Einblicke in den Vielvölkerkiez Kreuzberg sowieso, und dennoch lassen sich die Themen und Situationen der Girls leicht auf andere Städte übertragen. Ein spannender und auch unterhaltsamer Film von heute, direkt aus unserer Mitte, wie es im Wort zum Sonntag so schön heißt. (15.8.)