A prairie home companion (Robert Altmans Last Radio Show) von Robert Altman. USA, 2006. Garrison Keillor, Meryl Streep, Lily Tomlin, Lindsay Lohan, Kevin Kline, Woody Harrelson, John C. Reilly, Virginia Madsen, Marylouise Burkem, L.Q. Jones, Tommy Lee Jones 

   Natürlich steht beim Anschauen dieses Films im Vordergrund, daß es Robert Altmans letzter ist, der wirklich und endgültig allerletzte von sehr vielen Filmen des wichtigsten, eigenwilligsten und kreativsten US-Regisseurs der vergangenen vier Jahrzehnte. Er hat nicht die ganz großen Hits gemacht, nicht die Oscars in Serie abgeräumt und an der Kasse gibt es sicherlich Dutzende, die ungleich erfolgreicher waren. Sein Werk, obwohl in vielem unverwechselbar und einzigartig, war durchweg recht erratisch mit längeren Durchhängern und triumphalen Comebacks, einigen allzu schrägen oder verschrobenen Werken, einigen eher gesichtslosen TV-Produktionen in den 80ern und dem einen oder andern seichteren und belangloseren Komödchen. Dennoch hat Altman im Gesamtüberblick sicherlich nicht weniger als ein unvergleichlich vielseitiges, vielschichtiges und von tiefster Ironie geprägtes Porträt der USA geschaffen, gebündelt in seinem Meisterwerk „Short Cuts“, verteilt aber auch über all die vielen anderen Filme, als da sind Raumfahrtfilme, Western, Kriegsfilme, Psychodramen, Komödien, klassische Detektivfilme, Depressionsdramen, Hochzeitsfilme, Frauenfilme, Sci-Fi-Filme, Kunstfilme, Gerichtskrimis, Filme aus der Welt der Countrymusik, des Glücksspiels, der Mode, des Jazzzeitalters, des Tanzes, der Filmindustrie, der Psychiatrie, der Medizin und so weiter. Kein anderer hat eine solch enorme Bandbreite an Themen, Genres und Motiven beackert und keiner ist sich dabei dennoch so treu geblieben wie Altman. Seine berühmten Ensemblefilme mit den ebenso charakteristischen ständig überlappenden und kreuz und quer laufenden Dialogen sind sein Markenzeichen ebenso wie sein frecher, oft respektloser und dreister Humor und seine Gabe, Klischees und eingefahrene Genres wieder auf die Füße zu stellen. Ein eigenwilliger Querkopf und zugleich das wichtigste Korrektiv zum unerträglich flachen US-Mainstream, und natürlich werden uns seine Filme in Zukunft sehr sehr fehlen, denn ersetzbar ist er schon gar nicht und ich sehe da auch niemanden, der nur annähernd seine Rolle übernehmen könnte.

   Wenn man ihn mal nüchtern betrachtet, hat Altman mit „A prairie home companion“ seinem Kanon sicherlich kein Meisterstück mehr hinzugefügt, und der diskriminierende Begriff des Alters- oder gar Abschiedswerks drängt sich allzu sehr auf, aber es ist dennoch ein typischer Altmanfilm und schön anzusehen ist er allemal. Nach einem Drehbuch des Hauptdarstellers und tatsächlichen Moderators Garrison Keillor beschreibt er die letzte Radioshow des beliebten „Prairie home companion“ aus St.Paul/Minnesota einer Sendung mit Countrymusik, Werbung und Witzen für die Menschen des Mittelwesten, die des offensichtlich wirklich gegeben hat oder sogar immer noch gibt. Hier im Film nun soll die alte Showbühne einem Parkplatz zum Opfer fallen, die gute alte Zeit wird also einmal mehr von der gnadenlos voranpreschenden neuen Zeit überrollt, die alten Werte von Wärme und Menschlichkeit werden gefressen vom kalten, gierigen Konsum und so weiter. Altman vertieft von alledem nicht sehr viel, trotzdem zeichnet sich sein Film durch eine zarte Melancholie aus, das Gefühl von Verlust und Abschied hängt über allem, so dass sein Humor in diesem Fall um so wichtiger ist, denn er bewahrt den Film davor, eine platte Nostalgieshow geworden zu sein. So erleben wir die Protagonisten dieser letzten Sendung backstage beim Plaudern, Umziehen, Schwelgen in Erinnerungen, Witzereißen, wir sehen Virginia Madsen als rätselhaften weißen Engel, der sich gelegentlich ein neues Menschenopfer holt, wir sehen Kevin Kline als coolen Sicherheitsmann, der uns diese ganze Geschichte erzählt und am Schluß auch vom Engel heimgeholt wird und wir hören natürlich viiiiel Countrymusik. Die ist nicht jedermanns Geschmack (meiner ooch nicht), doch sie wird mit soviel Inbrunst und Gefühl dargeboten, dass man sie für diesen einen Film mal gut ertragen kann und sie gehört einfach in diesen Kontext und vermittelt genau die Werte, um die es in der Show offensichtlich ging. Mit der souveränen Eleganz und Leichtigkeit des alten Meisters gleitet Altman durch die Kulissen, lässt noch einmal die Stimmen ein dichtes Gewirr bilden, mal wird’s wehmütig und mal sehr komisch und alles geschieht wie gewohnt fast nebenbei und man muß wie gewohnt sehr gut hinhören, um jede Pointe zu erwischen. Ich habe durchweg amüsiert und gut gelaunt zugesehen, habe gleichzeitig den sprichwörtlichen Biss ein wenig vermisst, hatte ihn aber ehrlich gesagt von vornherein schon nicht mehr erwartet, finde aber, daß auch dieser letzte Film noch von einem Regisseur zeugt, der ganz und gar seinen eigenen Weg geht und seine eigene Art hat, Geschichten zu erzählen und Personen zu arrangieren. Die Hauptdarsteller, zum Teil ja wieder sehr prominent, sind so gut, wie sie halt nur bei Altman sein können, sie singen und feixen in bester Laune und absoluter Höchstform und es ist noch immer beeindruckend zu sehen, wie Altman diese Leute, die man ja aus –zig anderen Filmen kennt, einsetzt und spielen lässt, und das macht er so wie kein anderer. Höchstens noch Woody Allen, für den ja auch die berühmtesten Leute gern und für einen Bruchteil ihrer sonstigen Gage spielen, und ähnlich wird das wohl bei Altman gewesen sein. Die Story hier ist nicht übermäßig komplex, die Satire mild, der Tiefgang hält sich in Grenzen, aber das Gefühl im Ganzen stimmt, der flüssig leichte Rhythmus ist noch immer da, und als Zuschauer hat man einfach noch mal seinen Spaß.

 

   Das war’s dann also nach achtzig Lebensjahren und wer weiß wie viel Filmen (ich kenne schon dreißig und das sind längst nicht alle). Wie häufig bei solchen Verlusten kann es keinen Trost geben, der Mann hinterlässt eine Lücke, die nicht zu schließen ist und fortan ist die US-Filmszene noch viel ärmer geworden als sie sowieso schon ist. Wie schön ist es da, dass wir im Zeitalter des reproduzierbaren Kunstwerks leben. (15.4.)