The good German (#) von Steven Soderbergh. USA, 2006. George Clooney, Cate Blanchett, Tobey Maguire, Beau Bridges, Tony Curran, Leland Orser, Robin Weigert
Eine Stilübung Soderberghs für alle, die sowas im Prinzip mögen (ich eigentlich nicht unbedingt), aber gottseidank ein Film, der seine unterhaltsame Hommage an die klassischen Melodramen der vierziger Jahre mit ein wenig Substanz unterfüttert, so dass auch ich ganz leidlich auf meine Kosten gekommen bin. Von seinen besten Werken, um das mal gleich vorneweg klarzustellen, ist Soderbergh aber dennoch ein sattes Stück entfernt geblieben.
George Clooney kommt als Berichterstatter der Army anno 1945 in das zertrümmerte Berlin, um dort über die anstehende Potsdamer Konferenz zu berichten. Er wird von Tobey Maguire kutschiert, einem dreisten, windigen Uniformträger, der in allen möglichen Geschäften herumrührt, und George Clooney auch mit der Deutschen Cate Blanchett bekannt macht, die als Prostituierte über die Runden kommt und früher mal Georgies Kollegin und Geliebte war. Tobey Maguire verschluckt sich an seinen krummen Deals und landet mit einem Loch im Frack in der Havel, und außerdem suchen sowohl die Russen als auch die Amis nach Cates angeblichen verstorbenem Mann, was den störrischen Georgie zunächst nur ein paar Blessuren, später dann aber mehr kostet. Er befragt die Cate hartnäckig und kriegt schließlich die Wahrheit raus, dass der Gatte nämlich, der natürlich noch lebt und von ihr versteckt gehalten wird, einst prominenten Anteil an den deutschen Raketentests hatte und als führender Wissenschaftler für die Militärs der beiden großen Siegermächte von größtem Interesse wäre. Obwohl die Cate ihm ein paar böse Wahrheiten um die Ohren haut und obwohl er mit Nazis rein gar nichts am Hut hat, versucht George, natürlich aus Liebe zur Cate, das Ehepaar aus Berlin herauszubekommen, doch Cates Mann wird noch abgefangen und getötet, und George kann die Cate am Schluß doch in ein Flugzeug setzen und in Sicherheit fliegen lassen.
Diese gesamte Schlusssequenz ist eine überdeutliche Nachempfindung von „Casablanca“, und auch vorher schon gibt es etliche Momente, die einen an dieses oder jenes alte Schätzchen erinnern. Was Bildgestaltung (schön flackerndes Schwarzweiß muß es sein) und Musikbegleitung angeht, trifft Soderbergh den Ton der Originale fast perfekt und zollt ihnen respektvoll Tribut, und auch Cate Blanchett ist eine großartige Film-Noir-Heldin, mondän, ein wenig geheimnisumwittert, sehr tragisch mit viel Vergangenheit und doch nie ganz von dieser Welt. Clooney jedoch ist für sie in diesem Kontext kein sehr guter Partner, zumindest finde ich, dass er zu modern, zu hip ist, um als Protagonist eines so stilisierten Melodramas zu überzeugen, was auch in gewisser Hinsicht für Maguire gilt. Blanchett kann sich besser anpassen, während die beiden Männer unter dem Strich nie wirklich in die 40er Jahre passen. Soderbergh erzählt sehr verhalten und kühl, schafft immer wieder intensive Dialogszenen und verzichtet auf jeglichen unnötigen Firlefanz. Seine Nachempfindung der Zeit ist hervorragend gelungen, zugleich wird nie versucht, die totale Künstlichkeit der Dekors und Außenkulissen zu verschleiern, sondern sie wird im Gegenteil eher offen zur Schau gestellt, vielleicht um eine Metaebene anzudeuten. Zumindest in der ersten Hälfte ist Soderbergh das auf einem sehr guten Weg, denn er präsentiert die mythische geteilte Frontstadt Berlin als morbide, von Prostitution, Korruption, Gewalt und grenzenloser Geschäftemacherei beherrschte Theaterbühne, auf der sich fast ausschließlich dubiose, zwielichtige oder offen kriminelle Elemente tummeln. Clooney verkörpert anfangs zwar den vor allem ideologisch sehr aufrechten Amerikaner, doch lässt auch er sich letztlich darauf ein, gegen seine eigentliche Überzeugung zu handeln, indem er einen Nazi zu retten versucht. Die Amis und die Russen wollen den Kuchen ganz ungeniert unter sich aufteilen – die Russen nehmen die Fabriken und das ganze Hinterland, den Amis bleibt nur das Know-how der Nazis, die man abseits der Schauprozesse in die Staaten schaffen, sie dort mit einer neuen Identität ausstatten und dann für die eigenen Zwecke nutzen will. Denn eines ist allen Beteiligten in Berlin vollkommen klar: Obwohl die Trümmer der Stadt noch rauchen, ist der Zweite Weltkrieg bereits Geschichte und man bereitet sich auf den nächsten Krieg vor, den Krieg der Systeme, und genau darum wird mit Zähnen und Klauen gefeilscht und gerangelt und genau deshalb werfen die Amis ihre politischen und ideologischen Grundsätze ganz locker über Bord und wollen sich lieber die Dienste ihrer ehemaligen Todfeinde sichern, als sie nun dem Iwan überlassen. Denn die Nazis sind plötzlich gar keine Gegner mehr, sondern fast schon Verbündete, Gegner sind nunmehr einzig und allein die Kommunisten. Diese vorsichtig ausgedrückt groteske historische Entwicklung, Gegenstand einiger erstrangiger Dokumentarfilme (beispielweise von Marcel Ophuls), wird hier in einigen wunderbar markanten und einprägsamen Sätzen und Szenen umrissen, die dem Film einen schön bissigen Grundton geben. Zum Schluß weicht dieser dann zunehmend dem melodramatischen Element, doch auf jeden Fall bleibt der Film inhaltlich sperrig und kontrovers genug, um das Interesse auch jener Zuschauer wach zu halten, die sich vielleicht nicht so sehr für das Genre erwärmen können. Jedenfalls war damals schon deutlich, dass sowohl Amis als auch Russen im Kalten Krieg jedwede moralische oder politische oder sonstige Bedenken übergehen und sich ganz der Bekämpfung des großen Feindes jenseits des Eisernen Vorhangs widmen würden, und der dreckige Handel mit alten Nazischergen und –größen ist ein Baustein, ein ganz besonders häßlicher zudem, in einer monströsen, jahrzehntelangen Auseinandersetzung.
Auch wenn nicht alle Elmente gleich glücklich ausgewählt und zusammengebastelt wurden, ist Soderbergh doch ein ganz reizvolles Stilexperiment geglückt, das einmal mehr seine große thematische und künstlerische Ausdrucksbreite unterstreicht. Daß mir dabei nicht jeder seiner Filme gleich gut gefallen kann, ist fast unvermeidlich und in diesem Fall auch kein Problem. (21.3.)