Trade (Trade – Willkommen in Amerika) von Marco Kreuzpaintner. USA/BRD, 2007. Cesar Ramos, Paulina Gaitan, Kevin Kline, Alicja Bachleda, Kate del Castillo, Marco Perez, Linda Edmond, Zack Ward
Menschenhandel im großen Stil, als vielleicht grausamste und zynischste Versinnbildlichung des modernen Kapitalismus, der vor nichts und niemandem halt macht, ist seit vielen Jahren ein Thema, oder sollte es zumindest sein, und seit kürzerem auch im Film. Neulich gab’s im TV einen erschütternden Zweiteiler über den Handel mit Frauen und Mädchen von Ost- nach Westeuropa, in weiteren TV-Serienprodukten wie „Tatort“ taucht das Thema zunehmend häufig auf, und auch Hollywood sitzt jetzt mit im Boot, obwohl ja gerade das Motiv der Südgrenze zu Mexiko immer wieder eine Rolle gespielt hat.
Die dreizehnjährige Adriana wird in Mexiko Stadt verschleppt und soll über die Grenze geschafft und in New Jersey online versteigert werden. Ihr Bruder Jorge, selbst ein rauher Geselle auf den Straßen, gibt sich die Schuld und verfolgt den Lastwagen, in dem Adriana und einige andere Opfer nach norden gekarrt werden. In Juárez trifft er auf den US-Polizisten Ray, der noch immer nach seiner vor langen Jahren verschwundenen Tochter sucht und den Jorge mit viel Mühe davon überzeugen kann, dass seine Geschichte wahr ist. In New Jersey klinken sich die beiden in die Versteigerung ein, machen das höchste Gebot und können unter großer Gefahr Adriana retten und diesen Teil der Schlepperorganisation auffliegen lassen.
Kreuzpaintner hat seinen ersten internationalen Film mit sehr viel Routine und straffer Dramaturgie erzählt. Vor allem die Szenen in Mexiko City beeindrucken durch ihre intensive, eindringliche Bildsprache und ihr Milieugefühl, geben einen starken Eindruck von diesem Wahnsinnsmoloch und den Vierteln, in denen man buchstäblich verloren ist. Die Perspektive der Opfer wird in quälenden, beklemmenden Szenen dargestellt, die panische Angst, das Ausgeliefertsein, die Hilflosigkeit. Mit Adriana wird die junge Polin Veronika verschleppt, die unter falschen Versprechungen angelockt wurde und nun das Schicksal unzähliger anderer Frauen aus Osteuropa teilen soll. Sie ist die Älteste der Mädchen, versucht sie zu schützen und wird dafür selbst furchtbar misshandelt und vergewaltigt, bis sie sich schließlich in völliger Verzweiflung eine hohe Felsklippe hinterstürzt, nachdem sie erfahren hat, dass wahrscheinlich auch ihr kleiner Sohn in die Gewalt der Verbrecher geraten ist. Als normaler Bürger schaut man solchen Ereignissen mit maßlosem Entsetzen zu, weil ich zumindest es nicht mal im Ansatz verstehe, wie Menschen, kleine Kinder häufig, zur Ware degradiert werden, zu Objekten, an denen zahlungskräftige Kunden ihre sexuellen Triebe austoben dürfen. Der Film macht dies sehr eindrucksvoll deutlich und hat daher schon eine starke Aussage und nimmt sehr klar und deutlich Stellung. Die Ausbeutung der armen Welt durch die reiche, die vor vielen hundert Jahren begonnen hat, geht immer weiter, nur unter anderen Vorzeichen und in ganz anderem, viel größeren Ausmaß. Ein US-Ermittlungsbeamter macht die Machtlosigkeit der Behörden an der totalen Globalisierung der Organisation fest. Über die ganze Welt verteilen sich die einzelnen Stationen, sodaß jede nationale Behörde für sich immer nur ein kleines Bausteinchen zu fassen bekommt, wenn überhaupt. Kreuzpaintner erzählt zwar eine Geschichte, die letztlich, auf die ganz private Perspektive heruntergebrochen, einen halbwegs guten Ausgang hat, doch im ganzen betrachtet wird schon klar, dass die Opfer dieser gewissenlosen Verbrecher keine Lobby haben, daß es nirgendwo wirksame Strukturen gibt, die ihnen helfen könnten. Es wäre in diesem Zusammenhang vielleicht auch mal interessant und aufschlussreich, sich die eigentliche Zielgruppe anzusehen, das heißt diejenigen, die die Mädchen und Frauen und Jungs ersteigern und danach „rechtmäßig“ missbrauchen. Solange es eine noch immer steigende Nachfrage gibt (das Internet ist für so was bekanntlich ein herrlich sicheres weil anonymes Forum), kann diesem schrecklichen Treiben natürlich kein Einhalt geboten werden.
Der Film ist zum Teil also schon recht eindrucksvoll und emotional aufwühlend, er hat allerdings in der Figur des Ray einen empfindlichen Makel, der ihn zumindest nach meiner Meinung in der zweiten Hälfte zunehmend schwächer werden lässt. Kevin Kline, der mir in gewissen Rollen durchaus sehr gefällt, ist für so was einfach nicht der richtige Schauspieler, wirkt tumb und glatt, ein schwacher Partner für den verzweifelten und zugleich wild entschlossenen Jorge. Die Szenen mit den beiden sind auch vom Dialog her sehr unbeholfen und unecht, zumal mich Rays Privatgeschichte absolut nicht interessiert (so was wie die gestorbene Katze seiner Frau gehört in solch einen Film ja wohl kaum hinein!), und dass Jorge auf seiner Reise ausgerechnet einen solch couragierten Gutmenschen trifft, der sein Vermögen und sein Leben aufs Spiel setzt, um ein mexikanisches Mädchen zu retten, ist einfach zu schön um wahr zu sein. Hier kommen die Konzessionen an Hollywood recht negativ zur Wirkung, doch hätte man diesen Film ohne die Figur des Ray wahrscheinlich nicht mit US-Geldern machen können, denn ein einziger windiger Latinoboy ist dort drüben keine wirkliche Identifikationsfigur. So hatte ich den Eindruck, dass der Film immer dann, wenn Ray auftaucht, schlagartig an Spannung und Intensität verliert, während die Szenen ohne ihn durchaus gelungen und ausdrucksstark geworden sind. Ob solch ein Produkt nun das gewünscht breite Publikum erreicht, ist wieder eine andere Frage, denn gerade die Amis brauchen erfahrungsgemäß gewisse Elemente, um einen Film annehmen zu können, was in Europa sicherlich noch anders ist. Durchgehend gelungen finde ich den Film für meinen Teil nicht, so wichtig er vielleicht grundsätzlich sein mag, mich aber stören die Verwässerungen gerade bei solchen Themen sehr. (29.10.)