Lions for lambs (Von Löwen und Lämmern) von Robert Redford. USA, 2007. Robert Redford, Meryl Streep, Tom Cruise, Michael Peña, Derek Luke, Andrew Garfield

   Wenn sich einer der arriviertesten Liberalen Hollywoods zum Thema Irakkrieg zu Wort meldet und auch noch Robert Redford heißt, dann kann er sich leisten, einen Film zu machen, der nicht wie die anderen ihrer Zeit ist. Das zeichnet ihn vorweg gesagt schon mal aus. Genauso zeichnet ihn aus, dass es ihn überhaupt gibt und dass Redford es offenbar für an der Zeit hielt, sich zu Wort zu melden und seinen Standpunkt so klar wie möglich auszudrücken. Man sieht direkt das Gewissen, das hinter diesem Werk arbeitet und keine Ruhe gab, bis endlich all die Worte und Botschaften verkündet waren, die verkündet werden mussten, und grundsätzlich bin ich natürlich froh über einen solchen Film, der den Vorsatz hat, etwas auszusagen und zwar etwas ausgesprochen persönliches und politisches, und der sich allein dadurch weit abhebt vom Kommerzschrott seiner Zeit und auch von den Versuchen des Business, das Thema in kassengängige Actionmuster einzupferchen. Gut, dass es trotz allem noch einzelne Künstler gibt, die sich dazu verpflichtet fühlen und die die Mittel und die Position haben, das Projekt auch durchzusetzen.

   Sehe ich mir den Film dann aber genau an, häufen sich doch die Irritationen, oder präziser gesagt, mit zwei Dritteln des Films hätte ich so wie sie sind kein Problem, mit dem letzten Drittel aber schon und zwar erheblich. Ein Drittel zeigt die renommierte, vom Selbstverständnis durchaus kritische Journalistin Meryl Streep auf Audienz beim forschen Senator Tom Cruise in Washington. Er schwadroniert von einem neuen Militärplan für die Krisenzone Irak-Iran-Afghanistan, versucht ihr diesen Plan schmackhaft zu machen und ihr Blatt damit gleichzeitig vor den Karren des Weißen Hauses zu spannen, denn, so spekuliert er, sobald eine angesehene Zeitung positiv über die neue Strategie schreibt, wird die Öffentlichkeit folgen. Die Journalistin gibt sich aber mehr als reserviert, und zurück in der Redaktion macht die ihrem Chef klar, dass sie ihren Namen nicht für simple Hofberichterstattung hergeben wird Das zweite Drittel zeigt den Studenten Todd auf Audienz beim Professor Robert Redford. Der nimmt den Knaben richtig ins Gebet, wirft ihm vor, durch seien letzthin an den Tag gelegte Lethargie seine Möglichkeiten zu verschwenden und fordert ihn stellvertretend für seien ganze Generation auf, endlich wach zu werden, sich zu engagieren, ihre Intelligenz und Energie konkret für das Land einzubringen. Er erzählt ein Beispiel, das er selbst für fehlgeleitet und tragisch hält. Zwei andere Studenten haben sich freiwillig für den Dienst am Hindukusch gemeldet, um so ihren Beitrag für das Land zu leisten und weil sie für sich keine Alternative sahen. Der Professor billigt ihre Entscheidung keineswegs, bewundert sie aber in gewisser Weise, weil sie wenigstens für irgendetwas steht, während Typen wie Todd gleichgültig und blasiert ihren Weg gehen. Es scheint so, als hätten seine Worte gefruchtet, denn als Todd raus in den Gemeinschaftsraum geht, sieht man ihn sehr nachdenklich und offenbar zur Besserung entschlossen. Das letzte und problematische Drittel zeigt jene beiden Studenten im Einsatz irgendwo in Afghanistan. Sie fallen aus dem Hubschrauber, liegen verletzt im Schnee, werden von anrückenden Taliban bedrängt und schließlich erschossen. Aber als echte Amerikaner wissen sie, wie man zu sterben hat, nämlich aufrecht stehend und nicht irgendwie im Dreck liegend.

   Ich gebe zu, dass mein Verdruß über diesen Misston das Urteil über den Film vielleicht ein bisschen zu sehr prägt, aber ich finde schon, dass Redford (oder sein Drehbuchautor) damit einen Großteil seiner eigentlichen Absichten auf fast groteske Weise torpediert. Wieder einmal werden Helden kreiert, wo keine Helden hingehören (ich kann mit diesem Begriff ja sowieso nichts anfangen) – diese Jungs geben ihr Leben hin fürs Vaterland, das ist kein Heldentum, das ist Verschwendung und sonst nichts. Ihre stramme, männliche Geste, aufrecht sterben zu wollen, gibt dem Ganzen zudem eine lächerlich pathetische und vollkommen verfehlte Note, die ich gerade in diesem Film absolut nicht nachvollziehen kann. Redfords Konzept kommt bestens ohne dieses törichte Machotum aus und hätte sich darauf beschränken können zu zeigen, daß wie in jedem Krieg auch in diesem sinnlos viele Leben verheizt werden in unausgegorenen, selbstmörderischen Militäraktionen und dass wie immer die Verantwortlichen, die Entscheidungsträger im warmen Office sitzen, während draußen die armen Schweine als Kanonenfutter herhalten müssen. Helden? No way. Meine Enttäuschung über dieses Drittel ist wahrscheinlich umso größer, als ich wirklich gehofft hatte, daß dieser eine Film ohne diesen Patriotenscheiß auskommen würde.

   Die anderen beiden Drittel bieten kammerspielartige, rein auf den Dialog fokussierte Szenen mit zum Teil recht intensiven Momenten, stark aufspielenden, illustren Darstellern und auch einigen expliziten und starken Aussagen. Manchmal wirken die beiden Duette allerdings auch ein bißchen statisch und sentenzenhaft, vor allem der Professor, durch den Redford mehr oder minder unverblümt selbst spricht, sondert eine ganze Reihe von Phrasen ab, die man sonst eher auf Demoplakaten oder im öffentlich-rechtlichen Staatsbürgerunterricht erwarten würde. Redfords Anliegen tritt überall deutlich zu Tage und ehrt ihn wie gesagt, nur hätte er meiner Ansicht nach durchaus ein kontroverseres, provozierenderes oder einfach tiefgründigeres Drehbuch vertragen. Matthew Michael Carnahan zeichnet auch für „Operation: The Kingdom“ verantwortlich, und irgendwie merkt man das. Inhaltlich kann man vieles natürlich unbesehen unterstreichen: Die Geltungssucht, das Machtstreben der Politiker, die ihre Leute wie Schachfiguren rücken und auch schon mal einen Satz sagen wie „Koste es, was es wolle“, was dann bedeutet, egal wie viele Tote es gibt, sie werden in Kauf genommen. Professor Redford sagt es deutlich: Das politische und moralische Niveau im Lande ist so erbärmlich wie noch nie, wobei die Politiker natürlich von der Passivität der Öffentlichkeit profitieren und ihre Interessen immer dreister durchsetzen können. Die Medien sind zumeist gleichgeschaltet, die junge Generation erstickt im Konsum und hält sich selbst fett und dumm, die Machthaber können schalten und walten wie sie wollen. Es muß wieder ein starke, intellektuelle, artikulierte Opposition gebildet werden, und davon träumt Redford offenbar, der zu sehr Amerikaner ist, um nicht doch ein Patriot zu sein, wenn auch vielleicht ein kritischer. Ich als Europäer erlebe in der Verhandlung der Werte „Patriot“ und Held“ immer wieder meine Grenzen, geistig und emotional, und finde das auch gar nicht so bedauerlich. Vielleicht ist damit schon alles über seinen neuen Film gesagt, im Guten wie im Schlechten: Er ist typisch amerikanisch, wenn auch auf der richtigen Seite. (21.11.)