Zodiac (#) von David Fincher. USA, 2007. David Gyllenhaal, Mark Ruffalo, Robert Downey jr., Anthony Edwards, Chloë Sevigny, Elias Koteas, Brian Cox

   Zodiac war der selbstgegebene Name eines Mörders, der ab Ende der 60er in der Gegend um San Francisco eine unbestimmte Anzahl von Menschen, mindestens aber ein halbes Dutzend, tötete, willkürlich, ohne Motiv. Eine echt amerikanische kranke Seele - er kommunizierte fleißig mit der Polizei und den Medien, verschickte Bilderrätsel an lokale Redaktionen, hinterließ am Tatort Bekennerbriefe und telefonierte mit bekannten TV-Persönlichkeiten, kurz tat alles, um möglichst viel Publicity und Aufmerksamkeit zu erhalten, denn neben der Lust am Blutvergießen war dies offenbar seine Triebfeder. Er wurde buchstäblich jahrzehntelang gejagt und doch nie mit letzter Sicherheit identifiziert, obwohl es einen stark verdächtigen Mann gab. Mal passten die zu vergleichenden Handschriften nicht, mal die Fingerabdrücke und vor allem gab es in der Anfangsphase der Ermittlungen haarsträubende Kommunikationsprobleme zwischen den beteiligten Dienststellen rund um die Bay Area (Vallejo, Napa, San Francisco, Sacramento), die sich gegenseitig Informationen und beweismaterial vorenthielten, und erst in den 90ern tauchte der Mann wieder auf, der einen Mordanschlag Zodiacs überlebt und ihn als einziger ohne Maske gesehen hatte, der ihn zwar anhand von Fotos ziemlich sicher identifizieren konnte, doch reichte nicht einmal das zur Verhaftung aus.

   Finchers zweieinhalbstündiger Film interessiert sich weniger für die Figur Zodiacs und seine Taten – lediglich im ersten Viertel gibt’s ein paar heftige Mordtaten – als vielmehr für die Personen, die mit zunehmender Besessenheit hinter ihm her waren: Der Detective Dave Toschi, der sich zusammen mit seinem Partner Armstrong in den Fall verbeißt, solange bis er von der Mordkommission abgezogen wird. Der Karikaturist Robert Graysmith, der erst dann so richtig loslegt, als die Spur schon kalt geworden zu sein scheint und der sich jenseits aller Befugnisse und Zuständigkeiten zwischen den Dienststellen bewegt, neue Zusammenhänge entdeckt und davon profitiert, dass ihn niemand mehr aufhält, weil sich niemand mehr so richtig für die Sache interessiert. Er kommt Zodiac immer näher, verliert dafür seine Familie, weil er zuletzt wie im Fieber und völlig auf den Fall fokussiert lebt. Der Reporter Paul Avery ist einer der ersten, die dem Mörder an den Fersen kleben, doch als unsteter Saufkopf verliert er seinen Job, sobald die größte Publicitywelle vorüber ist, und er landet desillusioniert und den Drogen verfallen bei einem Provinzblatt. Jeder der drei scheitert auf seine Weise an dem Rätsel Zodiac, jeder zahlt seinen persönlichen Preis dafür, nur Graysmith kann wenigstens ein bisschen davon profitieren, indem er einige erfolgreiche Bücher darüber schreibt.

   Von David Fincher habe ich bislang wenig Vernünftiges zu Gesicht bekommen – „Sieben“ ist im Kern interessant und spannend, im Detail aber viel zu sadistisch und pervers, „Alien“ und „Fight Club“ sind für mich beide nur mäßig interessant, düster, manisch und effektverliebt, während „Panic Room“ als zu schematischer und deshalb enttäuschender Kommerzfilm daherkommt. Mit „Zodiac“ allerdings hat er mich doch sehr positiv überrascht – ein extrem dichter, konzentrierter und spannender Film, der auf alle die eitlen Stilmätzchen verzichtet, von denen Fincher gewöhnlich lebt, der ein tolles Zeitbild der späten 60er und frühen 70er entwirft und vor allem ein faszinierendes Psychogramm der oben erwähnten Männer bietet. Es geht fast völlig ohne spektakuläre Gewalt ab und die Atmosphäre ist nicht trist, finster und ominös um ihrer selbst willen, sondern nur dann, wenn die Story es erfordert. Fincher zeigt mit hoher Intensität, wie sich die charakterlich sehr verschiedenen Jäger in einem Gewirr aus Tatorten, Spuren und Identitäten regelrecht verlieren, wie sie immer wieder mit Rückschlägen und Sackgassen konfrontiert werden und sich unter Ausschaltung der Vernunft mehr und mehr in diesen Fall verbeißen, denn dies ist für sie mehr als ein gewöhnlicher Kriminalfall geworden und sie investieren weit mehr als das beruflich Nötige. Die erste Hälfte der Geschichte ist von häufigen Zeitsprüngen gekennzeichnet und macht schon deutlich, daß die Ermittler anfangs erst einmal nur auf Zodiacs Mordtaten oder Briefe reagieren konnten und wie schwer es für sie im weiteren offensichtlich war, ihre Aktionen zu koordinieren und sich darüber auszutauschen, eine im heutigen Zeitalter der totalitären und sozusagen offiziell verordneten Kommunikation unfassbarer Tatsache, dass die Detectives in den verschiedenen Bezirken offensichtlich nicht mal in der Lage waren, miteinander zu telefonieren, weil ein jeder hübsch auf seine Zuständigkeit und seine Kompetenz bestand. In der zweiten Hälfte, etwa ab Ende der Siebziger, als Graysmith plötzlich die Witterung aufnimmt und darüber sein bislang aufgebautes Leben fast gänzlich hinter sich läßt, nehmen die Zeitsprünge deutlich ab, die Chronologie wird dichter, auch spannender, weil wir als Zuschauer nun noch einmal gemeinsam mit Graysmith den gesamten Fall aufrollen und nachvollziehen können, wo die Behörden geschlampt, was sie übersehen haben, wir wühlen mit ihm in endlosen Archiven und wagen uns in ein echtes Hollywoodhorrorhaus und darüber hinaus sogar in einen echten Hollywoodhorrorkeller, wo uns Fincher mit Genuß für fünf Minuten eng an die Leine nimmt und unsere Erwartungen kitzelt, denn natürlich rechnen wir in diesem Keller mit etwas garstig Monströsem und haben wie Graysmith nur den dringenden Wunsch, diesen Ort schnellstmöglich zu räumen. Doch Fincher gibt seinen sehr zurückgenommenen, für ihn total ungewohnt dezenten Regiestil bis zuletzt nicht auf, er bleibt bei seiner minutiösen, detaillierten Erzählweise, er bleibt ruhig, bleibt bei seinen Charakteren, die Gyllenhaal, Ruffalo, Downey und die anderen sorgfältig herausarbeiten (nur Sevigny hat leider eine etwas zu blasse Rolle), und er bleibt beim Thema. Schrille Effekte kommen nicht mehr vor, es gibt kein spektakuläres Finale, nur einen nüchternen Text, in dem zu lesen steht, wie die Ermittlungen letztlich im Sande verliefen und dass der dringend Verdächtige doch nicht überführt werden konnte.

 

   Ein ausgezeichnet gespielter und souverän inszenierter Film, der erstens zeigt, dass man auch ohne Effekthascherei Hochspannung herstellen kann, und der zweitens zeigt, dass David Fincher, wenn er will, hervorragende Filme machen kann. Wenn er’s doch nur häufiger wollte... (31.5.)