Reservation Road (Ein einziger Augenblick) von Terry George. USA, 2007. Joaquin Phoenix, Mark Ruffalo, Jennifer Connelly, Mira Sorvino

   Der deutsche Titel (etwas platt wie gewöhnlich) sagt schon alles: Ein kurzer Moment genügt, um das Leben zweier Familien (oder genauer gesagt von anderthalb Familien) für immer zu verändern. Ein tragischer Unfall, ein tödlich angefahrenes Kind, ein Fahrer, der in Panik spontan davonfährt. Die Eltern sind zunächst in Trauer erstarrt, doch während die Mutter sich nach einiger Zeit instinktiv wieder dem Leben und dem zweiten Kind zuwendet, sinnt der Vater auf Gerechtigkeit, auf Vergeltung. Er treibt die Polizei an, beauftragt Rechtsanwälte, unternimmt Nachforschungen auf eigene Faust und knüpft vor allem im Internet verhängnisvolle Kontakte zu Gleichgesinnten, die sein Anliegen eher forcieren als ihn zu stoppen. Der Unfallfahrer, geschiedener Vater eines Sohnes und stets in latentem Kampf mit der Ex um das Kind, ist ebenfalls vollkommen aus dem Gleichgewicht und sehnt sich nach nichts mehr, als sein Gewissen zu erleichtern. Doch entweder er schafft es selbst nicht oder die Umstände erlauben es nicht, und erst als der Vater ihm selbst auf die Spur kommt und eine Konfrontation erzwingt, hat er die Gelegenheit, seine Schuld herauszuschreien.

   Den Roman zu dem Film kenne ich nicht, doch man sieht sehr deutlich die etwa zu mechanische Konstruktion der ganzen Geschichte. Die Personen sind komplex miteinander verzahnt (die Ex ist die Musiklehrerin der Schwester des Toten, der Vater wendet sich ausgerechnet an den Fahrer, der selbst Anwalt ist und so weiter), doch alles greift ein wenig zu sauber und gewollt ineinander, und es gibt genug Filme dieser Art, die das nicht verkraften. Dieser hier tut es aber doch und zwar einfach deshalb, weil er so gut gemacht ist. Terry George inszeniert äußerst intensiv und konzentriert, bleibt ganz nahe an den Personen in ihrem gutbürgerlichen Neuengland-Umfeld und entfaltet einen ruhigen Erzählrhythmus, der dem schicksalsträchtigen Drama genug Zeit zur vollen Entwicklung lässt. Betörend schöne Herbtimpressionen und Mark Ishams diesmal etwas zu seichte Musik sorgen dafür, dass uns das Ganze nicht zu sehr aufs Gemüt schlägt, doch die Wucht und Wahrhaftigkeit der Emotionen haben mich schon sehr gefangen genommen, was in erster Linie an den brillanten Hauptdarstellern liegt, die sehr gut ausgesucht sind und großartig miteinander spielen. Leider fällt auf, die die Männer das Übergewicht für sich beanspruchen, ihre Rollen sind kompletter und tiefgründiger, die treiben die Handlung voran und sorgen für die wesentlichen Impulse, und dabei stehen mit Jennifer Connelly und Mira Sorvino zwei der besten US-Schauspielerinnen zur Verfügung, und ich für meinen Teil hätte sehr gern sehr viel mehr von ihnen gesehen. Aber Joaquin Phoenix mit grimmem Bart und starrer Mimik (er hat fast etwas von einem religiösen Fanatiker) und Mark Ruffalo als gequälter, verzweifelt kämpfender Vater liefern sich ein tolles Duell, zunächst eher auf Distanz, dann aber doch näher und näher bis hin zum Showdown nachts am Meer mit Pistole und drohender Gewalt. Dass der Film dann genau darauf verzichtet und tatsächlich eine Wendung hin zur Menschlichkeit nimmt, hat mir glaube ich am besten überhaupt gefallen. Der Vater hat sich eine Pistole besorgt und ist noch wild entschlossen, das feige Schwein, das seinen Sohn auf dem Gewissen hat, zu erledigen, also ganz die amerikanische Version von „Gerechtigkeit“ herzustellen, besinnt sich dann aber doch seiner eigentlichen Werte als WASP, als er erkennt, dass der Fahrer selbst genauso gelitten hat wie er und seine Frau und dass er sich im Grunde schon lange danach sehnt, sich endlich jemandem anvertrauen zu dürfen. Kurz bevor es zum Schlimmsten kommt, kann er selbst seinem Leben wieder eine Wende geben, denn mit der Schuld, selbst einen Menschen getötet zu haben, hätte er natürlich auch nicht leben können und außerdem hätte er damit seine eigene Familie endgültig zerstört.

 

   Das sind starkem, sehr eindringliche Momente in einem starken, eindringlichen Film, der mir trotz seiner erwähnten Schwächen sehr gut gefallen hat, der künstlerisch sehr überzeugend ist und am Schluss ganz einfach das Richtige sagt und zeigt. (13.7.)