Paris (So ist Paris) von Cédric Klapisch. Frankreich, 2007. Juliette Binoche, Romain Duris, Fabrice Luchini, Albert Dupontel, François Cluzet, Mélanie Laurent, Karin Viard, Gilles Lellouche, Zinedine Soualem, Sabrina Ouazani, Julie Ferrier, Olivia Bonamy, Maurice Bénichou

   Paris, mythische Filmstadt, Gegenstand zahlloser Hommages, romantisch verklärt, angehimmelt und selten auch mal kritisch von der weniger fotogenen Seite gezeigt, steht wie schon der Titel unmissverständlich klärt, im Mittelpunkt dieses Films, der die Lebenswege einiger Einwohner für kurze Zeit begleitet, miteinander verknüpft, um sie am Schluss elegant aufgefädelt wieder zu verlassen. Zwischen den „einfachen Leuten“ im Großmarktmilieu und den Repräsentanten der intellektuellen Elite hoch über den Dächern spielen sich kleine und große Geschichten ab, die mal mehr mal weniger miteinander zu tun haben, und wenn es letztlich nur die eine Gemeinsamkeit ist, dass sie sich alle unter Pariser Dächern und dem Pariser Himmel zutragen. Es geht um den Alltag zwischen Mietwohnung,  Gemüsestand, Sozialamt, Bäckerei, Baustelle, Bistro und Hörsaal, es geht um Alleinleben und Familienleben, es geht um alltäglichen und deshalb doch nicht weniger unschönen Rassismus, es geht um Krankheit und sogar Tod, es geht aber vor allem, denn dies ist schließlich ein Film über Paris, um die Liebe, um die Sehnsucht, die Hoffnung, die närrische Verliebtheit, das vorsichtige Herantasten, die bange Schüchternheit und so weiter, die Liebe zwischen halbwegs desillusionierten Vierzigern, die Liebe eines alternden Professors zur betörenden Studentin, die noch intakte Liebe zwischen Ehepartnern, und immer finden sich komische, melancholische und ernste Töne ganz dicht beieinander, was unter anderem einen Reiz dieses schönen Films ausmacht. Nichts hier ist neu, alles schon mal gesehen, das schadet aber nicht, denn die Atmosphäre macht’s und die hat Cédric Klapisch wirklich großartig eingefangen. Wunderschöne Bilder aus der Stadt, poetische Impressionen, die mich sofort zum Koffer greifen lassen, untermalt von stimmungsvoller Musik und dazu ein wunderbares Ensemble, dem zuzuschauen wirklich der reine Genuss ist. Zwischendurch überraschend ein paar tolle Tanzeinlagen von Romain Duris und Ensemble, ein Strip von Juliette Binoche (naja, so halb...), ein paar Vergnügungen der derberen Art in der Fleischhalle, furiose Clownerie von Fabrice Luchini, eingestreut die Geschichte einer Immigration aus Kamerun - vielleicht der einzige Fremdkörper in diesem Film, gehört natürlich aber auch zum Bild der großen Stadt als multikultureller Schmelztiegel, wie man so schön und gern sagt. Dazu gibt’s Gnossiennes von Eric Satie und afrikanische Rhythmen, den weihnachtlich beleuchteten Eiffelturm und nächtlichen Schnee, eine frisch gedrehte TV-Sendung über das gewaltige kulturelle Erbe und als Kontrast das ganz aktuelle Elend vieler Menschen, die von staatlicher Zuwendung leben müssen. Die Menschen prägen die Stadt und die Stadt wiederum prägt die Menschen darin, und das Gefühl, in dieser Stadt zu leben, kann sogar helfen und ein Trost sein in schwerer Zeit, und wenn sich der schwer herzkranke Romain Duris am Schluss von der hübschen arabischen Bäckerin und seiner Stadt Paris verabschiedet, schwingt darin die starke Hoffnung mit, dieser Abschied möge nicht endgültig sein. Durchgehend gelingt Klapisch der typisch französische Spagat zwischen Tiefsinn und Leichtigkeit, das Tiefe wird nicht zu belastend, das Leichte nicht so platt, der ein oder andere Kalauer ist dabei, albern oder oberflächlich aber wird der Film nie, dafür aber hemmungslos romantisch, und böse Zungen können ihm zweifellos vorhalten, er zeichne ein geschöntes und eindimensionales Bild, was ich allerdings nicht unterschreiben würde, denn seicht oder anbiedernd kommt er mir absolut nicht vor, eher manchmal etwas verschroben, so in der Art von „Jeder sucht sein Kätzchen“.

 

   Nach Klapischs beiden etwas sehr gefälligen und für ich nicht sonderlich interessanten Auberge-Espagnole-Filmen ist dies hier eine in fast jeder Hinsicht völlig gelungene, sehr schöne und gefühlvolle Sache, brillant gespielt und wunderbar gefilmt, und ich denke schon, dass diese Stadt noch so manche Huldigung verträgt (eitel genug ist sie ja eh schon), vor allem wenn sie so ausfallen wie diese. (21.7.)