Che – Guerilla (#) von Steven Soderbergh. Spanien/Frankreich, 2008. Benicio del Toro, Rodrigo Santoro, Demián Bichir, Jorge Perugorria, Joaqium de Almeida, Pablo Durán, Eduard Fernández, Franka Potente, Lou Diamond Phillips, Marc-André Grondin

   War Teil eins des Chef-Projekts der detaillierte Bericht einer glorreich gelungenen Revolution, so bildet der zweite Teil die ebenso minutiöse Erzählung einer in jeder Hinsicht gescheiterten Revolution. Das Problem für gewisse Erwartungen bleibt bestehen: Tiefere Einsichten in Ches privates Leben, solide Infos über seine politischen Aktivitäten (z.B. in Afrika oder Europa) oder etwa über seine Rolle als Ikone im politischen Umfeld der 60er Jahre – nichts davon wird hier geliefert. Wie schon im ersten Teil fokussiert Soderbergh mit sturer Konsequenz auf ein einziges Ereignis, nämlich die knapp einjährige Kampagne Ches als Führer der Guerillaarmee in Bolivien auf dem Weg zur Befreiung des Landes von der Militärdiktatur. Wir erleben ihn als hochgeachteten Prominenten, die Kämpfer respektieren und bewundern ihn, er ist der unumstrittene Anführer der Rebellen, die sich unendlich mühevoll den Weg durch Wälder und Gebirge bahnen. Wir erleben ihn trotz angegriffener Physis als ungebrochen leidenschaftlichen Revolutionär, der sich ganz bewusst von Fidel und Kuba löst, um weiter an der Befreiung des amerikanischen Kontinents zu arbeiten. Wie selbstverständlich verbindet er politisches Bewusstsein direkt mit Aktion, er ist kein Theoretiker, er ist ein Kämpfer, der die Ideale linker, freiheitlicher Gesinnung ohne zu zögern mit Waffengewalt durchzusetzen bereit ist. Vor Ort gebärdet er sich allerdings nicht als autoritärer Führer, sondern als geduldiger, fast väterlicher, wenn auch konsequenter Commandante, dem ein guter Kontakt zu seinen Leuten genauso wichtig ist wie ein guter Kontakt zu jener Bevölkerung, die das Ziel seiner Aktionen sein soll. Soderbergh zeigt ihn diesmal nicht als hofierte Person in internationalen Politgewässern – ganz zu beginn ein kurzes Schlaglicht auf Ernesto Guevara als Ehemann und Familienvater, dann geht’s direkt nach Bolivien in den Dschungel, in das Training, die Vorbereitung, die endlosen internen Querelen, die Kontakte zu internationalen Gruppierungen und einzelnen Sympathisanten aus Frankreich und der DDR, die immer härter werdenden Kämpfe mit der übermächtigen Armee, die Aufsprengung und Einkesselung, die Verhaftung und schließlich die telefonisch vom Präsidenten angeordnete Erschießung. Wir erleben eine Militärdiktatur, die sich zum Kampf gegen die Rebellen rüstet, und wir sehen den großen Bruder aus den USA, der mit Rat und Tat, mit Waffen und Experten zur Seite steht, um ja keine kommunistische Revolution im eigenen Hinterhof zuzulassen. Die Amis senden Ausbilder und Folterexperten, wie sie es immer getan haben, wenn befreundete Diktatoren um ihre Hilfe riefen, und mit ihrem Equipment und ihrem Know-how ist die bolivianische Armee besser gerüstet als einst die kubanische, die noch gegen Fidels und Ches Truppen unterlegen war. Der entscheidende Unterscheid diesmal ist aber nicht die besser ausgebildete Armee, der entscheidende Unterschied ist die fehlende Unterstützung in der Bevölkerung, und hier nimmt Ches versuchte Revolution eine durchaus tragische Dimension an. Gerade die Leute, die er aus Unterjochung, Elend und Ausbeutung zu befreien versuchte, die Bauern auf dem Land, misstraute n ihm, verrieten ihn. Eine Revolution von Ausländern, so sah man es, war nicht erwünscht – lieber weiter von den Landsleuten unterdrückt werden als von irgendwelchen obskuren Kubanern befreit. So hatte die Armee leichtes Spiel, die Revolutionäre auszukundschaften und schließlich in Hinterhalte zu locken, denn immer fand sich irgendwo ein Bauer, der als Spitzel zu fungieren bereit war. Offenbar war Chef bis zuletzt nicht imstande, die zu erkennen, er war fest entschlossen, die Freiheit auch nach Bolivien zu bringen, egal, ob die Leute dort wirklich befreit werden wollten. Ein eigenartiger Widerspruch, wenn man seine angestrebte Volksnähe in Betracht zieht, die ihn eigentlich rechtzeitig hätte warnen können.

   Vielleicht ist tragisches Scheitern für mich reizvoller als triumphaler Sieg, jedenfalls hat mir dieser zweite Teil sehr viel besser gefallen als der erste. Er ist dichter, spannender, dramatischer, holpert nicht so sehr zwischen verschiedenen Zeitstufen hin und her und hat eine viel intensivere Dramaturgie, weil er einfach bei einer Sache bleibt und sie bis zu ihrem bitteren Schluss begleitet. Die unglaublichen Entbehrungen der Guerillas auf ihrem Irrweg durchs Land, mit Hunger, krankheit, Angst und Streit, werden sehr eindrucksvoll festgehalten, und nie zuvor war eine Revolution wohl so wenig romantisch wie hier. Ein dreckiger, brutaler, verbissener Krieg, in dem schließlich der revolutionäre Überschwang gänzlich verloren geht, weil mörderische Hitze, Lebensmittelknappheit und die Übermacht des Gegners schließlich überwiegen.

 

   Soderberghs sprunghafte Erzählweise ist im zweiten Teil doch etwas konsistenter geraten, die starken Schauspieler und die sehr packende Kameraführung lassen diesen Film doch zu einem sehr eindrucksvollen, bewegenden Dokument eines Idealisten werden, der bis zuletzt, auch noch im Angesicht des sicheren Todes, an seine Sache glaubt. Zusammen genommen sind die beiden Filme schon ein beeindruckendes Projekt, wenn man als Konsument seine Erwartungen anpasst. Wenn nicht, dann werden die unzähligen offenen Fragen und Lücken und Zeitsprünge sehr unbefriedigend bleiben, keine Frage. Keine Frage auch, dass die Vereinnahmung Ches als Posterikone für linke Romantiker ein schlechter historischer Scherz ist – aber das weiß man ja auch nicht erst seit heute. (27.7.)