Hilde von Kai Wessel. BRD, 2008. Heike Makatsch, Dan Stevens, Monica Bleibtreu, Hanns Zischler, Anian Zollner, Trystan Pütter, Roger Cicero, Johanna Gastdorf, Sylvester Groth, Michael Gwisdek
Nein, eigentlich hatte ich ganz und gar nicht vor, diesen Film zu sehen, gehörte Hildegard Knef doch stets zu meinen Lieblingsfeindinnen unter allen teutschen Kultursünderinnen. Aber die Abende im Staatsbad Salzuflen sind eben doch sehr lang, und so trieb mich quasi die Not in den Saal, und ich muss sagen, dass ich‘s nicht mal bereut habe, denn immerhin handelt es sich hier um zwei optisch sehr ansehnlich aufbereitete Stunden jenseits der Frage nach Substanz und Gegenstand.
Das Drehbuch konzentriert sich auf die Jahre 1943 bis 99, die ersten Anfänge der siebzehnjährigen Hilde im Naziberlin bis hin zu ihrem triumphalen Comebackauftritt in der Berliner Philharmonie, die Rückkehr in die Heimatstadt und die Rückkehr in den Schoß der deutschen Öffentlichkeit, die ihren schillerndsten Star bis dato mit seltener Hassliebe abwechselnd gefeiert und verstoßen hatte. Dazwischen: Die unglückliche Liaison mit einem verheirateten Nazi, die Bekanntschaft mit Barlog und vor allem Erich Pommer, der Durchbruch in „Die Mörder sind unter uns“, der viel zu vorteilige Aufbruch nach Hollywood zu Selznick inklusive großer Enttäuschung, das Scheitern der ersten Ehe, die Bekanntschaft mit David Cameron, der legendäre Skandal mit „Die Sünderin“, der Aufbruch in die zweite, diesmal erfolgreiche internationale Karriere, trotzdem das unermüdliche Ringen um die Gunst des heimischen Publikums, dem die Knef ihrerseits auch mit einer Art Hassliebe gegenübersteht. Darum geht es eigentlich im ganzen Film, der die Knef als eine Frau darstellt, die zuallererst immer an sich und ihre Karriere dachte. Von dem nassforschen Backfisch, der bereits unerschütterlich an das eigene Talent glaubt und fast alles für ihr Fortkommen tut, bis hin zur zweifelnden, innerlich zerrissenen und vom kräftezehrenden Jet-Set-Leben gezeichneten Diva geht es scheinbar nur darum, die Erfahrung einer lieblosen Kindheit und einer Mutter, die nie an sie geglaubt hat, auszugleichen, zu überwinden, sich und aller Welt zu zeigen, dass man eine von den Großen ist. Ob mit Schauspielerei oder dem Gesang, zu dem sie erst später fand, nie ließ sie sich gern zu Kompromissen bewegen, nie arbeitete sie gern unter ihren eigenen Ansprüchen, und diese Suche nach dem wahren Ausdruck ihrer Persönlichkeit hat sie letztlich auch immer vorangetrieben, bis sie dann 1966 dem soeben verstorbenen Erich Pommer, der ihr ein väterlicher aber auch kritischer Freund war, endlich eine gültige Version von Hildegard Knef präsentieren konnte.
Wessels Film geht nicht gerade sehr gewagt in die Tiefe, er fördert keine neuen Erkenntnisse zutage und überrascht uns auch nicht mit provokativen Thesen, er bemüht sich wenig brav und bieder um ein diskretes und zugleich angemessen respektvolles Porträt, und das ist ihm, denke ich, auch gelungen. Die Ausstattung ist ausgesprochen professionell und gut gelungen, es gibt ein paar starke Szenen aus der Kriegs- und auch Nachkriegszeit, die zwar in ihrer politischen Position enttäuschend flau sind (Knef als Nazischauspielerin oder nicht?), immerhin aber einen guten Eindruck davon vermitteln, dass das (künstlerische) Leben angesichts des immer näherkommenden Untergang sich langsam aber sicher veränderte und dass auch Hildegard Knef wie alle anderen lange Zeit ums nackte Überleben kämpfen und einige ebenso schlimme wie prägende Erlebnisse verkraften musste. Ihre Männerbekanntschaften dienten offenbar meistens eher dem Mittel zum Zweck, auch Cameron erscheint hier als ein Jüngelchen, der die zaudernde, eitle, launische Gattin des Öfteren vor dem totalen Absturz bewahrt und sie wieder in die Spur bringt. Wahrscheinlich ist es aber zutreffend, dass die Herren in dieser Biographie bestenfalls schmückendes Beiwerk und eher Hilfsmittel auf dem Weg zur Schaffung des Mythos‘ Knef sind – und entsprechend fallen auch die Darstellungen hier aus. Farbiger wirken im Vergleich einige prominent besetzte Nebenrollen (Bleibtreu, Zischler), am farbigsten aber ist natürlich die Hauptrolle, um die sich alles hier dreht, und die Heike Makatsch in der Tat mit bemerkenswertem Engagement gestaltet. Sie bewältigt die Spanne von mehr als zwanzig Jahren glänzend und sehr glaubhaft und überzeugt auch in den verblüffend authentisch nachempfundenen Gesangsaufnahmen. Es ist offenbar, dass sie diese Rolle als den ganz großen Sprung in ihrer eigenen Karriere verstanden hat, und ich finde schon, dass sie ihre Chance genutzt hat.
Alles in allem also ist dies ein recht gelungen und plastisch ausgestaltetes Zeitbild, eine etwas zu einseitig gewichtete und zur Oberflächlichkeit neigende Biographie, immerhin aber mit einer Hauptdarstellerin, die viele Schwächen vergessen lässt und eine enorme Leinwandpräsenz entfaltet. (23.3.)