Avatar (#) von James Cameron. USA, 2009. Sam Worthington, Zoë Saldana, Sigourney Weaver, Stephen Lang, Giovanni Ribisi, Michelle Rodriquez
Dass einer wie Cameron, ein ausgewiesener, grenzenlos selbstverliebter Technofreak also, niemals das Gewöhnliche sucht, sondern immer die ultimative Herausforderung, und dass ihn dabei Fragen nach inhaltlicher Substanz im Zweifelsfall nicht besonders interessieren, das versteht man nach einem kurzen Blick auf sein bisheriges Schaffen. Gewaltige, pompöse Blockbuster wie „Aliens“, „Terminator“ oder „Titanic“ sprechen für sich und dafür, dass der Mann genau weiß, wie und wo das große Geld zu holen ist. Jeder neue Coup muss wie der letzte überhaupt sein, und folglich ist es keine Frage, dass er sich jahrelang in den Computer- und Tüftelbuden vergräbt, um dann mit diesem fast drei Stunden langen Ding herauszurücken, das von vielen wie der Vorbote eines neuen Zeitalters im Kino begrüßt wird, nur sollten sich die Applaudierer mal fragen, was genau sie damit meinen. Sie meinen natürlich die Technik, die, das kann ja wohl keinen überraschen, sich dauernd selbst überholt und die einfach keine Grenzen kennt, und nun, da der 3-D-Boom in voller Blüte steht, kommen Produkte wie „Avatar“ goldrichtig, um alle die zum Schweigen zu bringen, die tatsächlich noch nach einem Inhalt fragen.
Wir tauchen ein in die Welt eines fremden Planeten namens Pandora, wir befinden uns in einer Sci-Fi-Fantasy, wir begleiten Forscher, Geschäftemacher und Marines gleichermaßen auf eine Expedition mit höchst divergierenden Interessen – die einen sind lediglich an den Lebensformen und Mythen der Ureinwohner von Pandora, der Na’vi, interessiert, die anderen hauptsächlich an ihren sagenhaften Bodenschätzen, derer sie sich mit allen Mitteln bemächtigen wollen. Unser Held ist ein an den Rollstuhl gefesselter Ex-Marine, der genau zwischen die Fronten gerät, von beiden Seiten benutzt wird und sich schließlich aus Liebe auf die Seite der großen blauen Na’vi schlägt und mit ihnen gemeinsam den grausamen Eindringling vertreibt, um dann endgültig einer von ihnen zu werden.
Und was im ersten Teil durchaus noch eine konsensfähige Öko-Friedens-Humanismusbotschaft anbahnt, erschlägt selbige nach der Popcornauffüllpause mit bombastisch-martialischem Kriegsgedröhn. Nach der Logik solcher Filme und nach der Logik der international gültigen Kommerzregeln kann ein Film wie dieser gar nicht anders. Kein anderer Weg wäre denkbar gewesen, um den Konflikt zwischen den Menschen und den Na’vi beizulegen, weil auch das Publikum auf die großen Knalleffekte wartet und sich längst daran gewöhnt hat, dass man in Hollywoodfilmen immer für den Frieden kämpfen und töten muss – ganz wie es ihnen ihre Politiker seit Jahrzehnten vormachen. Die streckenweise aufkeimende Poesie, die überirdisch schönen Computerimpressionen der abwechselnd märchenhaften und hübsch gruseligen Flora und Fauna Pandoras, werden zunächst noch effektvoll gekontert von den zynischen, nüchternen Kalkulationen jener, die nur da nach trachten, den neuen Planeten nach allen Regeln des Kapitalismus auszubeuten, und obwohl die gesamte Personenkonstellation natürlich total stereotyp und schematisch angelegt ist, wäre hier mit etwas Glück und gutem Willen Platz für eine zivilisationskritische Vision gewesen. James Cameron ist aber, anders als oben genannter Terry Gilliam beispielsweise, kein Visionär, er ist nur ein Techniker, der seinen ganzen Ehrgeiz in die Erzeugung nie zuvor gesehener Bilder investiert hat. Die sind ihm fraglos gelungen, und das gesamte bebrillte Publikum hockt bisweilen staunend vor der Leinwand, doch wird letztlich der gesamte irrwitzige Aufwand, werden Hunderte von Millionen Dollar hergeschenkt für ein Projekt, das sich am Schluss selbst sabotiert, das absäuft in dem sattsam bekannten und fragwürdigen Heldenpathos (natürlich ist unser Weltenretter ein Amerikaner, was auch sonst...) und dem ebenfalls sattsam bekannten Effekthagel, der jeden alternativen Ansatz wuchtig unter sich begräbt. Ist schon klar – wenn man sich solch ein Machwerk denn überhaupt antun muss, dann nur in 3-D, weil’s wenigstens noch was zu gucken gibt. Ich für meinen Teil sehe allerdings wenig Perspektiven, es sei denn, die Auswahl wird sich deutlich verändern zugunsten von Filmen, die nicht nur was zu zeigen, sondern auch noch was zu sagen haben. Für solch einen Quark wie den hier werde ich jedenfalls keine Brille mehr aufsetzen, das steht mal fest. Aber was tut man nicht alles für die Familie... (17.1.)