The woman in black (Die Frau in Schwarz) von James Watkins. England, 2011. Daniel Radcliffe, Ciarán Hinds, Sophie Stuckey, Roger Allam, Emma Shorey, Molly Harmon, Jessica Raine
Die einst allseits populäre Trademark Hammer stand ab Mitte der 50er bis in die 70er für soliden, etwas trashigen, derben Horror reinster britischer Prägung, bunt, blutig und dennoch mit einem gewissen Stil und Charme. Irgendwann war dann Schluss, und plötzlich gibt es Hammer Horror wieder, und zwar gottseisgedankt nicht als zynische Gewaltorgien, sondern in elegantem Old-School-Gewand. Zugleich Hommage und respektvolle Fortführung der guten Tradition, dezent modernisiert im Zuge weiterentwickelter technischer Möglichkeiten, ein bewusstes Spiel mit Klischees und Genreelementen, und wenn das gekonnt gemacht wird, ist es noch immer ein schöner Spaß.
Was könnte sich besser für solche Zwecke eignen, als eine gute alte Spukhausgeschichte? Ein entlegenes Dorf am Rande der Welt, ein großes, geheimnisumwittertes Herrenhaus draußen in der Marsch, umschlossen von Meer und Moor, ein dunkler Fluch, der seit langen Jahren auf den Dorfbewohnern lastet, ein finsteres Tabu, das der arglose Fremde, der nur in einer juristischen Angelegenheit aus der fernen Stadt hier herauskommt, nicht durchschaut, auch nicht, als sich bedrohliche Ereignisse auftürmen. Ominöse Warnungen, düstere Drohungen, Begegnungen mit allerlei (selbst für britische Verhältnisse) sehr merkwürdigen Menschen, und schließlich der erste Besuch in Eel Marsh House, der eine fatale Reihe von Ereignissen in Gang setzt, die leider für unseren Helden kein gutes Ende bereithalten.
Kennt man alles, hat man alles schon mehrfach gesehen, und gerade in dem Umgang mit der eigenen Erwartung und dem, was dann daraus gemacht wird, liegt das Vergnügen solcher Filme. Der erfindet das Pulver weißgott nicht neu, will er auch gar nicht, und muss er auch gar nicht. Im Gegenteil ist der Zuschauer eigentlich erst dann so richtig zufrieden, wenn alles so kommt, wie er es vorausgesehen hat: Die knarrenden Türen, die wehenden Vorhänge, die langen, dunklen Zimmerfluchten, die jäh auftauchenden Visionen toter, verunstalteter Kinder, die sich verdichtenden Hinweise auf ein böses Schicksal, das bis in die Gegenwart weiter wirkt. Jeder Effekt sitzt präzis an seinem Platz, kommt genau zum erwarteten Zeitpunkt, und dennoch kreischen die Girls und die harten Jungs fahren in ihren Sitzen hoch, als würden sie’s zum ersten Mal erleben. Das macht eben deshalb soviel Spaß, weil hier nicht Blut und Gedärme über die Leinwand schwappen, sondern weil der Film schön bei seinen Leisten bleibt und nicht mehr und nicht weniger erzählt als eine schön klassische Spukgeschichte. Kamera, Ausstattung, Ton, Licht, alles ist wunderbar aufeinander abgestimmt, Spezialeffekte kommen recht dezent daher, und alles in allem könnte man mit ein wenig Großzügigkeit fast vermuten, dass die letzten fünfzig Jahre spurlos am Hammer Horror vorübergegangen sind. Was in diesem Fall, jedenfalls soweit es mich betrifft, keineswegs eine Bankrotterklärung ist, sondern eine erleichterte Feststellung. Feststellen ließe sich vielleicht auch, dass Daniel Radcliffe sich wirklich sehr beachtlich darum bemüht, aus dem großen großen Schatten herauszutreten, und er macht seine Sache auch richtig gut. Es liegt zweifellos am Kinogänger selbst, dass der Gute wohl noch ein bis zwei Filme dranhängen muss, bis man nicht mehr die Narbe auf seiner Stirn sucht und darauf wartet, dass jeden Moment Ron und Hermine die Leinwand stürmen. Einen denkbar guten Anfang hat er auf jeden Fall gemacht, und ich hätte bestimmt Spaß an weiteren Hammer-Filmen, sofern sie denn auch so gelungen und stilsicher sind wie dieser. (1.4.)