Deux jours à New York (Zwei Tage in N.Y.) von Julie Delpy. Frankreich/USA, 2012. Julie Delpy, Chris Rock, Albert Delpy, Aleksia Landeau, Alex Nahon

   Vor fünf Jahren konfrontierte Julie Delpy ihren damaligen amerikanischen Freund mit ihrer wüsten Familie in Paris und beschwor damit einen sehr authentischen Kulturschock herauf. Diesmal schickt sie ihre wüste Familie nach New York, um ihren aktuellen amerikanischen Freund noch intensiver zu peinigen. Sie lebt als Fotografin in NYC, hat ihre erste große Ausstellung, und zur „Feier“ des Tages reist Papa samt Schwesterchen und deren Freund an, belagert die Wohnung von Marion und Mingus und richtet in nur zwei Tagen mehr Unheil an, als sich vorstellen lässt, allerdings unter Marions tatkräftiger Mithilfe – denn sie gehört schließlich auch dazu. Die nymphomane Schwester, der debile, kiffende Freund, dazu der Vater, der sich sowieso jeglicher Beschreibung entzieht, und dazu dann eine waschechte New Yorker Stadtneurotikerpatchworkfamilie, das alles wird erneut zu einer sehr temperamentvollen transatlantischen Mixtur verarbeitet, die nur im Gegensatz zu ihrem Vorgänger besser über die gesamte Spieldauer kommt. Delpy greift auf bewährte Mittel zurück – sehr viel Tempo, sehr viel Turbulenz, sehr viel Frivolität, sehr viel kulturelle Stereotypen, die lustvoll durch den Kakao gezogen werden, wobei Delpy sichtlich Spaß daran hat, „typisch“ französische Marotten aufs Korn zu nehmen. Die Anleihen bei Woody Allen sind geblieben, im Vergleich zum Parisfilm eher noch intensiviert, etwas eigentlich nicht überrascht, denn dieser Film spielt ganz auf Woody-Allen-Gebiet, und genau wie Allen mischt Delpy gekonnt ihre Hommage an die Stadt an sich mit einer Hommage an ihre schrägen Einwohner. Dass sie dabei auch vor vermeintlich platten Gags nicht halt macht, sehe ich nicht als Geschmacksentgleisung, sondern als bewusstes Stilmittel, und im Grunde wäre es mir auch egal, denn es bringt einfach viel Spaß mit sich. Der hilflos um Freundlichkeit und einigermaßen erhaltene Ordnung bemühte Mingus ist rettungslos verloren in dem Chaos, das die Frogs über ihn bringen, und zu seiner zunehmenden Verunsicherung muss er feststellen, dass sich seine wunderbare Freundin Marion unter dem Einfluss ihrer Familie auf beunruhigende Weise zu verändern beginnt und vielleicht erst jetzt ihr wahres Gesicht zeigt. Alle kriegen ihr Fett ab – die spießigen Nachbarn, der versnobte Kunstbetrieb, und auch Vincent Gallo, der sich Marions Seele für fünftausend Dollar gekauft hat. Dies alles geht in rasantem Tempo vor sich, und vor allem muss man den Film dringend im Original ansehen, denn gerade auf sprachlicher Ebene ist hier einiges los und das muss man einfach hören. Alle Beteiligte sind mit sehr viel Spaß und vollem Einsatz bei der Sache, und wer das hier irgendwie ernst nimmt oder gar als seriösen Beitrag zur Völkerverständigung begreift, der hat den Schuss nicht gehört und kann gern weiter für den epd schreiben... (20.6.)