Skyfall von Sam Mendes. England, 2012. Daniel Craig, Judi Dench, Javier Bardem, Naomi Harris, Ralph Fiennes, Bérénice Marlohe, Albert Finney, Ben Wishaw
Hier haben wir also Nummer 23 zum 50. Dienstjubiläum des prominentesten Agenten Seiner Majestät. Diesmal hat er es mit einem irren Ex-Kollegen zu tun, der es auf seine Chefin M persönlich abgesehen hat und weder Kosten noch Mühen scheut, seine Rechnung mit der alten Dame zu begleichen. Schauplätze der turbulenten Ereignisse sind Istanbul, Shanghai, Macau, London und die schottischen Highlands, wo sich das Finale in Bonds Elternhaus zuträgt. Die Gegenwart des alten Verwalters sorgt dafür, dass wir Details aus Bonds Biografie zu Gehör kriegen und erfahren, dass 007 wirklich mal ein Mensch gewesen ist.
Aus Daniel Craigs Performance geht selbiges nämlich nicht hervor, denn so wie er ihn in diesem Film spielt, ist Bond nicht mehr als eine verbrauchte, auch innerlich erschöpfte Kampfmaschine, die so recht nicht mehr in die moderne Welt (sprich die Welt nach dem Kalten Krieg) passen will. Vielleicht liegt ein Konzept dahinter und die Figur wurde diesmal bewusst so ausgebrannt und fahl angelegt, auf jeden Fall ist dieser Bond mit Leichtigkeit der uncharmanteste, uncharismatischste Bond aller Zeiten und kein Vergleich mit dem aufregend coolen Supermacho, den Craig noch in den vorangegangenen Werken verkörperte. Natürlich quält er sich mit steinerner Miene routiniert durch allerhand abenteuerliche Stunts und haarsträubende Actionsequenzen, doch irgendwie kommt er als Persönlichkeit diesmal nicht wirklich rüber. Selbst die Girls werden ohne sichtbare Beteiligung abgewickelt. Wie gesagt – entweder er selbst hat schon die Lust verloren, oder es steckt eine Absicht hinter der matten Vorstellung.
Um ihn herum aber ist alles in bester Ordnung, im Gegenteil würde ich sogar sagen, dass dies einer der interessantesten und spannendsten Bondfilme geworden ist. Der besessene, wahnsinnige Rächer, also angenehmerweise kein Spinner, der nach der Weltherrschaft trachtet, ist ein furchterregender Gegner (erst recht, wenn Javier Bardem ihn darstellt), die Schauplätze werden äußerst attraktiv in Szene gesetzt, die Kampf- und Jagdszenen sind gut dosiert und erwartungsgemäß state of the art, und M erhält nicht nur Gelegenheit, sich wirklichwürdevoll aus der Serie zu verabschieden (die großartige Judi Dench, ihrerseits schon hoch in den Siebzigern, hat dies nach sieben starken Auftritten wahrhaftig verdient!), sondern sie darf sich auch ausführlicher Gedanken machen, ob die Welt, in der sie und Bond leben, überhaupt noch kompatibel ist mit der übrigen Welt da draußen, oder ob die Zeit nicht vielleicht doch über sie als Relikte alter Anschauungen und Ideologien einfach hinweggefahren ist. Mehr noch muss sie sich weiterhin fragen lassen, ob sie im Laufe ihrer Karriere nicht doch einen Haufen Agenten aus kaltem Kalkül geopfert hat und ob die Sache, der man damit vermeintlich diente, diese Opfer wirklich wert war. Also ein Bondfilm, der sich um überdurchschnittlich viel Tiefgang bemüht und dies auch ganz gut rüberbringt, was natürlich auch dem Regisseur Sam Mendes zu verdanken ist, der sich mit Tiefgang bekanntlich auskennt. Und dem es gut gelingt, einen weiten Spagat zu schaffen zwischen Reflexionen über Gegenwart und Zukunft und einer schönen und liebevollen Hommage an 50 Jahre Bond. So darf der gute alte Q wieder auferstehen - diesmal in Gestalt des bleichen Nerds Ben Wishaw, ein wahrlich skurriler Partner für den erdigen Craig -, der gute alte Aston Martin kommt, begleitet von dem alten Musikthema, ebenfalls noch einmal zum Zuge– um am Schluss dann vermutlich endgültig geschrottet zu werden -, und die gute alte Moneypenny erhält eine Frischzellenkur und darf wiederauferstehen als sexy schwarze Lady, die uns hoffentlich noch ein paar Filme lang erhalten bleibt. Hinzu kommt Lord Voldemort, der Ms Nachfolge antreten wird (anscheinend bindet sich Herr Fiennes gern an solche Franchiseunternehmen), und die am Ende kernig ausgesprochene Entschlossenheit Bonds, jetzt wieder richtig loslegen zu wollen. Also war dies vielleicht nur ein privates Zwischentief für einen Agenten in der (Sinn-)Krise (ist ja auch nicht leicht, ein zweites Mal seine Mutter zu verlieren...) und wir dürfen künftig wieder auf einen aktiveren und virileren 007 hoffen. Gern auch einen, der seine Abgründe und Zweifel offenbart, aber eben bitte wieder einen, der auch ein bisschen als überlebensgroßer, zeitloser Held zu uns rüberkommt.
Ansonsten lebt die Reihe noch, obwohl die Abstände zwischen den Filmen immer mal mehrere Jahre betragen. Sie lebt vom Spiel mit bekannten und vertrauten Zutaten und Motiven und ihrer kontinuierlichen Modernisierung. Wenn das weiterhin so gut klappt wie diesmal, kann man auf Film Nummer 24 gespannt sein. (17.1.)