La migliore offerta (The best offer) von Giuseppe Tornatore. Italien, 2012. Geoffrey Rush, Sylvia Hoeks, Jim Sturgess, Donald Sutherland, Philip Jackson

   Signore Tornatore hat mit diesem Film offenbar versucht, wenigstens in Ansätzen an seinen fabelhaften Thriller „Die Unbekannte“ anzuknüpfen. Er hat zwar (gottseidank, vielleicht) die ruppigen Gewaltausbrüche weggelassen und sich auch sonst auf deutlich friedlicheres Terrain begeben, er hat aber wieder zu jenem dunklen, ominösen Tonfall zurückgefunden, der auch „Die Unbekannte“ von Tornatores sonstigen Kitschopern angenehm unterschied. Obwohl er den Herrn Morricone und seine teilweise allzu dominante Musik leider nicht immer ganz im Griff hat...

   In zwei langsam und bedächtig dahinfließenden Stunden erzählt der Film die Geschichte des alternden Kunstauktionators Virgil, der alles von Kunst und nichts von Frauen versteht und der sich deshalb eine imposante geheime Galerie randvoll mit Frauenporträts eingerichtet hat, um die schönen Damen wenigstens aus der Ferne zu bewundern. Einen Großteil der Werkle hat er sich in Zusammenarbeit mit seinem alten Kumpel Billy beschafft, der bei Auktionen gezielt mitgeboten und in Virgils Diensten so manches Schnäppchen gemacht hat. Billy hatte einst auch Ambitionen als Maler, wurde von Virgil aber stets gering geschätzt, und vielleicht war es verletzte Eitelkeit oder auch nur blanke Gier, die Billy letztlich dazu bewog, den Freund in ganz großem Stil zu betrügen und ihn um die riesige Gemäldesammlung zu bringen. Hierzu bedient er sich einer rätselhaften, schönen jungen Frau, die Virgils Interesse weckt, indem sie zum einen den Hausstand ihrer verstorbene Eltern schätzen lässt und zum anderen vorgibt, an Agoraphobie zu leiden und sich zunächst in einem verschlossenen Raum abkapselt. Virgil fängt natürlich richtig Feuer und lässt sich von dem jungen Bastler Robert beraten, der bei Frauen den ganz großen Schlag hat. Als wir Zuschauer bereits ahnen (und uns auch wünschen), dass die sich entwickelnde Liebesgeschichte kaum einfach so weiterlaufen kann, arbeitet Virgil eifrig daran, die junge Geliebte von der Platzangst zu heilen, und bis zuletzt kommt ihm überhaupt kein Verdacht, weswegen er total ahnungslos in die gähnend leere Schatzkammer stolpert und diesen Schock nicht überwinden kann.

   Dieser Twist gegen Ende des Films  gibt dem Ganzen den dringend notwendigen Schuss Originalität, denn bis dahin hatte sich bestenfalls eine sehr gekonnt inszenierte und gespielte, aber kaum überraschende Romanze mit leicht mysteriösen Untertönen abgespielt. Samtig dunkel, weich und intensiv gleitet die Erzählung dahin, taucht tief in die Welt der Kunsthändler und –kenner ein und bezieht eine besonders reizvolle Spannung aus der fast spukhausähnlichen Atmosphäre in Claires Elternhaus, einem großen Stadtpalast, den Tornatore nie so klar verortet (wie er überhaupt die ganze Geschichte nicht eindeutig verortet, mit Ausnahme der letzten Szenen in Prag), und der uns wie Virgil zunächst auf die falsche Spur lenkt, denn lange denkt man, es gehe tatsächlich nur darum, eine isolierte, traumatisierte junge Frau wieder ans Tageslicht zu holen. Wie erwähnt sagen uns unsere Erfahrung und auch unsere Erwartung, dass es ganz so einfach sicher nicht werden wird, doch mit einer solch teuflischen Intrige, wie sie sich schlussendlich abzeichnet, hat wohl doch kaum jemand rechnen können, am wenigsten der arme Virgil selbst, ein zutiefst erschütterter, ins Mark getroffener Mann, der unversehens die Liebe findet, als er schon längst jede Hoffnung darauf aufgegeben hat und der dann doch Opfer eines perfiden Betrugs wird. Und das auch noch durch seinen vermeintlich besten Freund! Die Demütigung macht aus ihm einen gebrochenen Mann, der sich in ein Café in Prag setzt und auf seine Claire wartet, denn die hatte ihm einst erzählt, dass dies für sie ein besonderer Ort war. Lug und Trug wahrscheinlich wie alles andere, was sie ihm erzählt hat, doch er scheint entschlossen zu sein, sich an diese Geschichte zu klammern, weil er auch nicht weiß, wo er sonst suchen sollte. Wie Gespenster sind Claire, Robert und Billy aus seinem Leben verschwunden, haben sich urplötzlich in Luft aufgelöst, und lassen ihn konsterniert, paralysiert zurück.

 

   Tornatore macht das äußerst stilvoll, elegant und mit ruhiger Hand, er lässt sich sehr viel Zeit und kriegt unsere Aufmerksamkeit am Schluss doch wieder vollständig zu fassen. Gemeinsam mit den herausragend intensiven Bildern beeindrucken die Hauptdarsteller, vor allem Geoffrey Rush hat mal wieder reichlich Gelegenheit, sein Faible für etwas skurrile und sperrige Charaktere auszuspielen, und er gestaltet sowohl den eitlen und egozentrischen Kultursnob als auch den selbstlos und selbstvergessen Liebenden gleichermaßen überzeugend, was in diesem Fall besonders wichtig ist, da man gerade ihm die Wandlung des Virgil unbedingt abnehmen und ihm folgen muss, sonst verliert die finale Pointe maßgeblich an Wirkung. Aber gerade weil Rush so stark ist, wirkt auch das Ende so stark und damit der Film insgesamt. Ein schönes, eigenwilliges Drama, das seine Untiefen clever dosiert und sie erst dann so richtig ausspielt, als man fast schon nicht mehr damit rechnet. Ich mag diese hypnotisch ruhigen Filme sowieso gern, und im Falle Tornatores sind sie mir allemal lieber als all seine bunten, sentimentalen Folklorestücke, die er uns gewöhnlich um die Ohren haut. (27.3.)