The broken circle breakdown von Felix van Groeningen. Belgien/Niederlande, 2012. Johan Heldenberg, Veerle Baetens, Nell Cattrysse, Geert van Rampelberg, Nils de Caster, Robby Cleiren, Bert Huysentruyt, Jan Bijvoet

   Nochmal Familie und Liebe und Tod und das Leben als Schlachtfeld und überhaupt – allerdings auf einem ganz anderen Energielevel als der deutsche Vertreter von vorhin! Wem diese total erschütternde und ebenso mitreißende Tragödie nicht das Herz bricht, der hat wirklich keins. Egal, ob man den ganz großen Gefühlen normalerweise mit respektvoller Distanz gegenübersteht (wie ich zum Beispiel), oder ob man auch nicht grad ein groooßer Countryfan ist (wie ich zum Beispiel), dies ist einfach ganz großes, bewegendes und beeindruckendes Kino, das man mal über sich ergehen lassen kann, aber wahrscheinlich auch nicht allzu oft und in jeder Verfassung.

   Die Liebe von Elise und Didier – sie eine Tattoostecherin, er ein Banjospieler und Bluegrassfanatiker – ist eine tolle Sache, erst recht als sie in seiner Band als Sängerin und Blickfang einsteigt. Als sie ihm eröffnet, schwanger zu sein, braucht er nur einen kurzem Moment, um das zu verdauen, aber dann ist wieder alles gut, erst recht, als die kleine Maybelle auf die Welt kommt. Dann aber, als sie sechs ist oder so, kommen Müdigkeit, Zahnfleischbluten, blaue Flecke, und bald die Diagnose: Krebs. Es folgen Chemos, Stammzellenkur, das ganze schreckliche Programm, und nichts kann sie retten. Sie stirbt, Elise schließt sich in ihrer Trauer ein, Didier steigert sich in Zorn auf konservative Fundamentalisten wie George W., die jahrelang die Stammzellenforschung boykottierten und seiner Meinung nach dafür verantwortlich sind, dass die Forschung noch nicht weit genug war, um seiner Tochter zum Leben zu verhelfen. Unaufhaltsam entfernen sie sich, verzetteln sich in Auseinandersetzungen, versuchen sich zu arrangieren, doch schließlich verlässt sie das Haus und damit auch ihn. Seine Versuche, sie zurückzuholen, scheitern, zumal er selbst viel zu dünnhäutig und instabil ist. Sie schluckt schließlich Tabletten, er findet sie, doch im Krankenhaus ist sie bereits hirntot, und so versammelt sich die Band um ihr Bett, um ihr ein letztes Ständchen zu spielen.

   Harter Stoff, wie man sieht, mit maximalem Einsatz und größtmöglicher Intensität umgesetzt, dabei nie auf billige Effekte angewiesen, sondern immer schön direkt und mit sehr viel Gefühl. Die zerschossene Chronologie stürzt uns zusätzlich in ein echtes Wechselbad, reiht Momente schieren Glücks und purer Lebenslust an Momente größter Verzweiflung und unendlicher Traurigkeit. Fast schon grausam. Der Kampf des kleinen Mädchens gegen den Krebs geht furchtbar an die Nieren, ebenso die Versuche der beiden Eltern, irgendwie tapfer und optimistisch zu bleiben, wo doch der zerschundene, kraftlose schmale Körper schon eine andere Sprache spricht. Da kann es fast nicht ausbleiben, dass Elise und Didier nicht immer an einem Strang ziehen, ihre Emotionen unter Kontrolle haben, und auch der Bruch nach Maybelles Tod kommt nicht ganz unerwartet. Tja, und zwischendurch gibt’s dann noch Musik, und selbst einer wie ich, der wie erwähnt nicht grad der größte Countryfan unter der Sonne ist, kann sich der Magie und Schönheit der alten Melodien und des makellosen Duettgesangs nur schwer entziehen, zumal die Songs manchmal ganz linear zur jeweiligen Lebenslage passen und sie dann auch wieder völlig konterkarieren. Das ist schon stark, das ist auch stark gesungen und gespielt von den Beteiligten und kommt mit voller Kraft zu uns rüber, mal ergreifend und mal mitreißend, so wie der gesamte Film.

 

   Die beiden Hauptdarsteller sind umwerfend, sie bringen hier alles ein, was man einbringen kann, kehren ihr Inneres nach außen und sorgen maßgeblich dafür, dass einem der Film so nahe geht. Auch das kleine Mädchen möchte ich dabei nicht ausnehmen – es ist großartig, wie sie diese enorm schwierige und sicherlich nicht unbelastende Rolle meistert. Das ist mal belgisches Kino von einer ganz anderen Sorte – weder herb und sperrig, noch schräg oder abstrus, sondern tatsächlich mal so, dass es mir dieses komische Land mal wieder ein wenig näher bringt, was ich von den meisten anderen Werken nicht behaupten könnte. Ein in jeder Hinsicht äußerst intensives Kinoerlebnis – ja, und dann kann ruhig auch mal wieder was leichteres kommen... (30.4.)