Banklady von Christian Alvart. BRD, 2013. Nadeshda Brennicke, Charly Hübner, Andreas Schmidt, Ken Duken, Henny Reents, Heinz Hoenig, Nils-Bruno Schmidt

   Die Banklady hieß in Wahrheit Gisela Werler, gilt als die erste deutsche Bankräuberin und verübte gemeinsam mit ihrem späteren Ehemann Herrmann Wittorf ab Mitte der 60er im Hamburger Raum knapp 20 Banküberfälle. Ihr letzter, zugleich größter Coup in Bad Segeberg ist dann der, an dem sie sich verschlucken. Sie werden verhaftet, verurteilt, heiraten jedoch im Knast und bleiben bis an ihr Lebensende ein Paar.

   Eine sehr amüsante und originelle Genrespielart, einerseits sehr im Hollywoodmodus (so ein bisschen „Bonnie and Clyde“ auf norddeutsch), andererseits aber total auf bundesdeutsche Verhältnisse und Realitäten in den Swinging Sixties zugeschnitten. Es wird vor allem von Beginn an deutlich, dass diese Sixties alles andere als swinging waren, sondern eng, fad, spießig bis unters Dach und vollkommen unsexy. Gisela ist ein Prototyp dieser Zeit, ein verhuschtes, farbloses Fräulein, das in der Altonaer Tapetenfabrik an einer großen Maschine hockt und von anderen, besseren Zeiten träumt. Ihr Freund Uwe wird platonisch auf Distanz gehalten, und ein Draufgänger ist er ohnedies nicht. Immerhin stellt er ihr eines Abends „Peter“ vor (also eigentlich Herrmann), und der fesche, smarte Bursche, in allem so ganz das Gegenteil des braven Uwe, erobert ihr Herz im Sturm. Ihre Besessenheit für ihn treibt sie dazu an, mit ihm auf Raubzüge zu gehen, wird aber zugleich zum größten Problem, denn sie ignoriert seine Forderung, besonnen und vernünftig auf Abstand zu gehen, will immer mehr, will ihn ganz für sich, will ihm nicht mehr von der Seite, und als sie herausbekommt, dass er Frau und Kind hat, ist die Katastrophe da, sie rastet aus, spielt Harakiri und schert sich fortan um nichts mehr. Merke also: Als professioneller Bankräuber, ganz wichtig: Finger wech von die Weiber…

   Die ironische und dabei durchaus nicht zu nostalgische Hommage an die Sixties wird komplettiert durch hinreißend authentische Dekors, lustige Trasheinlagen mit schlampigen Rückpros (bei Autofahrten vorzugsweise), cool gestylte Splitscreensequenzen à la „Bullitt“ oder so, für meinen Geschmack leider viel zu wenig Epochenmusik, dafür aber jede Menge Muff im Geiste, der die unmittelbare Nähe der Nachkriegszeit, der totalen Restauration im Sine des Wirtschaftswunders in sich trägt. Alle beteiligten Personen sind Produkte und Opfer dieses Muffs, mit ihren naiven, kleinbürgerlichen, engstirnigen Träumen, ihrer Sehnsucht nach Freiheit (sprich Italien) oder auch ihrer Sehnsucht nach Ruhm und Bestätigung in Person des fanatisch verbissenen Polizisten Fischer, der sich an die Fersen der Banklady heftet und nicht ruht, bis er sie medienwirksam in Handschellen präsentieren kann wie ein Jäger seine Beute. Dann gibt‘s noch einen wüsten Shootout am Fehmaraner Südstrand (sic!), verwegene Hetzjagden über flaches Land im VW Käfer und anderen pfeilschnellen Karossen, Anklänge einer waschechten und letztlich auch fatalen Amour Fou und die wehmütige Erinnerung an eine herrlich unschuldige Zeit, die noch nicht mal Alarmanlagen, Handys, Internetfahndung oder ähnliches kannte.

 

   Christian Alvart hat dankenswerterweise seinem sonst häufiger gezeigten Hang zu Effekthascherei entsagt und einen sehr stilsicheren, perfekt getimten und strukturierten Film gemacht, der durch die tollen Darsteller und die gekonnt balancierte Mischung aus Spannung, Emotion und Ironie besticht. Mal was Neues aus hiesigen Gefilden - ein echter schöner Gangsterfilm, der uns nicht gleich kübelweise Blut übern Frack kippt. Und dafür allein kann man ja schon dankbar sein. (2.4.)