Maps to the stars von David Cronenberg. Kanada/USA, 2014. Julianne Moore, Mia Wasikowska, Evan Bird, John Cusack, Olivia Williams, Sarah Gadon, Robert Pattinson

   Hollywood Babylon in der Version Cronenberg. Die Diagnose indes hört sich anno 2014 fast genauso an wie 50 Jahre zuvor in Kenneth Angers berüchtigter Skandalchronik. Demnach tummeln sich in Hollywood noch immer Egozentriker, Neurotiker, Soziopathen, Psychopathen, die Themen sind nach wie vor dieselben: Ruhm, Sex, Drogen, Geld. Und sonst? Hat sich vielleicht das Outfit geändert, sind die Nachtschwärmer zehn Jahre jünger geworden, ihr Jargon noch ordinärer, haben sich Sounds und Drogen sicherlich gewandelt, aber in der Essenz ist die Bestandsaufnahme noch genauso trostlos und ernüchternd wie eh und je. Die Traumfabrik ist ein Alptraum, gespeist von Lügen, Mythen und maßloser Gier nach maßlos viel Geld, die Szene wird beherrscht von Kurzlebigkeit, Oberflächlichkeit, Missgunst und Exzessen. Hollywood Babylon halt.

   Auf das schrille Familiendrama, die Cronenberg hier entfesselt, wäre Anger sicherlich stolz gewesen: Die Eheleute Weiss, Eltern zweier Kinder, erfahren erst lang nach deren Geburt, dass sie in Wahrheit Geschwister sind, die lediglich sehr jung getrennt worden waren. Entsprechend monströs geraten die Sprösslinge: Agatha legt Feuer, fügt sich selbst schwere Verbrennungen zu und wird für lange Zeit aus dem Verkehr gezogen. Ihr jüngerer Bruder Benjie wird zum angesagten Kinderstar, bezahlt für den Ruhm allerdings einen hohen Preis, denn er wird auch ein widerwärtiges, drogensüchtiges, verzogenes Arschloch. Als Agatha eines Tages wieder in LA auftaucht, geraten die Eltern in Panik, dass sie wieder irgendwas Mörderisches aushecken könnte. Sie findet einen Job bei einer Filmdiva, die darum kämpft, weiter lukrative Rollen zu ergattern und die außerdem gegen ein dunkles Kindheitstrauma kämpft – sie war von ihrer Mutter jahrelang missbraucht worden, bevor diese bei einem Feuer starb und nun begegnet sie ihr andauernd in schrecklichen Visionen, die sich zunehmend über den Alltag decken. Von ähnlichen Bildern wird auch Benjie heimgesucht, und folglich haben wir hier schon zwei, die mächtig Probleme haben, auch nur halbwegs im Alltag klarzukommen. Aber auch Agatha driftet wieder zunehmend ab, und so kommt es zuletzt erwartungsgemäß zur Katastrophe, Hass und Destruktivität brechen offen durch, die Diva kriegt ihren Schädel eingeschlagen und Agatha vollendet doch noch das Werk, das sie vor Jahren nicht glückte – sie tötet sich und ihren Bruder, und die beiden haben endlich ihre Ruhe.

 

   Wie zumindest zu erhoffen war, geht Cronenberg mit grimmiger Gründlichkeit zu Werke, und so entstand ein kalt schimmerndes Satireporträt, alles andere als eine liebevoll-ironische Hommage, wie man sie sonst kennt, sondern eher Psychohorror der fiesen Sorte. Alle hier sind auch Opfer, das ist uns irgendwie schon klar, doch vor allem sind sie Monstren, selbstsüchtige, intrigante, zynische, grausame Biester, die stets und ständig um die Fassade ringen, um den Status, und der ist immer in Gefahr, das Eis ist extrem dünn. Zwischen Verletzlichkeit und Berechnung schwanken sie, und wenn es um den eigenen Vorteil geht, ist ihnen nicht mehr viel heilig. Diese Mischpoke entlarvt sich selbst in ihrer Hohlheit, ihrer Konsumgier, ihrer Dauersucht, und Cronenberg müsste eigentlich nicht mehr tun, als die Leute dabei abzufilmen, wie sie miteinander reden. Gottseidank tut er aber doch mehr, und so ist ein hübsch gemeines, abgründiges, scheußliches Vergnügen draus geworden, das uns schaudern lässt und zugleich gekonnt amüsiert. Ein paar taktisch gezielt plazierte Spitzen, ein paar kleine Gruselattacken, die eine oder andere Polemik, ein wenig hämisches Name dropping und dazu eine Riege exquisiter Schauspieler, die dem kühlen Blick des Regisseurs ein wenig Menschlichkeit mitgeben sorgen für fröstelige, gekonnt gestylte Unterhaltung, sie locker darüber hinwegsehen lässt, dass man dies alles in der einen oder anderen Weise bestimmt schon gesehen hat. Oder wenigstens so ähnlich. Klar kann man sich fragen, ob Hollywoodsatiren heute überhaupt noch Sinn machen, ob die „Traumfabrik“ überhaupt noch ein relevantes Ziel darstellt, und ich persönlich kann mir eine Menge relevantere Ziele vorstellen. Doch was soll’s – Cronenberg ist fraglos noch immer ein Könner seines Fachs, der jetzt nach zwei schwächeren Filmen wieder ganz gut zu sich zurückgefunden hat, und wenn es auf diese Weise geschehen soll, dann ist das in Ordnung. Was sein Werk im Ganzen angeht, werde ich mich sicherlich eher an andere Filme erinnern, doch ein richtig schön böses Kabinettstückchen ist ihm hier allemal gelungen, und so wie er kriegt das beileibe nicht jeder hin. (24.9.)