Fences von Denzel Washington. USA, 2016. Denzel Washington, Viola Davis, Jovan Adepo, Stephen Henderson, Russell Hornsby, Mykelti Williamson, Saniyya Sidney
Keine Frage, Denzel Washington ist ein toller Typ, ein toller Schauspieler, dem es (fast) immer gelungen ist, auch die weniger glorreichen seiner Filme irgendwie noch sehenswert zu machen. Also (fast) immer in guter Grund, seinetwegen ins Kino zu gehen. Diesmal nicht, muss ich ganz ehrlich sagen, diesmal war‘s zuviel des Guten, und das hat mich besonders enttäuscht, denn ich hatte einiges erwartet von seinem Film, den er ja auch noch selbst inszeniert hat. Und zwar nach einem Theaterstück (der Autor, August Wilson, hat auch das Drehbuch verfasst), und genau hier liegt diesmal der Hund begraben. Ich fühlte mich jäh zurückversetzt in irgendeine Theaterverfilmung der 50er Jahre, Tennessee Williams, Arthur Miller, mit typisch amerikanischen Themen und typisch amerikanischem Pathos, und da können einhundertvierzig Minuten schon mal lang werden. Die grundsätzliche Absicht, den ganz alltäglichen Rassismus Amerikas in seinen vielschichtigen Konsequenzen anhand einer einzigen Familie zu demonstrieren, ist ja vollkommen okay und ehrt den Film an sich, aber ich kann mir nicht helfen, ich finde „Fences“ vor allem anstrengend – seeeehr anstrengend!
Troy ist Müllmann in Pittsburgh in den mittleren 50ern. Er hat ein eigenes Haus, das er mit der Entschädigung seines im Krieg schwer verletzten Bruders Gabriel erworben hat, eine Ehefrau, Rose, einen gemeinsam Sohn, Cory und einen Sohn aus früheren Zeiten Lyons. Und einen besten Kumpel, Bono, mit dem er nach Feierabend einen trinken geht, der bei ihm noch im kleinen Garten hinterm Haus abhängt, eine Männerfreundschaft eben. Und er hat eine lebhafte Vergangenheit inklusive einer fünfzehnjährigen Haftstrafe wegen Raubes und einer gescheiterten Baseballkarriere danach. Er ist angefüllt mit Wut und Verbitterung, hat zu oft erlebt, dass ihm seien Hautfarbe den Zugang zur weißen Gesellschaft und zu den Chancen dieser weißen Gesellschaft versperrt, und hat sich nun eine verbissene Das-Leben-ist-ein-Kampf-Mentalität, die er seiner Familie gnadenlos überstülpt. Lyons ist Musiker, geht ihn regelmäßig um kleine Geldbeträge an und wird jedesmal mit einer väterlichen Predigt beglückt. Cory möchte Baseballspieler werden, statt sich um Schule und Job zu kümmern wird ebenfalls ständig mit väterlichen Predigten beglückt. Und Rose wird wochenends oben im Schlafzimmer bestiegen und ist ihrem Troy eine treue, starke Ehefrau.
Nicht weniger als vier Konfliktthemen werden hier verfolgt: Erstens das Schicksal Gabriels, eines typisch vernachlässigten Veteranen, um den sich die Gesellschaft nicht kümmert, der auf eigenen Wunsch eine eigene Wohnung hat und lärmend durchs Viertel streift, bis er schlussendlich doch versehentlich in einer geschlossenen Anstalt landet, weil Troy, der des Lesens nicht mächtig ist, irrtümlich seine Unterschrift unter einen faulen Deal setzt. Als zweites Troys Ziel, als erster Afroamerikaner Müllfahrer werden zu dürfen und die Rassenschranken wenigstens auf diesem Gebiet zu überwinden. Er schafft das, auch wenn er keinen Führerschein hat, und auch wenn er dadurch von Bono getrennt wird und sich mit ihm in der Folge auseinander lebt. Drittens Corys Kampf um eine Chance als Baseballspieler, die sein Vater ihm stur verwehrt mit dem Hinweis, er solle sich lieber um eine solide Ausbildung kümmern, um baldmöglich seinen Lebensunterhalt sichern zu können. Cory sagt ihm auf den Kopf zu, neidisch zu sein, weil er selbst diese Chance früher nicht hatte, und damit liegt er wohl auch ganz richtig. Und viertens Troys Affäre mit einer anderen Frau, die von ihm ein Kind erwartet und bei der Geburt stirbt, weshalb Troy eines Tages mit dem kleinen Mädchen im Arm zuhause aufkreuzt und von Rose verlangt, sich um sie zu kümmern. Bono hatte ihn von Anfang an vor den Konsequenzen gewarnt, Troy hat einfach weitergemacht, was die Entfremdung der beiden Freunde zusätzlich verstärkt hat und was natürlich auch die Ehe mit Rose zerstört, denn Rose wird die kleine Raynell zwar wie eine Tochter aufziehen, doch über die Demütigung nie hinwegkommen. Tja, und dann vergehen ein paar Jahre, an der Wand hängen nun Bilder von Luther King und Kennedy, Cory ist zu den Marines gegangen und stolzer Uniformträger, und alle versammeln sich im Haus, weil Troy gestorben ist und beerdigt werden soll. Ein bisschen ruckelt’s noch, weil Cory seinen Zorn nicht vergessen hat und nicht zur Beerdigung gehen will, doch am Schluss versinkt alles in Vergebung und Sentimentalität.
Nach den ersten zehn Minuten dachte ich, wenn das jetzt noch ein bisschen so weiter geht, verlasse ich das Kino. Ein irrsinnig nervtötender Endlosmonolog Troys, der salbadert, schwadroniert, rumposaunt, was das Zeug hält und zumindest mir damit tierisch auf den Wecker gegangen ist. Wir empfangen die Botschaft, dass dieser Mann sehr aufgeregt, sehr selbstgerecht und total besessen ist von der oben genannten Devise: Das Leben ist ein Kampf. Jeder kriegt sie unentwegt zu hören, und auch im weiteren Verlauf des Films wird Troy seine Predigten wieder und wieder vom Stapel lassen, und jedesmal sank mein Interesse auf den absoluten Nullpunkt. Klar ist er eine gebrochene Figur, klar ist er gebrochen vom Rassismus, von all den Zäunen und Schranken, die sich ihm in den Weg gestellt haben, und klar ist er ungerecht und tyrannisch und lässt all seinen ohnmächtigen Zorn, den er nicht gegen die Weißen richten kann, an seiner Familie als einzig möglichem Opfer aus. Kein Held, wahrlich nicht, doch das haben wir nach einer Viertelstunde gefressen und müssen es nicht noch weitere zwei Stunden wieder und wieder und wieder serviert bekommen. Doch so läuft das hier, ein Schema wird etabliert und auf jede der angesprochenen Konfliktlinien angewendet, und so sehr ich Washingtons Mut honorieren mag, einen derart sperrigen, komplexen Charakter in Überlebensgröße auf die Leinwand zu bringen, so sehr war ich auch genervt von seiner allgegenwärtigen, optisch wie akustisch total erdrückenden Präsenz. Ich weiß, dass dies Teil des Konzepts ist, denn Cory beschreibt uns zuletzt seine Empfindung vom Zusammenleben mit dem übermächtigen Vater, der nichts und niemanden auf Augenhöhe duldete, und die langen zwei Stunden davor haben uns eine sehr genaue Vorstellung davon vermittelt. Es geht aber auch weniger platt, weniger pathetisch, weniger klischeehaft. Alles ist hier sehr amerikanisch, vielleicht liegt es daran, dass ich die Themen irgendwie überholt und abgenudelt finde. Die Vater-Sohn-Kiste, die Mann-Frau-Kiste, die unendlichen Ergüsse zum Thema „Ein Man muss tun, was ein Mann tun muss“, „Mir hat auch keiner was geschenkt“, „Solange du deinen schwarzen Arsch unter meinem Dach wärmst“ und so weiter. Ich konnte es bald nicht mehr hören, wollte es auch gar nicht mehr hören, doch reitet das Stück scheinbar unentwegt darauf herum, nur um dann ganz am Ende eine Kehrtwende zu nehmen und allgemeine Güte und Verzeihung walten zu lassen. Cory trägt stolz die Uniform der Weißen (das nennt man wohl „Karriere“ in den Staaten…) und ein Sonnenstrahl direkt vom Himmel runter soll uns zeigen, dass dem armen Sünder Troy Vergebung widerfahren ist, auch von seiner Familie, die so heftig unter ihm gelitten hat.
Also, ich habe auch heftig gelitten, mir ist das alles zu laut, zu dick aufgetragen, und obwohl die Schauspieler sicherlich toll sind und ihre Präsenz mit vollem Einsatz in die Waagschale werfen, mochte ich mich nicht für die Personen erwärmen, denn sie alle sprechen unentwegt Theatertexte, gespreiztes Zeug, das ich eigentlich in einem Film von heute nicht mehr hören möchte. Fünfziger Jahre, wie gesagt. Ich war jedenfalls halbwegs erleichtert, als endlich Schluss war, und das hat das afroamerikanische Kino, das ja (talking bout raciscm…) nach wie vor eine Randerscheinung in Hollywood ist, absolut nicht verdient. (1.3.)